Nichtlesen #26: Grabowski und die Jan-Jakobiner

ekannt­lich befindet sich der Hauptsitz der Werbeagentur Auweier Unhold & Partner in einem Café in Berlin-Schöneberg. Mit diesem Schöneberger Kiez hat sich Agentur-Chef Grabowski offen­sicht­lich näher beschäf­tigt. Heute erreichte uns dieser Bericht:

Die Gegend um den Kollwitzplatz in Berlin Prenzlauer Berg ist legendär für ihren Kindersegen und die Geschichte ist eigent­lich hinläng­lich abge­feiert in Satiren aller Art. Trotzdem müssen wir da noch mal kurz ran, denn inzwi­schen werden wir auch in Schöneberg vom Kindersegen à la Prenzlauer Berg heimgesucht.

Vielmehr aber als der Kinderreichtum an sich ist dabei die Attitüde der Eltern inter­es­sant. Kinder werden weniger aufge­zogen, als viel­mehr präsen­tiert. Über dem ganzen Gewese schwebt das Motto »Ich habe Kind, also bin ich« oder »Lassen Sie mich durch, ich bin Mutter!«.

Im Kleinformat etabliert sich dieses Soziotop jetzt leider inzwi­schen auch in Berlin-Schöneberg. Das hört man schon an den Namen, mit denen an einschlä­gigen Plätzen reich­lich Kinder gerufen werden und mit denen man für die gewünschte soziale Distinktion sorgt. Lena, Lea, Leander, Leon … und wie sie nicht alle heißen, die mit einer Überdosis Bedeutung bizar­ri­sierten Kleinen.

Besonders beein­druckt war ich kürz­lich von einem Elternteil gewesen, das mehr­mals laut und evoziert über die Café-Terrasse nach seinem Jan-Jakob gerufen hatte. Und zwar unge­fähr so:

»Jan-Jakob, kommst Du bitte!«

»Jan-Jakob, nimm die Hände weg von der BILD-Zeitung! Das ist Pfui-Bäh. Wir hatten das doch bis zur Unterschriftsreife disku­tiert, Jan-Jakob.«

»Jan-Jakob, geh weg von den Unterschicht-Kindern. Du holst Dir noch Hirnspam, Jan-Jakob!«

Nun, diese Nummer brachte mich auf eine Idee, die ich wenig später auch gleich in die Tat umsetzte. Ich borgte mir für einen Nachmittag den Hund einer Freundin und besuchte mit ihm die einschlä­gigen Plätze der Schöneberger Kinder-Szene. Kurzerhand taufte er den Hund, der eigent­lich »Henrietta-Valentina« heißt, in Jan-Jakob um und ließ ihn ohne Leine über den Platz flanieren. Der frei­lau­fende Hund gab mir nun reich­lich Anlaß, wieder­holt, laut und sehr distin­gu­iert nach ihm zu rufen: »Jan-Jakob, kommst Du bitte!«

Im ersten Moment waren die anwe­senden Eltern ange­nehm über­rascht, dachten sie doch, in mir ein Mitglied ihrer Zunft auszu­ma­chen. Aber auf den zweiten Blick entdeckten sie, was wirk­lich los war.

Und in diesem Moment in die entsetzten Gesichter der Schöneberger Distinguiert-Eltern zu blicken, war eines der schönsten Erlebnisse meines Lebens. Leider ist es kaum möglich, Ihnen den scho­ckierten Ausdruck der in ihren Grundfesten irri­tierten Eltern in Worten zu schil­dern. Wir bitten daher, daß Sie sich das kurz vorstellen. Versuchen Sie es ruhig und glauben Sie uns: Es lohnt sich! (Zumindest für alle ohne Kind namens Jan-Jakob.)

Und übri­gens: Falls mich einmal jemand von Ihnen in Schönberg sucht, Sie erkennen mich ganz leicht: Ich bin der ohne Kinderwagen.

Davon abge­sehen nutzen wir die Monokultur der Kindervornamen in Schöneberg für ein neues Spiel, das wir Kindernamen-Poker nennen. Es funk­tio­niert ganz simpel. Hier mein Bericht einer Partie Kindernamen-Poker, die ich neulich mit einem Kumpel gespielt habe.

1. Runde: Spielplatz an der Akazienstraße. Mein Kumpel hat Anstoß. Er ruft laut über den Platz: »Leeeeeooooon«. Guter Versuch: Zahlreiche kleine Leons drehen sich zu uns um. Wir zählen durch und kommen auf 17 Punkte, also Leons. Nicht schlecht.

2. Runde, nächster Spielplatz eine Ecke weiter. Ich bin dran und versuche es mit »Leeeeenaaaaa«. Diverse kleine Mädchen drehen sich zu uns um, wir zählen durch und kommen auch auf 17. Verdammt! Unentschieden. Nein, Moment: da hinten, die Kleine bei der Rutsche, sage ich zu meinem Kumpel und tatsäch­lich … die Kleine bei der Rutsche guckt zu uns und sagt »Papi?«. Noch ein Treffer, macht 18 Punkte, bzw. Lenas!

Die erste Runde ging schon mal an mich. Danach batt­leten wir noch eine Runde an zwei weiteren Spielis, wo ich leider mit nur 3 Joshuas unter­ge­gangen bin gegen meinen Kumpel, der satte 12 Eliasse gemacht hatte. Aber was soll’s, macht Laune, das Spiel.

Michael Bukowski


8 Kommentare

  1. Dave

    Brülle! Ich sag nur:
    Silvana, Sarafina, Estefania, Kelenta, Loredana, Sara-Jane, Lavinia, Jeremy-Pascal

  2. anderer tom

    „Opheeelia!“ hab ich neulich am Kollwitzplatz gehört. Irgendeine kleine verschmierte Rotzgöre kam dann ange­rannt, die irgendwie erst noch in den Namen rein­wachsen muss. Vielleicht mit 42. Aber die Mutter, taffe Karrierefrau um die 30 mit viel Geltungsbedürfnis, schien echt zufrieden, diesen Namen durch die Gegend brüllen zu können.

    Klischees stimmen eben meistens.

  3. CB

    Ich stand mal mit einem ägyp­ti­schen Professor in Kairo während der Pause auf dem Campus. Er rief laut »Mohammed« über den ganzen Platz. Fast alle Männer drehten sich nach ihm um und er konnte sich vor Freude kaum halten über den gelun­genen Scherz. Kruder Humor, aber hier nicht ganz unpassend :)

  4. Gary

    Ruuuufus!
    Vergiss deinen Helm nicht vor dem Schaukeln anzuziehen!

  5. R::bert

    Irgendwie fine ich es heute wirk­lich amüsant Nichtlesen zu lesen. Ob das an der Azuro liegt? Oder eher an Jürgens Einstimmung auf Kindersegen ; )

    Ein schönes Wochenende zusammen!

  6. Webber

    Prima! Ich musste so herz­haft lachen beim Lesen des Artikels :D
    Jaja: Immer Doppel-Namen vergeben und dann aber nur 1.4 Kinder machen.

  7. thomas junold

    volle zustim­mung! kann man nicht anders zusammenfassen.

  8. hans

    Wie abge­lutscht und lang­weilig. Demnächst macht ihr euch noch über Nido-Leser lustig. Gähn.
    P.S. Was ist das denn für eine häss­liche Schrift, die ihr neuer­dings verwendet? Kann man ja kaum lesen.

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