Proteste gegen IngolStadtLandPlus
Wenn eine Stadt oder eine Region an ihrem Image feilt, um sich überregional beliebt zu machen, sollte sie auf das vorhandene Fundament bauen: ihren Namen, bekannte Bauwerke, Industrien, berühmte Töchter und Söhne. Was fällt einem zu Ingolstadt und Umgebung ein? Audi, ERC Ingolstadt, FC Ingolstadt, Uni, EADS, Metro-Saturn, Hopfen und Malz … dann wird es dünn. Schon mal was von »Region 10« gehört? Oder von »IngolStadtLandPlus«? Gleich mehr dazu, kurz einen Gang zurückschalten …
Das kreisfreie Ingolstadt an der Donau ist mit 125.000 Einwohnern die jüngste Großstadt Deutschlands. Es ist nach München die zweitgrößte Stadt Oberbayerns und die sechstgrößte Bayerns. Die Region Ingolstadt umfasst die Landkreise Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen, Pfaffenhofen a. d. Ilm sowie die Stadt Ingolstadt, ist eine von 18 Planungsregionen in Bayern und trägt die Ziffer 10. Weil außerhalb Bayers niemand etwas mit dem Begriff »Region 10« verbindet, sucht die Initiative Regionalmanagement e. V. (IRMA) seit fünf Jahren nach einem griffigen Namen inklusive Logo.
Im Juni 2010 präsentierte die IRMA im Kelten-Römer- Museum Manching stolz und selbstbewusst einen Begriff, ein Logo und ein gemeinsames Leitbild. Unter der Marke »IngolStadtLandPlus« und mit den drei Werten »innovativ, nachhaltig, menschlich« solle sich die Region 10 dem Wettbewerb der attraktivsten Lebens- und Wirtschaftsräume in Deutschland stellen. Das Leitbild sei das Ergebnis einer Befragung von 2000 Bürgern und der Zukunftswerkstätten (280 Teilnehmer aus der Bevölkerung und der Wirtschaft) in den vier Gebietskörperschaften. Gemeinsam mit den führenden Unternehmen der Region hätten diese sich auf einen Begriff und ein Logo geeinigt. »IngolStadtLandPlus« werde Aufmerksamkeit erregen.
Doch das Echo in den Kreisstädten geriet zum Debakel. Vor allem die Subsumierung unter dem Namensbestandteil »Land« ließen sich stolze Kleinstädte wie Neuburg oder Pfaffenhofen nicht bieten. »Eine glatte Themaverfehlung«, schimpft etwa die SPD in der Hallertau, »realitätsfremd und nicht vermittelbar«. In Neuburg wurde bemängelt: »Eine Regionalmarke sollte verbinden und regionale Aspekte hervorheben.« Doch »Land« degradiere alle zu einem Anhängsel von Ingolstadt.
Wie der Donaukurier heute berichtet, soll nun ein runder Tisch die verfahrene Situation lösen. Der IRMA-Vorsitzende Werner Widucke verteidigt das bisherige Markenkonzept gegenüber der Presse so: »Ein neuer Name, der unsere Region als Verbund darstellen soll, ist zu Beginn erst einmal ungewohnt. Er braucht Zeit, um mit den Inhalten zu wachsen und er muss über greifbare und identitätsstiftende Berührungspunkte wie Produkte und Botschaften erlebbar werden.«
Am runden Tisch gelte es nun zu prüfen, ob der Markenname IngolStadtLandPlus noch zu retten sei, schreibt der Donaukurier. Doch nicht nur die Parteien, auch die Bürger reden jetzt mit. Auf Facebook wurde inzwischen die Protestseite Ingolstadtlandplus – Schluss mit dem Stuss eingerichtet, wo auch ein Protestbanner geladen und alternative Namensvorschläge eingereicht werden können.
11 Kommentare
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arti
Die Erfahrung bei den Städtelogos zeigt doch: Dort ist es schon schwierig, es jedem Recht zu machen, der mitreden darf. Hier wollen jetzt 4 Landkreise mitreden, noch dazu bayrische – wie soll das gut gehen?
Immer noch die gleiche Vroni
@ arti
Sehe ich auch so.
Dann bin ich mal über die alternativen Namensvorschläge gespannt. Schätze, da wird nicht viel kommen.
Manni
Ein Diskussion darüber gab’s auch schon hier:
http://www.designtagebuch.de/ingol-stadt-ein-neues-logo-fuer-die-region
matthias
Kein Wunder, dass ein solches Zeichen nicht auf Zustimmung stößt. Was nicht einmal nur am Zeichen oder Slogan liegt. Wer sagt denn auch, dass eine „Planungsregion“, das regionale Vehikel eines landespolitischen Strukturentwicklungsinstruments also, überhaupt dazu geeignet ist, emotionale Identifikation bei der Bevölkerung zu erzeugen? Diese Planungsregion ist ein mehr oder minder willkürlich gezogener Rahmen. Sie basiert nicht auf dem Lebensgefühl der Pfaffenhofener, Ingolstädter etc. sondern auf langfristigen organisatorischen Erwägungen. Hier geht es um die Präsentation infrastruktureller Ressourcen und Entwicklungspotenziale und nicht um die alleinige Repräsentanz einer Region. Von derer darf man schon fragen, ob die Schmissigkeit einer „Stadt-Land-Fluss“-Metapher für dieses Unterfangen überhaupt die richtige Antwort ist. Man kann sich auch fragen, warum diese ganzen Regional-Initiativen nicht im Hintergrund bleiben und die Inhalte generieren, die durch die entsprechenden Landkreise und Kommunen kommuniziert werden. Dann mit entsprechend glaubhaftem lokalen Kolorit.
Identität lässt sich jedenfalls nicht oktroyieren!
Immer noch die gleiche Vroni
„Emotionale Identifikation“ ist zugegeben mit so trockener Typografie, dazu mit einem reinen Buchstaben-/Wortspiel auch recht schwer.
Grundsatzdiskurs
Wie emotional verbindend kann Typografie sein? Stößt m. E. schon an ihre Grenzen.
Der Mensch, vor allem der barocke bayerische Mensch :-), wie er in diesen Gegenden häufig anzutreffen ist, will Bilder. Das flache neblige Donautal und das pittoreske Altmühltal (bin da mal 14 Tage mit Rad & Zelt durchgegondelt) sind Seelenlandschaften, keine Planungsregionen, die lediglich nur mit unterschiedlicher Farbe dargestellt zu werden brauchen.
Der Oberfranke ist, was Metadesign betrifft, wesentlich leidensfähiger. Und auch sonst. :-)
Grüße von einer Oberfränkin, die jetzt in Oberbayern wohnt.
PS: Eigentlich klar: Wenn „Raum für Innovationen“ dabei steht, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit Audi-Ingolstadt gemeint ist. Die anderen fühlen sich wohl dadurch abgehängt und hängen sich aber jetzt an StadtLandfluss auf, dass nur dieses diskriminierend sei.
Felix
Mal vom Inhalt abgesehen ist es auch optisch sehr gewöhnungsbedürftig. Sieht aus wie schnell zusammen gebaut. Der Claim sitzt auch irgendwo im Nirgendwo.
Ole
… das sind nur Buchstaben, als Typografie würde ich das nicht bezeichnen, nicht mal als Wortmarke, ein Konzept kann ich nicht erkennen. Kommunikation ist so nicht möglich – peinlich (gestalterisch und inhaltlich).
Stephan
Was mich am Rande schon immer interessiert hat: wenn man trennt, darf dann in einer Wortmarke der Bindestrich entfallen? Ist ja nur rein ästhetischer Natur, oder?
Um den ganzen zur Verfügung stehenden Raum für Innovation zu vermarkten hätte man besser eine leere weiße Fläche als Logo nehmen sollen, anstatt es bereits am Anfang mit wenig innovativen Buchstaben voll zu müllen.
Ole
… einmal abgesehen von der Frage ob die Trennung hier sinnvoll ist, würde ich keine Trennungen in Wortmarken einbauen. Ausser ich treibe es auf die Spitze und erkläre die Trennung zum Prinzip. Dann bin ich allerdings eher im Bereich Marketing oder Werbung, also sinnvolle oder bewusst unsinnige Trennung zum Prinzip der Aufmerksamkeitslenkung.
Helen
Vroni, in Ingolstadt gibt es so gut wie nie Nebel.
Da die Illuminaten aus Ingolstadt kommen, bin ich für den Claim „Capital of the world“. Alternativ: „Birthplace of Frankenstein’s monster“, den das wurde auch in Ingolstadt erschaffent – in der Prä-Audi-Epoche. Ingolstadt hat auch das Reinheitsgebot erfunden. „Ingolstadt – alles andere ist Dreck!“ fände ich daher auch sehr sympathisch.
Okay, ernsthaft: Ingolstadt ist die einzige Stadt der Welt, deren Altstadt von einem kreisförmigen Park umzäunt wird. Darauf ich hätte ich das Logo aufgebaut.
Immer noch die gleiche Vroni
In Ingolstadt nicht (Nebel).
Aber sehr wohl in den Donau-Auen next der kleinen dummen Stadt.
Tchja.