Nichtlesen #28: Geheimnis der ungelieferten Pizza
ekanntlich logiert die Werbeagentur Auweier Unhold & Partner im Café Wirelässig in Berlin-Schöneberg. Diese Adresse dient gleichzeitig als Hauptstadtrepräsentanz der Agentur, was ordentlich Kosten an Raum und Personal spart.
Kürzlich saß das Agentur-Team im Café und brütete über einem Problem. In letzter Zeit hatte sich nämlich eine gewisse Pitch-Müdigkeit in der Agentur breitgemacht. Dass ab und an ein potentieller Kunde bei einer AUP-Wettbewerbspräsentation einschlief, war noch legitim. Aber in letzter Zeit fielen immer öfter auch die präsentierenden Agenturvertreter mitten im eigenen Vortrag in tiefsten Büroschlaf. Was tun dagegen?
Einen ganzen Tag saßen die Leute zusammen, um das agentureigene Präsentationsproblem zu lösen. Etwa gegen 22 Uhr abends war es dem Team immerhin gelungen, sich in einem wichtigen Punkt auf einen Konsens zu einigen. Man verständigte sich ohne Gegenstimme darauf, dass inzwischen alle richtig Hunger hätten. Also rief einer beim Lieferservice an und bestellte sich Pizza ins Café.
Leider wartete man vergeblich auf die Lieferung. Die für das Projekt »Pizza bestellen« verantwortliche Auf-ne-Art-Direktorin Eisi Verspeisi rief noch mal beim Pizza-Laden an und fragte nach. Der Pizza-Bote sei schon lange unterwegs und müsste längst geliefert haben, sagte man ihr. Mehr wisse man auch nicht, entschuldigte man sich.
Erst am nächsten Tag ließ sich das Geheimnis der ungelieferten Pizza klären, bzw. es klärte sich von selbst in Form eines Zettels im Briefkasten vom Café Wirelässig. Auf dem Zettel hieß es, dass man die Bestellung leider nicht zustellen konnte, da man niemanden angetroffen habe, was natürlich Quatsch war, da die Leute ja den ganzen Abend konzipierend im Café Wirelässig verbracht hatten. Dazu folgte noch der Hinweis, dass die Bestellung am nächsten Werktag, aber nicht vor 17 Uhr abgeholt werden könne. Damit war die Sache klar: Eisi Verspeisi hatte versehentlich ausgerechnet jenen Pizza-Laden angerufen, der dafür berühmt ist, dass dort ein Pizza-Bote mit Paketzustellerhintergrund arbeitet.
Der Mann war hatte es auch im Privatleben nicht leicht. Wenn man sich erst mal über Jahre daran gewöhnt hat, anstatt zu klingeln gleich eine »Nicht angetroffen«-Benachrichtigung in den Briefkasten zu werfen, verankert sich dieses Verhalten tief in der Motorik. Die Freundin des Ex-Paket-, jetzt Pizza-Zustellers wartete zum Beispiel manchen Abend vergeblich zuhause auf ihren Freund und fand am nächsten Morgen einen Zettel im Briefkasten mit der Nachricht: »Ich konnte mich Dir leider nicht zustellen, da ich Dich gestern nicht angetroffen habe. Die bestellte Verabredung kann am nächsten Werktag, aber nicht vor 17 Uhr bei mir zuhause abgeholt werden.« Schon peinlich, auf ’ne Art.
Das soll aber mal nicht unser Problem sein. Denn wie eingangs erwähnt, stand die dringende Aufgabe der Pitch-Müdigkeit im Raum, die inzwischen gelöst wurde – und zwar mit diesem verblüffend simplen Konzept: Wenn die Agentur mitten in einer Wettbewerbspräsentation steht, setzen Auweier Unhold & Partner einfach bei »Pitch-Bet« auf ihre eigene Niederlage. Damit lagen sie bisher immer richtig und auf diesem Wege kommt längst viel mehr Kohle rein, als wenn man sämtliche Pitches gewinnen würde. Der weitere Vorteil ist, dass man beim Präsentieren guten Gewissens auch ein Nickerchen halten darf, was die Chancen auf den gewünschten negativen Ausgang enorm erhöht.
Das muss jetzt aber unter uns bleiben
Aber ist das nicht illegal, bei Pitch-Bet auf sich selbst zu setzen, meinen Sie? Völlig richtig. Lassen Sie uns das folgende daher bitte im Vertrauen sagen. Also unter uns jetzt: Natürlich darf keine Agentur bei Pitch-Bet auf einen Pitch tippen, in den man selbst involviert ist. Auweier Unhold & Partner haben daher einen Mittelsmann eingeschaltet, einen gewissen Joseph B. aus der Schweiz, der sich als sehr zuverlässig erwiesen hat, obschon er eine recht happige Provision verlangt.
Das muss jetzt aber nicht unter uns bleiben
Davon abgesehen nutzt man bei AUP die aus den verlorenen Pitches und Etats gewonnene Zeit, um sich um die Bestandskunden zu kümmern. Einen beachtlichen Erfolg feiert man dieser Tag mit einer SEO-Kampagne für die Lektüre für Nichtleser, die jetzt als eines der weltweit führenden Such-Ergebnisse im »leck mich«-Segment firmiert. Laut Screenshot vom 10. Juni 2011 rangiert Nichtleser auf einem sensationellen 1. Platz bei rund 1,14 Mio. »leck mich«-Ergebnissen.
Auf die Frage, wie dieser schöne Erfolg erzielt wurde, antwortete uns Agentur-Chef-Grabowski: »Wie wir das geschafft haben? Ganz einfach, mittels der »Aus Versehen«-Technology. In diesem Fall haben wir es so arrangiert, dass wir versehentlich während der ersten Wochen diese Kolumne hier falsch verlinkt hatten; nämlich auf einen Blog-Artikel mit dem Titel »Leck mich« und nicht auf die Startseite von Lektüre für Nichtleser. Die aus dieser unbeabsichtigten Fehlverlinkung resultierenden zahlreichen Zugriffe vom Fontblog aus haben uns jetzt zum Marktführer in den »leck mich«-Charts bei Google gemacht. Sie sehen: Manchmal ist es hilfreich, keine Ahnung zu haben, wenn man etwas erreichen will.«
3 Kommentare
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Pete
Irgendwie superwitzig einen Artikel in einem Blog „nichtlesen“ zu nennen. Hehe. He.
Balkanbeats
hab mir echt mühe gegeben
bosch
Kluge Agenturen, konzipierten in diesem Falle eine Kooperation des Nichtlieferservices mit der örtlichen Abnehmgruppe.