Polierte Verbandsmarke: Ein Pfeil für die Buchkunst
Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels – Veranstalter der Buchmesse Frankfurt, Träger der Stiftung Buchkunst (Wettbewerb »Schönste Deutsche Bücher«), Verleiher des Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, ideeller Träger der Leipziger Buchmesse u. a. – spendiert sich und seinen Mitgliedern einen neuen, einheitlichen Auftritt. Auffälligstes Signal für das Zusammenwachsen ist ein neues, verbindendes Zeichen, das nur noch entfernt an das gedruckte Buch erinnert. Statt aufgeschlagener Buchseiten symbolisiert jetzt ein (nach oben zeigender) Pfeil die deutsche Buchbranche. Schaut man genauer hin wird deutlich, dass für den Pfeil lediglich ein Teil des aufgeschlagenen Buches ausgeschnitten und gedreht wurde.
Hintergrund des neuen Auftritts sind die Veränderungen in der Branche. Der Börsenverein möchte moderner und nicht mehr mit dem Buch als alleinigem Medienformat auftreten, sondern mit dem »Prinzip Buch«, das in unterschiedlichen Erscheinungsformen (Print, E-Book, Hörbuch, App …) angeboten wird. Das Fachmagazin Buchreport zitiert dazu als Beweggrund: »Weil das ›Prinzip Buch‹ nicht anschaulich … zu visualisieren ist, wurde ein abstrakteres Symbol gesucht, das für alle Erscheinungsformen stehen kann.«
Auf der Leipziger Buchmesse soll das Zusammenrücken unter dem Motto »Ein Gedanke, eine Zukunft, ein Logo: Die Börsenvereinsgruppe wächst zusammen« vorgestellt werden. Dort werden Alexander Skipis (Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins), Andreas Auth (Sprecher der Landesverbände im Börsenverein) und Ronald Schild (Geschäftsführer der MVB Marketing und Verlagsservice des Buchhandels GmbH) bei einem Sektempfang das neue Corporate Design des Verbands und seiner Wirtschaftstöchter vorstellen und die Idee, die dahinter steht.
40 Kommentare
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<em>kursiv</em> <strong>fett</strong> <blockquote>Zitat</blockquote>
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rainer
ach du … . ich bin sprachlos. : /
JP
Vgl. das Logo der Österreichische Nationalbibliothek …
http://www.univie.ac.at/voeb/blog/?p=12426
Philsen
Come to where the flavor is.
chris
schade. das alte logo hat gefallen
charly
also ich sehe im logo der nationalbibliothek eigentlich nur ein anführungszeichen und kein buch!
Karin SchmidtFriderichs
Es ist der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der das neue Logo hat und visuell damit den Wandel anzeigt sowie einen Gesamtauftritt zusammen mit den Wirtschaftsbetrieben wie etwa der Frankfurter Buchmesse anstrebt. Anlass ist sowohl der Medienwandel als auch ein Umzug: die Börsenvereinsgruppe zieht unter ein Dach, war bislang über Frankfurt verstreut. Der Börsenverein ist einer der Stifter der Stiftung Buchkunst, ihr insofern verbunden, aber nur einer von vier gleichberechtigten Stiftern.
Jürgen Siebert
Danke Karin, ich präzisiere das mal im Text.
JP
ad Charly:
Walter Bohatsch, der das ÖNB-Logo erstellte, hat auf seiner Website sogar eine Flash-Animation, aus der klar wird, dass es sich um ein aufgeschlagenes Buch handelt: http://www.bohatsch.at/index.php?bereich=3&lang=0&subkat=1&eintrag=43; auf der Website zum Buch „Continuesly“: http://continuously.bohatsch.at/ (dort Link: ÖNB-Logo) steht sogar: „Das schnelle Durchblättern eines Buches, unterbrochen durch plötzliches Innehalten generiert das Logo der Österreichischen Nationalbibliothek.“
erik spiekermann
Diese Unternehmung zeigt einmal mehr die Panik, die die Branche befallen hat. Es gibt überhaupt keinen Grund, das alte wunderbare Zeichen (es ist kein Logo, weil ohne Buchstaben) zu ändern. Blättern als Aktivität hat sich auch im elektrischen Buch nicht erledigt und Einzelseiten wird es auch immer geben, weil das ein Buch von anderen Mitteilungsformen unterscheidet.
Ein Aufwärtspfeil wird immer gerne genommen, wenn man dynamisch auftreten will. Wenn das allerdings aussieht wie der Ausschnitt aus einer Baustellenabsperrung, dann kommuniziert das unabsichtlich, aber unübersehbar, dass sich die Leute keine Gedanken gemacht haben über das Wesen des Buches, gleich in welcher Erscheinungsform. Stattdessen wollen sie modern aussehen, tragen mit diesem Zeichen aber zu genau der Verärmlichung von Inhalten bei, die auf vielen „Neuen Medien“ betrieben wird. Im alten Zeichen war angeblich das „Prinzip Buch” nicht anschaulich dargestellt, was Blödsinn ist, weil Blättern, Seiten, Abfolge usw immer das Buch unterscheiden werden von anderen typografischen Medien, s.o . Mit einem platten Pfeil soll das jetzt besser sein?
Tolle Methode: „Wir können das intellektuell nicht lösen, also gehen wir dem Thema einfach aus dem Wege.“ Diese Leute sollen das deutsche Buchwesen repräsentieren? Da wirft man 500 Jahre Geschichte weg und biedert sich der allgemeinen Verdeppung an. Immer wieder Watzlawicks Erstes Axiom:
Man kann nicht nicht kommunizieren.
Michael
Meine Assoziation: ein langweiliges Buch. Man hat es aufgeschlagen, ein paar Seiten darin gelesen und dann umgedreht. Nun sieht man den Einband. Wird man das Werk je wieder in die Hand nehmen?
Sven Gelhaus
Wenn sich jetzt schon der Börsenverein des Deutschen Buchhandels mit aller Macht von alten Werten trennen will und das meiner Meinung nach sehr gute alte Zeichen gegen ein unpersönliches und flaches ersetzt, dann mache ich mir wirklich Sorgen um das Wort Buch. Hoffentlich kommt niemand auf die Idee, auch das zeitgemäßer zu gestalten.
Alexander Vieß
Schön, dass unsere Bildmarke auch hier kommentiert wird. Nicht so schön, dass die Informationen hier leider auf dem – zurückhaltend formuliert – bruchstückhaften Text im Buchreport beruhen. Natürlich haben Sie, Herr Spiekermann, recht: Das Bild oben gibt nicht das Logo, sondern lediglich die Bildmarke wieder. Und selbst das Logo sollte zumindest im Kontext seiner Genese und des erneuerten Corporate Designs beurteilt werden.
Ich würde Sie alle, die Sie hier kommentieren, deswegen gerne einladen, an der Präsentation des gesamten CD’s kommenden Donnerstag auf der Leipziger Buchmesse teilzunehmen. Schreiben Sie mir einfach an viess (at) boev.de. Und denen, die das zeitlich nicht einrichten können, schicken wir gerne auch ein Päckchen mit allen Materialien, analog oder digital – denn wir können durchaus beides ;)
Alexander Vieß
(Redakteur Web & Social Media im Börsenverein)
erik spiekermann
Mein Kommentar wurde vor allem durch dieses Statement ausgelöst Weil das ›Prinzip Buch‹ nicht anschaulich … zu visualisieren ist, wurde ein abstrakteres Symbol gesucht, …
Das ist eine Bankrotterklärung, die Kapitulation vor einer intellektuellen Auseinandersetzung. Hat es überhaupt jemand versucht? Ging der Auftrag gleich aus dem Meeting in die Reinzeichnung? Bei diesem defätistischen Briefing ist es völlig gleich, ob wir nur das halbe Logo, Symbol, Zeichen oder Signet zu sehen bekommen. Da kann es nur noch bergab gehen.
Wieder einmal muss ein bisschen Grafik herhalten, wo eigentlich erst einmal die Inhalte geklärt werden sollten. Vielleicht hätte der Vorstand etwas Hilfe gebraucht bei dieser Findung. Oder sind das alles Juristen, die bekanntlich sowieso alles wissen? Ich kenne genügend Gestalter, die sich dieser Aufgabe inhaltlich gestellt hätten, obwohl – oder gerade weil – es dabei bestimmt ans Eingemachte gegangen wäre. Dieses Zeichen geschieht Leuten recht, die malen lassen, bevor sie denken.
Darf man denn wenigstens wissen, welche Kollegen das machen mussten bzw. durften? Sieht sehr aus nach kostenlosem Pitch, wo man ja nie die Gelegenheit hat zu einem vernünftigen Austausch, bevor es ans Mäuseklicken geht.
Noch ein Zitat (nicht von Watzlawick): „Jeder Auftraggeber hat die Gestaltung, die er verdient.“
Vroni
„Der Börsenverein möchte moderner und nicht mehr mit dem Buch als alleinigem Medienformat auftreten“
Tonality
„Möchten moderner auftreten …“ Naja, solche flachen Tonality-Briefings kennt man ja. Oft zeigen sich Auftraggeber völlig überrascht, wenn dem Designbüro das nicht ganz langt.
:-)
Sprache und Bild-Symbolik (Semiotik):
Denkfehler: Wenn das „Prinzip Buch“ bei den Neuen Medien aber doch auch in der Sprache als textliches Zeichen weiterlebt: „E-Book“ (sic!), „Hörbuch“ (sic!) …, dann darf das „Prinzip Buch“ als symbolisches Zeichen doch bitte ebenfalls weiterleben. Quod licet …
Wie ist die Rufnummer deren Marketingabteilung? Gleich ruf ich an.
Vroni
Das Buchsymbol müsste bei den vielen neuen Medienverwendbarkeiten eher reicher (beweglicher, farbiger, tönend) werden,
aber auf keinen Fall abgemagerter, dürrer.
Das wird dem immer vielgestaltiger werdenden Medium keinesfalls gerecht.
Vielleicht sollten sich die Buchbörsenmarketer so etwas mal anschauen:
http://www.designtagebuch.de/ein-logo-mit-40-000-permutationen/
thomas junold
das ist ein börsenorientieres 0815-zeichen. hauptsache »up, up and away«.
HD Schellnack.
Das alte Zeichen, sorry, war dringend überarbeitungsbedürftig. Wer einmal mit den Daten arbeiten durfte, wird das bestätigen – ich habe selten ein unsauberes Logo gesehen. Und auch in Sachen Typographie dürften sich Fontblog-Leser einig sein, dass TIMES und ARIAL nicht gerade Schriften sind für a) ein bibliphiles Unternehmen und b) jemanden, der sich die Thematik Copyright auf die Fahne geschrieben hat. Ich bin nicht ganz so neutral, weil es von uns einen leider nicht gezogenen Gegenentwurf zu Meta gab – der das Buchlogo durch eine tolle Weiterentwicklung von Iconwerk beibehält, aber modifizierte – und typographisch auf die Milo-Familie aufsetzt (statt Fago und die Daimler-Antiqua in Light)… aber das es etwas neues sein musste, ist schon richtig. Beide Schriften stimmen irgendwie nicht für den Auftraggeber, technisch nicht, aber auch «ideologisch» nicht. Man modernisiert sich nicht dadurch, dass man von Serif auf Sans wechselt – und vor allem hätte gerade ein Verbund wie der BOEV, der als Wirtschaftstöchter ja auch die MVB und die Frankfurter Buchmesse umfasst, von einer gut ausgebauten «Sippe» wie der Milo (oder etwas ähnlichem, wobei die Milo einfach perfekt war) profitiert.
Um das alte Logo ist es insofern schade, als dass die GRUNDIDEE toll ist und eigentlich hätte man es nur sorgfältig überarbeiten und modernisieren müssen, nicht alles ganz neu machen.
Tatsächlich geht der Entwurf weiter als unserer und die reine Bildmarke finde ich weitestgehend okay, wenn auch das Gesamt-CD aus meiner Sicht etwas neben dem liegt, was für den BOEV «passend» wäre. Man darf aber nie unterschätzen, wieviel Leute an solchen Prozessen beteiligt sind und wieviel von den Ideen von Meta Düsseldorf da noch übrig ist – vielleicht ist es 1:1 was die Designer wollten, maybe not.
Das ÖNB-Logo ist großartig, finde ich. Und zeigt, wie frisch Serif aussehen kann :-D
Das alles ändert aber wenig daran, dass der Auftritt – wenn er vielleicht in den kommenden Jahren in der Praxis von Zündung, die das BOEV-Design nach dem Relaunch jetzt meines Wissens machen, noch etwas modifiziert wird – durchaus eine Verbesserung darstellt und vor allem, dass der Börsenverein als solcher ein Verein mit vielen wirklich engagierten und tollen Menschen ist (zumindest die, die wir kennengelernt haben und die, mit denen wir zusammenarbeiten durften), die die Häme, die hier vergossen wird, nicht näherungsweise verdient haben.
Anne-Mette Noack
Herr Spiekermann Sie haben recht, wir haben die Bildmarke bekommen, die wir verdienen. Ein wegweisendes Symbol für das Prinzip Buch, das sowohl Tradition als auch Zukunft in sich vereint.
Ich kann mich meinem Teamkollegen Alexander Vieß nur anschließen: der Text des Buchreports sollte nicht Grundlage dieser Diskussion sein – kommen Sie zur Präsentation auf der Leipziger Buchmesse und betrachten Sie die Bildmarke im Kontext des gesamten Corporate Designs.
Anne-Mette Noack
(Marketingleitung im Börsenverein)
Jürgen Siebert
Wir sind alle gespannt auf das komplette Bild. Fontblog wird es ausführlich vorstellen.
erik spiekermann
Corporate Speak: Ein wegweisendes Symbol für das Prinzip Buch, das sowohl Tradition als auch Zukunft in sich vereint.
Sie haben einen platten Pfeil bekommen und ein Erscheinungsbild mit einer Schrift von Daimler, laut HG Schellnack. Aber es nach eigenen Angaben nicht geschafft, das Prinzip Buch anschaulich zu visualisieren. In der Schule hieß das: Thema verfehlt.
erik spiekermann
@HD:
War das ein Wettbewerb oder ein Pitch? Und wie lief das ab? Du setzt Insiderwissen voraus in deinem Kommentar, aber das werden die meisten hier nicht haben.
Vroni
Einen ersten Eindruck, wie das neue Zeichen als Wortbildmarke mit Typo arbeitet, hat man hier beim Deutschen Buchpreis : http://www.deutscher-buchpreis.de/de/414204
Da wird das rote Pfeilzeichen ebenfalls genommen und wird zum grünen Pfeil.
Die Schrift sieht aus wie die Milo, könnte condensed/gestreckt sein.
Was es bei der Milo aber nicht gibt (habe auf dem Fontshop gekuckt).
thomas junold
vroni: das ist die FAGO.
geschickt ist die anordnung hier nicht. der börsen-pfeil kann nicht abheben, ohne sich die ecke am »deutscher« einzuknicken, oder schlimmeres.
weiter drinnen gibts noch ein pdf, welches ich aber ordentlich finde. nix zu meckern.
http://www.deutscher-buchpreis.de/sixcms/media.php/1257/dbp_11_Ausschreibung.pdf
erik spiekermann
FF Fago ist nun nicht gerade die Buchschrift an sich. Aber die Hausschrift von MetaDesign (nachdem sie die FF Meta nach meinen Ausstieg abgeschafft hatten) und von N24.
erik spiekermann
@ Anne-Mette Noack
kommen Sie zur Präsentation auf der Leipziger Buchmesse
Das werde ich ganz sicher nicht tun, denn ich muss in der Zeit arbeiten.
Vroni
@ thomas junold
…“der börsen-pfeil kann nicht abheben, ohne sich die ecke am »deutscher« einzuknicken …
Ne, der Pfeil wird kraftvoll durch die Buchstaben durchstoßen und siegreich nach oben abheben (wohin auch immer…) wie Raketen tun … :-)
Andreas Stötzner
Der Argumentationsrichtung des verehrten Koll. Spiekermann ist insofern entschieden beizuspringen: die neue Version wird als inhaltliche Modernisierung verkauft, aber diese kommt graphisch als Verflachung daher, wo Durchdringung und gedankliche Destillation gefragt gewesen wären, die sich in graphischer Formfindung niederschlagen sollten.
Nicht ganz leichte Aufgabe, zugegeben.
Zeigt bitte diese »Pfeil«form (lachhaft) dem Mann auf der Straße und des Achselzuckens wird kein Ende sein.
Das ›Prinzip Buch‹, wie es seit hunderten von Jahren existiert und wie es jetzt gerade hochaufregend neue Formen annimmt, davon vermag ich in dem neuen Zeichen nichts zu entdecken. Die Form ist einfach zu unspezifisch! Denn sie sagt über die neuen, »modernen« Buchformen – NICHTS aus. Gar nichts.
Das ist die entscheidende Schwäche des neuen Zeichens: es kommt daher als versimpelnde Paraphrase des bisherigen Zeichens – und verfehlt gerade deshalb die inhaltliche Neuausrichtung, die doch angeblich gewünscht war.
erik spiekermann
Das ›Prinzip Buch‹, wie es seit hunderten von Jahren existiert und wie es jetzt gerade hochaufregend neue Formen annimmt, davon vermag ich in dem neuen Zeichen nichts zu entdecken.
Du hast recht, Andreas. Auch im ursprünglichen Zeichen ist das Buch nur auf seine äußere Formreduziert, also Seiten zwischen Buchdeckeln. Das war seinerzeit in Ordnung, mangels Konkurrenz. Da diese Form aber nicht mehr die einzige ist, hätte man sich fragen können, was denn ein Buch heute noch ausmacht. Sagen wir mal: im Gegensatz zur Zeitschrift, zu anderen Drucksachen. Da gäbe es schon ein paar Gedanken (zu Inhalt und Form), die sich aber anscheinend niemand gemacht hat.
Ich habe immer vertreten, dass Gestaltung zuallererst eine intellektuelle Disziplin sei. Hier haben die Kollegen mit ihren Auftraggebern leider den Gegenbeweis angetreten. Ich kann mir die Präsentation schon vorstellen, wo dann Worte fallen wie dynamisch, zeichenhaft, auffällig, modern, zukunftweisend – alle diese Begriffe, die in jedem Workshop sofort an der Tafel stehen, wenn sich Unternehmen ihre Selbstdarstellung wünschen dürfen. Das höflichste Wort dafür ist englisch: Bullshit.
Andreas Stötzner
Offenbar können wir von unseren Auftraggebern noch immer nicht erwarten, daß sie das, was wir für sie tun (könnten), ernst nehmen. Das »Logo« (schon die Wortwahl!!) wird als aufgeklebtes Schnucki angesehen, nicht als substanzieller Teil der Unternehmung. Es reicht die Sihouette eines fallengelassenen Buchdeckels und schon schwadroniert man von Pfeil, Dynamik, Modernität &cª &cª. Wozu werden wir eigentlich an Hochschulen ausgebildet?!
Allerdings habe ich auch erlebt, daß es anders geht. Wenn man den Auftraggeber ordentlich an die Hand nimmt. Wenn man ihn dazu bringt, an einem methodischen Entscheidungsprozeß mitzuwirken, der den Entwurfsprozeß begleitet. Dies muß jedoch moderiert werden – und das kann nur jemand leisten, der Gestaltung versteht.
HD Schellnack.
Erik, es war eine unter dem damaligen Marketingleiter Holger Volland laufende, aus meiner Sicht faire Agenturvorstellung – bis auf die Tatsache, dass wir es nicht wurden, dann ich mich da über nichts beschweren und fand die Erfahrung Börsenverein eigentlich eine sehr positive, vor allem weil wir mit dem Vorlesetag-Auftritt auch eine Arbeit machen konnten, mit der wir weitgehend zufrieden sind und die wohl auch bei den Jugendlichen sehr gut ankam. Im Kontext der Arbeit haben wir für Verband und Töchter eine Art Neuauftritt konzeptioniert, der das alte Buchlogo bearbeitet, etwas moderner macht, handwerklich sehr sauber macht. Und – getreu dem Motto, je weniger die Leute es merken, desto besser – haben wir die Times durch MiloSerif und die Arial durch MiloSans ersetzt.
Volland kennt sich übrigens absolut mit Gestaltung aus – er war schließlich selbst vor seiner Tätigkeit beim BOEV bei MetaDesign in Berlin im Branding aktiv – und ich kann nur sagen, man hat es nicht alle Tage, dass man so fundiert mit einem Marketing-Partner über einen Job reden kann. Das war schon angenehm. Ich denke, am Ende ging es aber auch um die Frage, ob eine «große» Agentur (und es gibt ja kaum eine größere als diese) nicht sicherer und souveräner ist, wenn es um die Durchsetzung geht – was ich nicht beurteilen kann. Ich selbst glaube ja an das britische Prinzip, wo durchaus «große» und namhafte Agenturen ja überraschend klein sind. Wir sind 5 Leute und wären mit diesem Klienten sicher punktuell auf 6-8 angewachsen und das ist natürlich nicht EdenSpiekermann oder Meta (wobei Meta DD ja auch gar nicht so viele Mitarbeiter hat), hätte aber für einen Klienten dieser Größenordnung allemal gereicht – zumal wir gern sowohl CD als auch konkrete Umsetzung machen… ich glaube, es ist besser, nicht einen abstrakten Guide zu machen, sondern selbst zu implementieren, man arbeitet viel motivierter, wenn man mit dem Auftritt selbst weiter leben will :-D.
Ich selbst wollte an dem aufgeschlagenen Buch nicht viel ändern, weil manchmal das naheliegende eben auch das gute ist – ich kann aber auch verstehen und sogar auch gut finden, wenn der BOEV da einen Schritt weiter geht. Mich wundern eher die handwerklichen Sachen im Detail des StyleGuides, das hätte ich nicht erwartet. Ich glaube, der Auftraggeber wäre mit einer kleineren Agentur vielleicht engagierter beraten worden – dabei geht es gar nicht um nodesign per se, sondern gut wäre sicher auch eine der vielen wirklich ja sehr guten Designagenturen aus Frankfurt/Wiesbaden/Mainz gewesen.
So oder so – da ist trotz Kritik im Einzelnen ein Neustart da und das ist an sich eine gute Sache. Wer Verbände etwas kennt – und das wird auch Erik sicher wissen – hat eine Ahnung, wie schwer eine solche Geburt ist und dass die Änderung an sich ein großer Schritt nach vorne ist. Besser als der alte Auftritt ist es unbedingt, vor allem, wenn man im Detail noch nachbessert – und das passiert im Laufe der Jahre ja unweigerlich.
R::bert
@ HD
Wie wär’s, wenn man Deinen Dayshot zum Thema auch hier betrachten könnte? Jetzt wo Du – in sicher vielen Lesern – großes Interesse geweckt hast.
HD Schellnack.
Ich werden den Teufel tun ;-). Mir geht es auch denkbar wenig darum, Meta hier zu dissen – das steht mir nicht an – und das ist auch hoffentlich klar geworden, ich bin sicher, die haben im Rahmen des Machbaren ihr bestes gegeben und insofern die harsche Kritik in den Kommentaren so nicht verdient. Es geht also nur darum, solche Arbeiten nicht öffentlich hinzurichten sondern im Kontext dessen zu sehen, was Realität angewandten Designs für real existierende Kunden nun mal ist.
erik spiekermann
harsche Kritik in den Kommentaren
Meine Kritik geht vor allem an den Auftraggeber. Wenn der das Problem gleich so flach redet, kann ja nichts dabei herauskommen. So haben sie die Gelegenheit verpasst, das Thema Buch neu zu denken und die Gestalter haben sich leider nur als Grafiker verkauft. Das Thema Buch ist mehr als eine Markenpositionierung, sondern ein Nachdenken wert über die Vergangenheit und die Zukunft dieses Mediums, das überhaupt erst die Aufklärung ermöglicht hat – den Aufbruch des Menschen aus seiner Unmündigkeit. Diese Geschichte des Fortschritts in eine flache, gewöhnliche und verbrauchte grafische Form zu packen mag auf den ersten Blick als glorreiche Vereinfachung wirken, ist am Ende aber nur eine Banalisierung.
HD Schellnack.
>Meine Kritik geht vor allem an den Auftraggeber.
Ich kann da nur meine eigene Erfahrung widerspiegeln und die ist, dass ich mit dem Klienten wirklich gute Gespräche über Buch, Inhalte, Kultur geführt habe und mit einigen anderen Leuten, mit denen wir in der Arbeit beim BOEV zu tun habe, wirklich gute Erfahrungen hatten. Kompromisse gehören bei einem so großen Laden dazu und da ist nicht alles so, wie wir das selbst gern hätten – wir sind aber auch echte Erbsenzähler, zugegeben – aber sowohl in FFM als auch in Düsseldorf arbeiten tolle Leute beim Börsenverein und genau deshalb hab ich mich ja so geärgert, dass wir den Job nicht gekriegt haben :-D. Gibt ja auch Sachen, da verliert man und es ist dir weitestgehend egal – bei anderen wurmt es einen noch etwas länger.
Nicht nur, weil wir alle Bücher echt lieben und der Laden einfach perrrfekt zu uns gepasst hätte – sondern auch, weil durch die Entscheidung gegen uns auch eine gut angelaufene, mitunter auch mal anstrengende, aber immer auch tolle Arbeit auslief. Mich reizen ja so Projekte, wo man möglichst viel umkrempeln kann/muss und zugleich aber viel Potential für echte Fortschritte da ist. Bei solchen Change Management Prozessen dabei zu sein und mitzuwirken ist ja – wem sag ich das – der eigentliche Kick des Berufes :-D
Vroni
Kann es sein, dass ich jetzt das Gefühl nicht los werde,
HD Schellnack und Erik Spiekermann reden aneinander vorbei?
HD: Im Börsenverein sind tolle Leute!
Erik: Das Zeichen ist banalisiert worden.
@ HD: Gegen tolle Leute kann niemand was haben.
Zum neuen Zeichen selbst hast du dich jedoch nicht geäußert.
Erik Spiekermanns Eindruck, dass Grafiker hantierten, während intellektuelle Gestalter notwendig gewesen wären, ist so falsch nicht.
Das Thema Buch, Lesen und neue Medien hätte es verdient, nicht als rotes Ziegeldach von oben dargestellt zu werden.
Welches beim Buchpreis unmotiviert in Grün wechselt. Ja ich weiß verschiedene Sparten und Farbleitsystem…
(Doofe Frage: Ist der Buchpreis neurdings öko oder geht er auf die Jagd … ?)
R::bert
@ HD
Dann wäre auch mehr Zurückhaltung an der Tagesordnung, meinst Du nicht?
HD Schellnack.
Vroni, wir reden nicht aneinander vorbei. Erik schließt vom Design auf den Auftraggeber – und ich sage nicht viel mehr als er SELBST an anderer Stelle in Bezug auf sein Berlin-Logo gesagt hat. Es ist ein Prozess, es ist ein Kompromiss, usw.
Und weil mich Grafik als solche denkbar langweilt, sondern es um Prozesse geht, betrachte ich natürlich den Prozess. Das CD vorher war ein totaler Alptraum, weiße Kästen in roten Flächen, und wieder rote Flächen mit dürren Linien, die nur als Outlines gebaut waren, Times, Arial, der Horror. Das neue ist ein deutlicher Schritt nach vorn und den Pfeil finde ich jetzt als Idee nicht SO schlimm. Handwerklich flirrt mir das irgendwie, obwohl mathematisch alles stimmt, kippt das Ding visuell etwas, vielleicht habe ich auch nur einen Knick in der Linse. Typographie und einige Ideen im Manual finde ich tatsächlich unglücklich und sicher nachbearbeitungsbedürftig. habe ich oben aber alles auch gesagt.
>Dann wäre auch mehr Zurückhaltung an der Tagesordnung, meinst Du nicht?
Ichglaub nicht, dass man mir im FB noch mangelnde Zurückhaltung vorwerfen kann, oder? Aber ich verstehe den Wink und bin dann auch wieder off.
Vroni
@ Lieber HD
Den Prozess kann man als Fontblogleser aber nicht wissen und nicht sehen.
Was man sieht ist das Ergebnis.
Entweder man geht also her, wenn man ein neues Bildzeichen vorstellt und erläutert nicht nur kurz die Ziele, sondern auch den Prozess (gibbet wohl einen Riesenartikel, den keiner recht lesen mag, das würde ich auch Jürgen Siebert nicht ernsthaft auch noch aufbürden wollen…). Oder man macht das nicht (es ist halt ein Blog und kein White-Paper-Portal ) und nimmt damit in Kauf, dass eben nur das Ergebnis diskutiert wird.
Was einem so ein bisschen auffallen kann ist, wenn das Ziel dieses hier war:
„Der Börsenverein möchte moderner und nicht mehr mit dem Buch als alleinigem Medienformat auftreten..,“ dann lässt das eben auf einen Prozess schließen, der nicht gerade ideal war.
Ich bin nur eine kleine Butze und kann weder Dir noch Erik Spiekermann das Wasser reichen, eher unterirdisch vor mich hintropfen, aber so eine Zielformulierung lasse ich keinem meiner Auftraggeber durchgehen. Wenn so eine etwas dünne Tonality-Zielvorgabe passiert, wird von mir nachgeschärft und hinterfragt.
Ich schlage dann Analyse der Situation und gemeinsame Positionierungsarbeiten vor. Ist Arbeit an der DNA des Unternehmens und die gehört ihm allein. Dazu braucht es also Erlaubnis und Auftrag, stattgegeben. Große Gremien sind klar schwieriger zu handeln, bin da auch letztes Jahr an einem bös gescheitert. (Diese bezeichneten das nicht als Scheitern, sondern freuten sich über ihr Deko-Bonbon, das sie trotz meines Widerspruchs von mir letztendlich einforderten, Schicksal Werkvertrag… – aber ich sehe es als Scheitern, es wäre so viel mehr möglich gewesen…)
Und das muss man doch diskutieren dürfen. Eigentlich überfällig und nicht überflüssig.
Ich finde es gut, dass Gremien auf Blogs nachlesen können, wie es ankommt, was bei Greminen gerne so herauskommt und in den Augen der Fachwelt nicht ideal ist. Möglicherweise gebiert dies gute Ideen auf Gremiumseite, wie man denn den Prozess verbessern könnte, damit der Kreative ohne Behinderung arbeiten und besser aus dem Vollen schöpfen kann …
Nur so in den Raum geworfen^^
Vroni
Haha, Greminen … :-)
Man weiß nie, wodurch man tief wird.
R::bert
Stimmt, da könnte ruhig manchmal mehr kommen, wobei die längeren Texte am Bildschirm immer auch etwas anstrengend sind ; )
Schön, Du verstehst.
PS.: Die Milo ist wirklich eine vorzügliche Wahl. Für den »Pfeil« oben wiederum zu filigran und verspielt. Schade.