Nichtlesen (7): Nachrichten-Technologie

ie kennen das: Täglich laufen mal wieder die übli­chen dreid­r­ölf­zehn lästigen E-Mails, Anrufe und so weiter auf. Aber mit dieser medialen Retromasche ist bei Auweier Unhold & Partner jetzt Schluss. Anstelle der Vintage-Kommunikation setzt die Agentur neuer­dings auf die hyper­mo­derne Technik der »Nachrichten-Überweisung«.

Bekanntlich treffen bei einer Agentur im Tagesgeschäft ja zahl­reiche Nachrichten von Kunden ein. Sie enthalten in der Regel das große Lob über die Leistungen der Agentur und drin­gende Aufforderungen, endlich die verein­barten Honorare in Rechnung zu stellen.

Diese Nachrichten lässt sich Auweier Unhold & Partner jetzt per Überweisung zustellen. Die Kunden müssen nur die angeb­liche Mindestüberweisungshöhe von 50 Cent berappen und schon können sie beide Verwendungszweckfelder für Mitteilungen an die Agentur nutzen. Immerhin lassen die beiden Felder Raum für Textbotschaften im Umfang von 2 mal 27 Zeichen zu; absolut ausrei­chend also für Lob und Dank.

Schauen wir mal, was für Nachrichten sich mit diesen 54 Zeichen über­tragen lassen, die dann auf den Konto-Auszügen nach­lesbar sind. Hier ein paar Beispiele aus dem Alltag von Auweier Unhold & Partner:

»Ihr hört von unseren Anwälten. Viel Spaß!«
»Dafür polieren wir Euch persön­lich die Fresse!«
»Einmal Cheeseburger, kleine Cola, Pommes, bitte.«

Und um zum tieferen Verständnis der Materie auch ein Negativ-Beispiel zu bringen, schauen Sie sich bitte den folgenden Satz einmal genau an:

»Wir begrüßen die Politik der FDP und insbe­son­dere das Wirken von Guido Westerwelle.«

Dieser Satz ist – bei aller Liebe – für die Nachrichten-Überweisungs-Technologie nicht geeignet. Er besteht nämlich aus 82 Zeichen inklu­sive Leerzeichen und das ist eindeutig zu viel.

Jedenfalls, seit der Einführung dieses bril­lanten Konzepts bleibt die Agentur weit­ge­hend verschont von lästigen Emails. Stattdessen liest man auf den Konto-Auszügen genüß­lich die übli­chen Kunden-Komplimente und freut sich nebenbei über das zusätz­lich auflau­fende Geld. Denn der Betrag von 50 Cent scheint zwar recht gering, aber die Masse macht’s. Allein letzten Monat hat die Agentur mittels der neuen Technik brutto 50 Cent eingenommen!

Nicht begeis­tert von der Überweisungs-Technologie ist aller­dings der Agentur-Cheftexter Long Dong Copy. Sein Plan, auch Entwürfe für Headlines und Slogans den Kunden aufmerk­sam­keits­stark zu über­weisen, schei­tert leider am Buchstabenlimit. Denn selbst Claims hat es beim alten Text-Nerd Long Dong noch nie unter 82 Zeichen gegeben. Schade.

Text: © Michael Bukowski 2010, mehr davon bei: lektuere​-fuer​-nicht​leser​.de


11 Kommentare

  1. Georg

    Habe den Stuss echt zu Ende gelesen! Wow!
    Aber es gint Claims mit weniger als 82 Zeichen: Ich sach nur „Geil ist Geil“ :-)

  2. Long Dong Copy

    Ja, es gibt leider tatsäch­lich einige Claims mit weniger als 82 Zeichen. Unprofessionell!

  3. Arne

    Das Beste: Die Kunden können keine PowerPoints anhängen. Echt genial!

  4. Sigur

    Auch auf die gefahr hin mich unbe­liebt zu machen, aber der DTAUS-Standard sieht bis zu 15 Zeilen mit jeweils 27 Zeichen vor. Da kann man also schon mal ein wenig mit Prosa kleckern ;-)

    BTW: Mit Banken funk­tio­niert die Kommunikation tatsäch­lich auf diese Weise ganz prima. Habe mal der Citibank, heute Targobank, einen Vortrag über Vorfälligkeitseinschädigung von Darlehen gehalten – hat geklappt :-)

  5. Grabowski

    @Arne Diesen Effekt hatten wir ja völlig über­sehen bisher! Würde mal sagen, daß ist glatt noch mehr wert als die immense Kohle, die wir damit machen :)

  6. Michael Bukowski

    @Sigur Kenntnis des „DTAUS-Standards“ dürfen Sie bei dieser Agentur wirk­lich nicht erwarten ;) Habe ich selbst auch noch nie gehört. Schöne Geschichte mit der Bank!

  7. Florian

    Alter Hut. Klassiker ist doch der „Sexurlaub“ für die letzte € 5,- Überweisung an die Ex-Freundin.

  8. Yeti

    Schade… dabei hats ja wie schonmal gesagt so schön angefangen.
    Überzeugt mich leider noch immer nicht… So richtig ist keine Pointe erkenntbar für meinen Geschmack. Es hat Potenzial, aber verreckt dann am Straßenrand mit ange­zo­gener Handbremse.

    Ich empfehle an dieser Stelle gern mal eine Lesung der „Revierköter“ aus Leipzig und Umgebung. Bissig, wie der Name vermuten läßt und auch gern mal voll prosa­ischem Schaum vorm Mund voller Zähne.

    @Florian: Oder „Sexuelle Gefälligkeiten“ bei Rücküberweisungen der Schulden bier­se­liger Abende ohne Portmonee an die Freundin des Kumpels.

  9. Nichtleser

    Mann! Über-Übermorgen ist schon wieder Freitag!

  10. Michael Bukowski

    @Florian Ja, und? Weil ich nicht der erste und/oder einzige mit der Idee bin, diese Mechanik zu nutzen, lautet Ihr Kommentar zu dieser Geschichte „alter Hut“? Da liegen Sie falsch!

    Diese Story hier lebt nicht davon, Ihnen die Kontoauszugs-Bespaßung als neu zu verkaufen, sondern was meine Figuren damit machen. Das lässt sich übri­gens leicht überprüfen.

    Stellen Sie sich den Anfang der Story so vor: „Auch die Jungs von Auweier, Unhold & Partner sind eines Tages auf den Trichter gekommen, sich einen Spaß mit den Überweisungsfeldern zu machen …“. Die Geschichte wäre dann keinen Deut besser oder schlechter.

    Und dass im Intro von „hyper­mo­dern“ usw. die Rede ist, gehört zum über­zo­genen „Corporate Wording“ der Agentur, was Ihnen aufge­fallen sein dürfte, falls Sie die vorher­ge­henden Kolumnen gelesen haben.

  11. Michael Bukowski

    @Yeti Ich habe eben die „Revierköter“ gegoo­gelt, bzw. bei Amazon und Youtube gesucht. Auf die Schnelle leider wenig Leseproben oder ähnli­ches zu finden. Falls Sie mir zu einer Geschmacksprobe verhelfen können, sehr gern.

    Gefunden habe ich diese Texte: http://​www​.haukevon​grimm​.de/​t​e​xte Ist das unge­fähr reprä­sen­tativ für die von Ihnen geschätzten „Revierköter“?

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