Qual der Zahl: Mediäval oder Versal – OSF, LF, TF?

Oft im Layout gequält: Ziffern. Je nachdem in welchem gestal­te­ri­schen Zusammenhang sie stehen, können Ziffern unter­schied­liche Formen annehmen. Lesbarkeit ist der Schlüssel zur Auswahl. Wo kommen die Ziffern hin? In den Fließtext oder in eine Liste? Es gibt zwei Grundformen: Mediävalziffern (= Oldstyle Figures, OSF) und Versalziffern (= Lining Figures). Welche Form wo am besten einge­setzt wird, veran­schau­li­chen die Beispiele unten.

Oldstyle Figures (Mediävalziffern, Minuskelziffern)

FontShop: Oldstyle FiguresOldstyle Figures, dem Arabischen entsprungen, ähneln den Buchstaben des Fließtextes mit unter­schied­li­cher Höhe und Position. Einige »sitzen« auf der Grundlinie, während andere darunter sinken. Meist sind 6 und 8 die höchsten Zahlen, 3, 4, 5, 7 und 9 fallen unter die Grundlinie und 0, 1 und 2 nehmen die Höhe der Kleinbuchstaben (= Minuskeln) ein. Oldstyle Figures harmo­ni­sieren mit dem Fließtext, ohne das Auge des Lesers abzu­lenken. Sie eignen sich am Besten für den Einsatz im Buch- und Mengensatz. Wo sie auftau­chen, trans­por­tieren sie typo­gra­fi­schen Feingeist.

 

Lining Figures (Versalziffern, Majuskelziffern)

FontShop: Lining FiguresLining Figures wurden für die homo­gene Darstellung von Zahlen in Listen. Von einheit­li­cher Größe und Höhe lehnen sie sich an die Versalien an können jedoch auch kleiner und leichter als ihre Großbuchstaben sein. Heute verwenden die meisten Schriften Lining Figures in der Standardeinstellung (siehe unten: vorein­ge­stellte Ziffern finden).

Im Gegensatz zu Oldstyle Figures, verlaufen alle Lining Figures auf der Grundlinie und richten sich von dort in einheit­li­cher Höhe aus. Sie bringen Ruhe in Geschäftsberichte, Formulare, Rezepte und in viele Gliederungen. Lining Figures sind sehr vielseitig.

Tabellenziffern vs. propor­tio­nale Ziffern

FontShop_TabellenziffernSowohl Oldstyle- als auch Lining-Figures können neben der varia­blen (= propor­tio­nalen) Zeichenbreite auch als Tabellenziffern (= mono­spaced) vorliegen. Gleichbreite Tabellenziffern ermög­li­chen es, Rechenoperationen mathe­ma­tisch über­sicht­lich darzu­stellen. Sie werden in der Tabellenkalkulation und im Rechnungswesen einge­setzt. Obwohl es auch Oldstyle-Tabellenziffern gibt, sind sie für den Einsatz in Tabellen nicht zu empfehlen, denn sie bringen hori­zon­tale Unruhe in das Ziffernlayout.

Tabellenziffern finden sich häufig in Opentype-Office-Paketen. Mehr über Schriften für die Unternehmens-Kommunikation …

Proportionale Lining-Ziffern unter­scheiden sich in der Breite ihrer Zeichen. Wie Oldstyle Figures eignen sie sich für Bücher und den Mengensatz im Allgemeinen. Sie wirken moderner als Mediävalziffern. Durch die variable Breite der Ziffern passt sich ihr Grauwert dem des Textes an. Der Texfluss von Ziffern und Buchstaben wird vereinheitlicht.FontShop: Übersicht Ziffern

TIPP: Eine schnelle Ziffern-Satzprobe zeigt die vorein­ge­stellten Ziffern vor der Auswahl der Schrift für das Projekt und vermeidet zeit­auf­wän­diges Improvisieren.

Voreingestellte Ziffern finden

FontShop_Zeichensatz-Ansicht

Moderne OpenType-Schriften enthalten mehrere, OpenType-Pro-Schriften oft sogar alle vier Ziffernarten. Im FontShop-Webshop kann für jeden  Einzelschnitt wie Regular, Bold oder Light die Ansicht Zeichensatz aufge­rufen werden. Die vorein­ge­stellten Ziffern werden in der Zeichensatz-Ansicht direkt hinter den Buchstaben gezeigt.

Beim Layouten können alter­na­tive Ziffern über die OpenType-Features aufge­rufen werden.

Am Beispiel der OpenType-Pro-Schrift »Novel Sans Rounded Regular Pro« von Atlas Fonts, zeigt ein Blick in den Zeichensatz beim Klick auf die Ziffer 1, dass Lining Figurers vorein­ge­stellt sind und dass der Zeichensatz acht weitere Ziffernarten enthält. Die alter­na­tiven Ziffern können per Tastaturbefehl oder über das entspre­chende OpenType-Menü im Layout-Programm ange­steuert werden.

FontShop_Alternate-Ziffern

Die Zeichensatz-Übersicht verrät für jeden Schriftschnitt die enthal­tenen Zeichen (= Glyphen). Bei Ziffern lässt sich zusätz­lich fest­stellen, ob Oldstyle Figures oder Lining Figures als Standard fest­ge­legt wurden.

Quelle
The FontFeed, Figuring ist out: OSF, LF, and TF Explained


3 Kommentare

  1. Tobias-David Albert

    Zitat aus dem Artikel: »Proportionale Ziffern unter­scheiden sich in der Breite ihrer Zeichen. Wie Oldstyle Figures eignen sie sich für Bücher und den Mengensatz im Allgemeinen. Sie wirken moderner als Mediävalziffern.«
    Der letzte Satz trägt im Moment keine Information. Er trägt sie vermut­lich erst, wenn im ersten Satz propor­tio­nale Versalziffern gemeint sind? Aber auch wenn das gemeint ist, ist »modern« in diesem Zusammenhang eine speku­la­tive Behauptung. Vielen Dank aber trotzdem, für den sonst inter­es­santen Artikel.

  2. Tobias-David Albert

    Ausnahmen bestä­tigen die Regel: Es gibt schöne Zwischenwesen. Die Satzschriften Miller und Mantinia, von Matthew Carter, sind mit Versalziffern ausge­stattet, die Ober- und Unterlängen wie Minuskelziffern besitzen.

  3. Sabine Gruppe

    Hallo Tobias,

    danke für Deine Hinweise: die ange­spro­chene Passage habe ich ergänzt. Die ‘Zwischenwesen’ von Carter und anderen sind ein guter Tipp.

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