Musicbon (3): »Verkauf fehlgeschlagen …«
Seit Freitag sollte die neueste Idee der Plattenindustrie bei Saturn erhältlich sein: der Musicbon (Fontblog berichtete). Am Samstag wollte ich eine Exemplar der Prepaid-Download-CD erwerben, doch die Lieferung war noch nicht eingetroffen. Man vertröstete mich auf Montag.
Als ich heute gegen 18:00 Uhr in der 5. Etage des Saturn Europa-Center eintreffe, sehe ich die Ware bereits von weitem zwischen den CD-Regalen stehen. Rund 1500 Musicbons von 30 Alben lagern in 4 graue Transportboxen. Eine Mitarbeiterin ist damit beschäftigt, diese den regulären CDs hinzuzufügen, was mich überrascht: Ist »die völlig neue Art des Musikkonsums« nicht einzigartig genug, um ihr zur Premiere ein eigenes Regal zu reservieren?
Innerlich freue ich mich über den Containerverkauf, denn umso schneller finde ich ein Musicbon-Album, das mir zusagt. Ich hätte gar nicht die Zeit, alle Regale abzuklappern und Hunderte von Alben daraufhin zu durchforsten, ob sie zusätzlich als Prepaid-Version verfügbar sind. Es dauert keine Minute, da habe ich mich für Alicia Keys’ »As I Am« entschieden. Es ist ein Musicbon, der auch das Laden von Bonus-Material einschließt und eigentlich 12,99 € kosten soll, aber mit 9,99 € ausgezeichnet ist. Vielleicht ein Einführungspreis.
Meine Freunde über das Schnäppchen währt nicht lange. An der Kasse im 1. Stock gibt es Komplikationen. Das System meldet: »Verkauf fehlgeschlagen«. Die Warenwirtschaft von Saturn ist nicht darauf vorbereitet, mir einen Kassenbon mit dem 12-stelligen Freischaltcode zu generieren. Der Musicbon selbst enthält nämlich lediglich eine 3-stellige Prüfziffer. Erst beim Bezahlen wird das System durch das Einlesen zweier Barcodes und die anschließende Generierung des Freischaltcodes »scharf geschaltet«. Das schützt erstens vor Diebstahl und zweitens nehme ich an, dass Saturn erst in jenem Moment der Einkaufspreis berechnet wird.
Doch dies allen klappt nicht. Ich gehe zurück in die 5. Etage, wo zwei Mitarbeiter bereits telefonisch von der Kassiererin vorgewarnt wurden und über eine Lösung des Problems grübeln. Wir einigen uns darauf, den Kauf abzubrechen. Ich lege den Musicbon zurück, hinterlasse meine Telefonnummer und warte auf einen Anruf, wenn das System funktioniert.
Meine Bemühungen, Deutschlands erster Musicbon-Kunde zu werden scheinen erfolgreich zu sein. Kleine Zwischenrechnung: 2 x Anfahrt per PKW (pauschal je 15,00 €) sowie 2 x Parkhaus (4 € + 2 €) macht inzwischen 36,– €. Macht nix. Noch macht das Experiment Spaß.
Achtung, Ironie: Lesen sie in Folge 4 warum der Download am Macintosh nicht klappt und in Folge 5, warum sich Musicbon-Musik nicht auf einem iPod abspielen lässt.
28 Kommentare
Kommentarfunktion ist deaktiviert.
<em>kursiv</em> <strong>fett</strong> <blockquote>Zitat</blockquote>
<a href="http://www…">Link</a> <img src="http://bildadresse.jpg">
MarkS
Was ist der Antrieb für so ein Experiment? Masochismus?
Jürgen
Eher meine journalistische Veranlagung … und mein Sammeltrieb. Du glaubst gar nicht, welch kuriose Sackgassen die Musikindustrie in den letzten 30 Jahren in die Welt gesetzt hat.
marcus
oha. wat’n rohrkrepierer :)
Logo?
Sehr „geiles“ Experiment!
Weiter so! :-))
stefano picco
also so langsam werde ich animiert das auch zu probieren ^^ so rein interessehalber ;D
Daniel
Sehr schöner Beitrag! Freue mich jetzt schon auf Folge vier und fünf.
Mike
Das ist die lustigste (und bekloppteste) Geschäftsidee seit 15 Jahren. Ich ordne sie mal in der Kategorie Mini Disc ein, die hat auch keiner gebraucht ^^
Blick in die Zukunft: Elektronikmärkte sind nur noch so groß wie Postfilialen und verkaufen nur noch Gutscheincodes in Kreditkartenform. Den neuen Fernseher liefert ein Speditionsteam dann für 50 Euro extra nach Hause, baut ihn aber freundlicherweise noch auf :D
jamie oliver
Genau: Die Musikindustrie findet immer wieder neue unsympathische Wege die Leute zu nerven. Diese Branche gehört wirklich erneuert. In der Schweiz zahlt man pro mp3 Player bis zu 80 Franken Urhebergebühren! Leute die CDs legal kaufen zahlen also doppelt.
Damit bringt man die Kunden kaum dazu CDs zu kaufen. Mit dem Musicbon wird Musikkaufen noch unsinniger.
Meine gekauften Songs vom iTunes Shop wurden schon 3 mal aktiviert, weil ich 2 neue Computer gekauft habe seit dem Kauf und das System gewechselt habe. Noch 2 mal und meine gekaufte Musik wird unwiderruflich gesperrt. Nett.
David
Super Idee. Diese stammt sicher von einem Marketing-Spezialisten, der Windows bevorzugt, selten im Internet surft und sich immer die neusten Antiviren-Programme kauft. Und auch der Duden auf CD. Dazu noch ein Flugsimulator. Toll.
Jürgen
@jamie: Mach’ dir keine Sorgen um die iTunes-Aktivierung. Es gibt mehrere Möglichkeiten, »verfallene« Abspielgeräte (= Rechner) abzumelden und sich das frei gewordene Gerät (oder ein altes System) wieder gut zu schreiben.
Wenn Du einen Rechner verkaufst, solltest Du ihn zuvor bei iTunes abmelden: das geht auch nur von diesem Rechner und keinem anderen. Wenn Du das vergessen hast, so ist das auch kein Drama: Du kannst von einem aktuellen, autorisierten Rechner »alle Geräte zurücksetzen«, also auch solche, die nicht mehr in Deinem Büro/Haushalt verfügbar sind. Anschließend meldest Du wieder die Rechner aus Deinem Umfeld neu an (bis zu 5 Stück).
Denny
Bezüglich der MiniDisc ist es eher so, dass sie sich bei uns nicht durchgesetzt hat. In Japan zum Beispiel ist dieses Medium aber sehr beliebt. Meine Frau (Japanerin) hat ihre gesamte Musiksammlung auf MD und sie hat sich stark gewundert, dass es bei uns so wenig verbreitet ist.
Boris
Sind denn überhaupt schon an der Musicbon-Sonderkasse die Überwachungskamera und der Fingerabdruckscanner installiert?
Und ist schon der Registrierungsautomat aufgestellt, an dem sich jeder Musicbon-Käufer vor jedem Kauf registrieren muss?
robertmichael
@ jürgen, und das findest du nicht umständlich? ich meine dieses i-tune-an-und-ab-gemelde? brrr…
Logo?
@robertmichael – Immerhin ist es das kundenfreundlichste DRM am Markt. Das Problem ist DRM kann nicht kundenfreundlich sein. Ich finde es nur äusserst scheinheilig das die MI jetzt Amazon die Möglichkeit gibt DRM freie Stücke zu verkaufen und Apple (iTunes) nicht, obwohl die ihnen imagemäßig die letzten Jahre unheimlich den Arsch gerettet haben.
accolon
Darum brennt man ja auch die iTunes-Songs auf CD (was man darf) und macht sich anschließend eine Kopie in einem DRM-freien Lossless-Format davon (was man darf). ;-)
robertmichael
DRM, stimmt. jetzt erinnere ich mich wieder wieso ich
mir noch immer cds kaufe.
@ accolon, und das findest du nicht umständlich?
Jürgen
Das An- und Abmelden kommt nur selten vor. Ich kaufe nicht so oft neue Rechner.
Zieht man accolons Strategie hinzu, wird deutlich, dass das iTunes-DRM eines der nutzerfreundlichsten ist: Jeder kann sich eine passende Strategie aussuchen, um ungestört von DRM Musik zu hören und zu besitzen. Wenn ich da an Zune, musicload & Co. denke …
Je länger ich drüber nachdenke, wächst mein Respekt gegenüber der Apple-Lösung, die seit fast 5 Jahren unverändert geschmeidig funktioniert … während andere sich ständig neue und komplizierte Trickserein einfallen lassen.
Darum ist der täglich Gang zu Saturn ein Genuss für mich: Ich möchte an vorderster Front erleben, wie die Musicbon-Idee untergeht, bevor sie beim Kunden angekommen ist. Wahrscheinlich bin ich nicht nur der erste, sondern auch der einzige und letzte Kunde für diesen Quatsch …
alican
@Jürgen
Du hast einfach viel zu viel Zeit und Geld. Gib mir mal was davon ab :)
So ein Bullshit von der MI muss man einfach ignorieren und man braucht es auch nicht testen um zu wissen dass es ein Flop wird.
Und der Grund wieso Apples Lösung seit 5 Jahren unverändert und erfolgreich läuft, ist nicht der, dass es geschmeidig funktioniert, sondern dass die es mit Marketing voll drauf haben!
jamie oliver
Ja das ist mir wirklich zu umständlich. An- abmelden- CD brennen? Nein danke!
Ich kaufe seither nur noch iTunes plus Songs die kosten in der Schweiz gleich viel (1.50.-) und passen auch auf mein Handy.
Aber leider gibts bei iTunes nicht alles ohne drm. Schade dass der erste faire Musikhändler jetzt ausgebremst wird.
Jens Kutílek
Oder man kauft gleich iTunes-Plus, da gibt es kein DRM und die Bitrate ist doppelt so hoch. Dann entfällt die Krücke CD-Brennen.
Musik von Bands, die ich schätze, kaufe ich auch weiterhin auf CD. Bei iTunes kaufe ich nur, wenn man anders nicht an die Stücke rankommt, oder wenn man nur ein einzelnes Lied sucht und sonst eine komplette CD kaufen müßte.
Jürgen
Nicht beides gleichzeitig, Jamie: entweder, oder!
Das ist ein leider nicht tot zu kriegender Irrglaube. Auch mit gutem Marketing kannst Du den Menschen keine Schei… verkaufen.
Christian Büning
Ich kann mich nicht an Marketing für iTunes erinnern, höchstens für den iPod. iTunes kann ich meiner nicht gerade tastaturnahen Oma erklären – Saturn-Bons nicht. Das ist nicht gutes Marketing, sondern gutes Produkt-Design. Das verkauft sich dann von selber.
Max
Das scheint sich langsam zu einer Art Drama zu entwickeln :D
Phil
Ich hab ca. vor nem Jahr ne Umfrage von SonyBMG zum geplanten Musicbon ausgefüllt. Scheinbar haben die den Wünsch nach mehr Fexibilität (den bestimmt nicht nur ich hatte) übersehen… *augenverdreh*
PS: Bei Saturn schreibt man Straße also mit ss?? (Parkhauspreisliste)
robertmichael
@ phil,
schau doch mal genauer hin!
darunter stehts doch mit ß ;)
Jürgen
Das ist die sog. gemäßigte neue deutsche Rechtschreibung: Wenn Du unsicher bist und zwischen zwei Schreibweisen schwankst, benutze sie beide abwechselnd.