London 2012 will doch nur spielen
Ein olympisches Logo zu gestalten ist eine tolle Herausforderung und gleichzeitig die Hölle. Verfolgt man die Debatte zum gestern vorgestellten Signet für London 2012, liegt der Schluss nahe: Als Designer kannst Du nur verlieren. Die einen wollen Pinselstriche, die anderen etwas Geometrisches, mal mehr Farbe, mal weniger Farbe, Sportsymbole ja und nein, keine Heraldik, nichts Theatralisches … es muss auf T-Shirts gut aussehen, und Plüschtier-kompatibel sein.
Experten sind der Meinung, es habe in der Geschichte der Olympischen Spiele – wenn überhaupt – nur vier akzeptable Grafiklösungen gegeben. Sie teilen sich in zwei Gruppen: die ausgeklügelten, über Jahre entwickelten Systeme (Tokyo 1964, München 1972) oder die spontan-modischen Entwürfe, die bei Beginn der Spiele meist schon wieder out-of-date sind (Mexico 1968, Los Angeles 1984).
Wolff-Olins, die Entwerfer des umstrittenen London-Logos, haben eine neue, dritte Methode ins Spiel gebracht: liefere ein paar vitale Bausteine und lasse die Benutzer das System weiterentwickeln. Ich halte diesen Ansatz für gleichermaßen sensationell wie spannend.
Das Büro hat sorgfältig recherchiert, bevor es seinen Entwurf – besser: sein Konzept – präsentierte. Auf der Wolff-Olins-Seite kann man die Neudefinition der Markenwelt 2.0 nachlesen: »Die neue Markenwelt besteht nicht mehr aus selbstbezogenen Kathedralen, ist kein Kraftfeld, das andere Marken verdrängen will. Neue Marken umarmen … Neue erfolgreiche Marken sind weniger im Besitz eines Unternehmens, sondern Banner einer Bewegung, ihr Besitzanspruch wird lockerer. Das Logo wird zum Gegenstand, den andere Organisationen und Individuen borgen und verändern können.« Brands = Themen, Logos = Links.
Vielleicht fällt es mir leichter, hinter dem London-Logo eine unbändige Kraft herauszulesen. Ich bin mit einem variablen Logo groß geworden, denn seit seiner Gründung 1989 spielt das FontShop-Logo mit Schrift und Form … zuletzt in der TYPOhall 2007, wo die gelbe und die schwarze Fläche – aus Platzgründen – gekippt übereinander lagen anstatt nebeneinander. Die Identität der Marke FontShop basiert auf einem schwimmenden Logo, das wechselnden Aufgaben, Strategien und Designstilen folgt.
Ich bin enttäuscht über die gedankenlose Auseinandersetzung mit dem London-2012-Logo: Hier in den Kommentaren und in der Blogosphäre überhaupt. Die Aufregung erinnert mich an die Reaktion der Medien auf die holländische Spendernierenshow in der letzten Woche: Als Journalisten getarnte Bedenkenträger plustern sich wie auf Kommando auf, anstatt ihre Arbeit zu tun und die Sendung – noch vor ihrer Ausstrahlung – als Spiel zu enttarnen. Thomas Knüwer (Handelsblatt) hält seiner Gilde sprachgewandt den Spiegel vor. Auch das London-2012-Logo ist ein Spiel, durchdacht inszeniert mit integriertem Skandalpotenzial.
Von professionellen Designern erwarte ich eine tiefere Form der Debatte. Allein der besonnene Armin Vit (TYPO-2005-Sprecher) hat sich auf Speak-up ernsthaft mit dem radikalen Logo-Experiment auseinander gesetzt. Auf seiner Seite findet man erhellende Erkenntnisse inkl. fruchtbarer Diskussion.
64 Kommentare
Kommentarfunktion ist deaktiviert.
<em>kursiv</em> <strong>fett</strong> <blockquote>Zitat</blockquote>
<a href="http://www…">Link</a> <img src="http://bildadresse.jpg">
Frank
Danke für die treffenden Worte – die waren mal wieder mehr als dringend nötig.
Christian Speelmanns
Wie man auf der Website der Spiele lesen kann, hat das Logo seine Wurzeln in den Achtzigern – die impulsgebenden Referenzen werden ja auch offen gezeigt. In den Achtzigern – und selbst in Athen noch – orientierten sich die Designs der Spiele teilweise immer noch an München. Die gestalterische Strenge von München war damals eine echte Innovation und führte zu Ihrer Unverwechselbarkeit (trotzdem ließen die Regeln Spielraum, wie Otl Aicher immer betonte). Doch bei den folgenden Spiele wirkte dies oft ausgebrannt.
Im Werbetrailler für das neue Logo kann man schön die Intentionen des Corporate-Designs sehen, da ziehen die knallbunten, zackigen Streifen durchs Bild und infizieren die ganze Stadt. Sie illustrieren sehr schön die Dynamik des Sports, gerade dann, wenn’s beim Ballspiel mal kracht, oder wenn Marathonläufer über die Brücke rennen. Das verleiht den Spielen die oft gewünschte Leichtigkeit, die sich dann auch in den spielerisch, lockeren Designregeln widerspiegeln: eben jeder ist eingeladen, mitzumachen. Das scheint mir eine bessere Strategie zu ein, als das Logo mit stacheldrahtumzäunten Schutzzonen zu versehen. Das ist auch der Grund, weshalb so viele Designer dem Logo eine negative Kritik geben.
Vielleicht ist es gewöhnungsbedürftig, aber das Design öffnet sich. In den Schulen werden Kinder tatsächlich bald aus bunten Papieren Schnitzel schneiden. Das macht Spaß! So kommen die Spiele auch dort an. Kann man sich als Veranstalter etwas Besseres wünschen? Sicherlich kann man noch an der Lesbarkeit arbeiten, aber das nachträgliche Verändern erlauben die lockeren Regeln ja. Da ist das neue Logo von London doch eine Innovation und allemal besser als das langweilige Logo zur Bewerbung.
Gerrit
Leider erfordern Logosysteme wie dieses eine intellektuelle Leistung vom Betrachter, die wir nicht gewohnt sind. Es ist leicht, das Logo anzusehen, es (zurecht) hässlich zu finden, und sich darüber aufzuregen. Es ist schwerer, sich ein wenig mit der Idee zu beschäftigen, um aus der oberflächlich hässlichen Form ein cooles, flexibles und prägnantes System herauszulesen. Man kann die meisten Leute für so etwas nur schwerlich begeistern!
Jetzt bleibt die Frage, ob eine Massenveranstaltung wie die »Olympischen Spiele®™« der richtige Ort für ein experimentelles und intellektuelles Logosystem ist! Ich denke, dass die Masse noch nicht soweit ist. Andererseits haben wir ja noch 5 Jahre Zeit, uns damit vertraut zu machen :-)
till
Vielleicht sind gerade die Olympischen Spiele genau der richtige Ort für solch ein Touch-the-logo-Konzept. Schließlich gehts bei diesen um das freundschaftliche Miteinander-Messen zwischen den Völkern der Welt – und „touch the logo“ vermittelt, dass es nicht um eine elitäre oder erhabene, sondern um eine gemeinschaftliche Veranstaltung geht.
robertmichael
die olympischen spiele sind mit sicherheit der beste ort um ein experimentelles logo zu erschaffen.
Christian Speelmanns
Tatsächlich kenne ich keine Studien zum Thema, wie die „Masse“ oder die „normalen Leute“ Marken und Ihre Logos wahrnehmen und ob sie das so genau tun. Manchmal habe ich das Gefühl, Designer kennen diese auch nicht (wenn es überhaupt welche gibt), und stellen einfach eine Behauptung auf. Meine Erfahrung zeigt mir aber, daß eher Farben, Proportionen und Formen (in der Reihenfolge) wahrgenommen werden, und das eben mit einer Art unscharfen Brille. Den geschulten Blick, wie wir Designer ihn haben, besitzt die „Masse“ nicht.
Bei den Spielen in München sind einige Firmen, Hersteller etc. auf den Zug des Offiziellen Designs als Trittbrettfahrer ausgesprungen und haben versucht, es zu kopieren. So auch das NOK der Bundesrepublik oder einige Sponsoren. Die Prägnanz des offiziellen Designs haben Sie aber trotzdem nicht erreicht. Das ist natürlich schwierig, wenn man dabei den Urheber- und Markenrechtlichen Aspekt einbezieht, gerade dann, wenn es darum geht, offizielle Produkte von nichtoffiziellen zu unterscheiden. Aber dazu gibt es ja dann die (wenn auch weichen) CD-Regeln, und ich bin mir sicher, die Macher des Designs haben es vorgesehen und werden es auch schaffen! Und so wird es auch 2012 offizielle Dinge geben, und solche, die in ihren Farben und Formen einfach die Atmosphäre der Spiele widerspiegeln, und so das Event unterstützen. In Ihrer ersten Wirkung (unscharf betrachtet, aus dem Augenwinkel) werden die Metamorphosen so aussehen, wie die offiziellen Dinge, aber auf den zweiten Blick werden sie sich gut unterscheiden lassen.
Mit den spielerischen Events, bei denen das Logo verändert werden darf und soll, wird aber die breite „Masse“ mit einbezogen, was für eine starke Verbreitung des Events und ein bestimmt positives Image sorgt (auch dieses müsste natürlich zur eindeutigen Feststellung mit Studien belegt werden). Wirtschaftliche Interessen sind bei Olympischen Spielen bestimmt nicht unwichtig, schließlich sorgen die Sponsoren für die Finanzierung, die die Durchführung erst möglich machen. Aber wie till vor mir schon geschrieben hat, sollte der Wirtschaftliche Aspekt nicht im Vordergrund stehen, sondern der gemeinschaftliche.
jamie
Das ist mir bei der vorherigen Diskussion lustigerweise auch aufgefallen, noch bevor ich diesen Text gesehen habe. Warum muss man immer alles niedermachen?
Im Illustrationsbereich ist man viel lockerer, dort lässt ein Auftraggeber auch mal eine Idee gewähren, gibt vielleicht mal eine kostruktiven Rat, lässt aber andere Umsetzungen und Ideologien zu, auch wenn man vielleicht anderer Ansicht ist.
Bei abstrakten Designumsetzungen wie bei dem London-2012-Logo, erwecken die Kommentaren oft den Anschein von Missgunst … das spiegelt wohl die eigene Unsicherheit wider im Bezug zur eigenen kreativen Arbeit. Das ist doch schade. Die Welt hat doch Platz für ein weiteres Olympia-Logo. Auch wenns so »strange« ist wie dieses.
jamie
mit anderer Ansicht (Ende zweiter Abschnitt) meint ich die tief ideologische.
Cem Basman
Spannend wird natürlich sein wie das Olympische Kommitee seine Rechte bei einem so variablen Logo schützen will … Und wie rigoros das OK mit den Rechten umgeht, haben wir ja alle zu genüge in den letzten Jahren erfahren.
thomas
soviel flexibilität hätte würde der FIFA auch gut zu gesicht stehen.
ansonsten kann man sich doch freuen, wenn aus einem logo heraus ein spiel entstehen kann und es nicht nur x einheiten von links und y einheiten von oben eingesetzt werden darf ohne dass jemand einen herzinfarkt bekommt.
wieso werden die farben bekrittelt? die sind doch schon seit jahren besonders bei jungen desginern total hipp.
hef
Trendsetting at its best in einer gestrigen Welt: Warum reden wir denn nicht über Perspektiven für Gestaltung, sondern schon wieder über Handhabung von Rechten, Restriktionen und dass Farben zu bunt sind?
Wo ist nur der Mut geblieben, hundert Blumen blühen lassen zu wollen?
Ralf
Spannendes Thema! Da ist es Wert eine Meinung kund zu tun.
Ich selbst lebe in London und arbeite in einer Branding Agentur. Die öffentliche Diskussion über das Logo ist hier auf der Insel sehr präsent. Die Partizipation am Erscheinungsbild sieht leider nicht so aus wie von Wolff Olins gedacht – statt dessen gibt es bei BBC und verschiedenen Tageszeitungen Wettbewerbe für alternative 2012 Logos. Sehr polemisch. Sehr schlecht für das Ansehen von Grafik Designern.
Meine Meinung zu dem Logo und dem dazugehörigen Konzept:
Die gestalterische Referenz auf die 80er Jahre kann ich absolut nicht nachvollziehen. Wolff Olins stellt das Konzept als visionäre Zukunft des Brandings dar. Wie passt das mit einem so prägnanten Bezug auf längst Vergangenes zusammen. Ich denke, dass hier lediglich versucht wird einen visuellen Trend aufzuschnappen – New Wave, New Rave, 80er – der in London gerade an die Haustür des Mainstreams klopft. Leider, und da bin ich mir ziemlich sicher, wird dieser bis 2012 längst durch den Hinterausgang verschwunden sein.
Das Konzept, das hinter der Marke 2012 steht, überrascht mich positiv. Ein variables Logo , das modifiziert und frei verwendet werden darf, klingt sehr spannend. Mit welchen Mitteln das geschehen soll, kann ich gerade zwar nicht nicht erkennen aber dafür bleibt sicher genug Zeit.
Ein Problem sehe ich jedoch wenn es um die Partizipation der Masse geht. Das Ergebnis könnte im Mittelmaß versinken – oder sogar weit darunter liegen. Wenn es um gute (visionäre) Gestaltung und mutige Entscheidungen geht ist der Durchschnitt als teilnehmende/treibende Kraft nicht das Richtige.
HCL
Also moment, das kann angewendet werden wie man will?
Oh oh, wie sollen die Menschen denn jetzt erkennen, ob sie offiziell lizensierte Artikel kaufen oder nicht? Oder wie können Lizenzhüter Verstösse erkennen? Du meine Güte!
Und das IOC spielt da mit?
Jürgen
Die geschützten Begriffe und Zeichen des IOC sind von den Machern des Lodon-2012-Logos in einem PDF zusammengefasst: The Protected Games’ Marks. Das IOC hat keinerlei Rechte an dem London-2012-Logo.
jamie oliver
Früher war alles besser ;-)
Ein Link mit vielen vielen Fotos von alten Olympia Design-Erzeugnissen von Otl Aicher.
http://www.flickr.com/search/?q=aicher&z=t
Marc
Da das Wolff-Olins Konzept sich hier an das kreative Beteiligungspotenzial der Masse richtet, verstehe ich jetzt auch den Graffiti-Charakter des Logos. Vielleicht ist es wirklich die richtige Veranstaltung für solch ein Experiment. Die Gefahr dabei ist aber, das es nicht funktioniert, z.B. aus Desinteresse, dafür muss Wolff-Olins natürlich mit den bekannten Corporate Design Guides aufwarten und die etablierten Massenmedien bespielen. Wie z.B. MetaDesign es für die aktuelle MoMA-Ausstellung in Berlin betreibt. Es ist der Versuch eine etablierte Veranstaltung zu einer Massenbewegung auf der Straße zu machen und parallel die Kanäle der Massenmedien zu bestücken. Das kann eigentlich nur über ein offenes System gehen. Ich vermute das die Irritation und Diskussion darin liegt das dieser Versuch nicht genügend klar kommuniziert wurde.
monda
»Epilepsie-Anfälle: Animation für Olympia 2012 entfernt«
http://www.zdf.de/ZDFheute/inhalt/19/0,3672,5547891,00.html
Jens
also die neue Konzeption, die hinter dem Logo steht, ist durchdacht und innovativ — gut das sich da mal jemand aufmacht, die Gegenwart auf neue Sichtweisen abzuklopfen.
Profisport ist immer eine Herausforderung die hart am Limit der menschlichen Leistungskraft liegt und kann daher bildlich durchaus archaisch, wild oder explosiv dargestellt werden. Auf der anderen Seite sehen wir aber auch die ganze Eleganz des Menschen, über die sich der Mensch gerade im Sport definiert.
Warum daher der Logodesigner, nach der gedanklichen Auseinandersetzung mit dem Wesen des Logos in der heutigen Zeit, ausgerechnet auf das grafische Vokabular der 80er Jahre zurückgreift, verstehe ich nicht ganz.
Neu ist die Philosophie die hinter dem Logo steht. Die handwerkliche Ausführung zitiert nur und das finde ich eigentlich schade. Da wäre nämlich mehr drin gewesen … :)
prinzzess
manueller trackback:
Olympia-Logo 2012
Rulf Neigenfind
Dieses Un-Logo sieht genau so aus, wie Altherren-Grafiker und MBA-geschädigte Marketing-Futzis sich »jung« vorstellen. Zu allem gestalterischen Übel [man betrachte nur mal, wie das Wort »london« da reingepfriemelt wurde…] hat sich nun auch noch herausgestellt, dass es gesundheitsschädlich ist: in der animierten [und einzig einigermassen interessanten] Form, so die britische Ärztevereinigung, kann es epileptische Anfälle auslösen. Nachdem die Anti-Petition in den ersten 24 Stunden bereits auf 33.000 Unterschriften kam, setzen nun auch die Bookmaker darauf, dass dieser Anschlag auf das moderne Design letzten Endes doch noch verhindert wird. Wenn ich allerdings an die Lachnummer der letzten Fussball-WM denke …
Das Barcelona-Logo fehlt übrigens in der Liste der »akzeptablen« Logos (es war sogar so gut, dass Jung v. Matt es für die »Du bist Deutschland«-Kampagne geklaut haben).
Georg
Ich bin etwas enttäuscht – nicht von dem neuen Olympia-Logo (das ist wie es ist und wird für sein Aussehen kritisiert oder seinen konzeptionellen Ansatz gelobt) – sondern vom Fontblog.
Ich habe mir die vorhergehende Diskussion nach der harschen Kritik noch mal durchgelesen und finde sie (abgesehen von einigen emotionalen Beiträgen) fast spannender als die aktuelle. Es wird zum Teil sehr spielerisch über das Erscheinungsbild sinniert – und damit auf verbale Art und Weise das gemacht, was mit dem Konzept des Logos beabsichtigt war: mitmachen. Die Kritik ist meiner Meinung nach deswegen völlig unangemessen – oder besser: die Kritik an den Kritikern ist vergleichbar mit einem extrem starren CD-Manual ;)
Spannend finde ich (ebenso wie Rulf Neigenfind) auch den Vergleich zu der Hysterie unter den deutschen Designern bei der Vorstellung des Logos für die Fussballweltmeisterschaft 2006. Auch hier wurde heftig polemisiert und von verschiedenen Seiten Gegenvorschläge ausgelobt, entwickelt und publiziert. Leider waren diese Vorschläge (meiner Meinung nach) bis auf wenige Ausnahmen auch nicht recht überzeugend – ich bin gespannt, was die Kollegen auf der Insel fabrizieren – und ich bin gespannt, wie sich das Logo »entwickelt« … wenn es denn wirklich die Möglichkeiten und den nötigen »Auslauf« dafür hat.
Mir ist (trotz Abarbeitung aller Links, Texte, Bilder, Filme und Konzepte) nämlich nicht ganz klar ist – wo denn eigentlich das sensationell Interaktive bei dem Logo sein wird? Wird es sich in den nächsten fünf Jahren durch die Mitgestaltung der Massen wirklich verändern oder gibt es nur eine Reihe von Mitmach-Bastelbögen? Ich suche mal weiter und warte ab, was sich alles so verändern wird – vielleicht werden die Ecken ja noch rund …
Harki
Ein recht anständiger Kommentar zu diesem ganz abscheulichen Signet findet sich im Feuilleton der Frankfurter von morgen. Daraus:
So ist es.
Jürgen
Das musst Du schon selbst machen.
robertmichael
@ Rulf Neigenfind, wie stellst du dir denn jung vor? mit lustigen smileys ala fussball-wm 2006?
ich finde das neue logo hat was von »jung«. etwas graffiti, etwas streetart und grelle farben. dass die jüngere generation angesprochen werden will (siehe: mitmachen – sebstgestalten) ist eindeutig. in wieweit dies fair gegenüber der älteren generation ist, sei mal dahingestellt. ich denke die schauen sich die olympischen spiele eh an, egal mit welchen erscheinungsbild. aber gerade für jüngere muss so eine veranstaltung ›hip und trendy‹ daherkommen.
Paul
Weil es immer wieder aufgeworfen wird: Der Vergleich zum WM06-Logo hinkt stark. Bei unserem Knutschi-Logo fehlte imo eine anständige Konzeption.
Aber what the f*** dachte man sich bei den Farben? Würde mich echt mal interessieren, gibts da drüber irgendwo weitere Infos?
Martin
Momentmomomentmoment: Wenn man einen Prozess in Gang setzen möchte, warum präsentiert man dann ein Logo? Man kann nicht ein paar zackige Formen zeichen, die Flächen bunt einfärben um Variablität anzudeuten und sagen: jetzt seid ihr dran, alles ist offen.
Dekonstruktivismus ist kein Schulfach.
Wer solche Ideen nicht klug kommunizieren kann, hat eben nur einen Teil seiner Arbeit gut gemacht.
Warum präsentiert man ein Logo auf der Website und keine Applikation, mit der man das Logo erst erzeugen muss?!
Jürgen
Das mit den Farben ist einfach zu erklären: Jeder soll das Logo nutzen und verändern dürfen. Die sichersten Farben für Laien sind die Grundfarben, also Cyan, Yellow und Magenta. Das Rot und Grün kann man sich leicht aus den anderen mischen. Eine Logo für alle verträgte kein PMS-Farbklima. Und so robust wie die Farbwahl, sind auch die Grundformen. Merkt Ihr was: alles banal und trotzdem durchdacht.
Jürgen W.
So visionär wie es scheinen mag, ist der Entwurf von Wolff Olins gar nicht. Vor etwa 15 Jahren präsentierte Uwe Loesch der Stadt Leipzig ein Erscheinungsbild (zu sehen in der Zeitschrift Form, Heft 142 von 1993, Seite 38 ff), das weder auf einer Typographie noch auf einem Logo basierte, sondern auf nur zwei Farbflächen, gelb und blau, die frei mit Typographie, Zeichnungen oder Photos belegt werden konnten. Diesen Entwurf fand ich damals äußerst radikal und innovativ. Er gelang in die Endausscheidung zusammen mit einem Entwurf des Ateliers Stankowski + Duschek, bei dem ich damals tätig war. Von dort kam der Vorschlag eines statischen, (quadratischen) und praktischen Logos. Leipzig konnte sich nicht entscheiden und man spürte, dass die Stadt für das radikale Konzept von Loesch noch nicht bereit war. Letztendlich wurde keiner der Entwürfe umgesetzt.
Der Ansatz von Wolff Olins erinnert an dieses Konzept, vielleicht mag es 15 Jahre (+5 inklusive bis zum Event Olympia) später gelingen ein solches ein- und umzusetzen. Woran es scheitern mag, ist, dass es graphisch (und musikalisch in dem Video-Clip) jetzt einem Trend hinterherrennt, der 2012 wahrscheinlich ausgelutscht ist. Abgesehen davon scheint es nicht nur mir so zu gehen, dass die Form des Logos London 2012, sowie Typographie und Farben, von einer großen Mehrheit als abgrundhässlich empfunden werden. Das scheinen keine günstigen Voraussetzungen für eine Identität auf dieser Konzeptbasis zu sein. Da war der Entwurf von Uwe Loesch anno 1993 ein radikalerer (weil er auf eigenen Beinen stehen konnte und zeitlos war) und er wäre leichter umzusetzen gewesen, weil er nicht so polarisierte. Die Zeit war nur nicht reif dafür.
Mit dieser Diskussion sind wir endlich mal wieder zu den Grundprinzipien vorgestoßen, was Gestaltung zu leisten vermag. Damit Gestaltung auch positiv angenommen wird, darf man wohl trotz allem die Ästhetik nicht eine Nebensache sein lassen. Ich denke nicht, dass die Intentionen hinter dem Entwurf von Wolff Olins auch nur annähernd aufgehen. Vielleicht wurde da irgendwo zu kurz gedacht (also nicht visionär genug). Schade eigentlich.
robertmichael
ich weiss nicht was man sich zu den farben gedacht hat, aber das ist doch auch vollkommen egal. farblich kann man es eh keinem recht machen. stell dir doch das logo mal in den farben von tokyo 1964 vor, das fänd ich weniger ansprechend. vielleicht soll es einfach nur frisch, frech, jung, und anders aussehen? ich finde das ist hervorragend gelungen. otl aicher hats doch vorgemacht: bunt, bunter, am buntesten. ok, aicher selbst hat mit seinem olympia-cd das »überdesign« schlechthin geschaffen. dafür ließ dies allerdings keinen spielraum offen.
das leute wirklich »epilepsie-anfälle« bekommen haben kann ich irgendwie nicht richtig verstehen. es ging dabei ja auch nicht um das logo selbst, sondern um die videoanimation. ich bin kein arzt, aber was machen diese leute bei klingeltonwerbung, musikvideos oder japanischen zeichentrickfilmen?
von wem stammt eigentlich der corporate font? er erninnert mich an die »scriptek italic« von david quay.
hef
Weiß jemand, wo man evtl. das epilepsiegefährdende Teil noch sehen kann?
Aber ein Logo wie ein Päckchen Zigaretten, mit dem Vermerk: „Dieses Logo kann tödlich sein!“ – Ich kann mir nicht helfen, das hat was!
Jürgen
Das (vermeintlich amtliche) Logo wurde der Boulevard-Presse und dem ewig-nörgelnden Design-Pöbel zum Fraß vorgeworfen, damit sie sich publikumswirksam austoben kann. Wer sich etwas ausführlicher mit dem Konzept beschäftigt (siehe mein Beitrag von gestern), findet ein Basteltemplate sowie Beispiel-Anwendungen in der Galerie und im Video.
robertmichael
ahh, gut das du leipzig erwähnst. das bewerbungslogo von leipzig kennt ihr alle, oder:
die jahreszahl 2012 + OL für Olympia. das schräge L soll sicherlich das »spiel mit uns« rüberbringen. das londoner logo basiert ja fast auf der gleichenidee. die 12 hatte ich von anfang an als LO gelesen. L für london, O für Olympia.
Jürgen
Das Olympia-Bewerbungs-Logo von Leipzig ist aufschlussreich, Robert. Betrachten wir es mal isoliert, was sicher unfair ist: Wirkt es nicht geradezu provinziell im Vergleich zum Londoner Baukasten-Logo.
Übrigens freue ich mich total über unser beider Verteidigungsrolle, die nicht abgesprochen war. Dein ganz früh entwickeltes Alphabet wird in die Geschichte der London-2012-Logo-Diskussion eingehen, denn es ist wahrscheinlich der erste Beleg dafür, wie man den Baukasten verwenden kann (die Galerie der offiziellen Seite enthielt ein Dutzend vorproduzierter Dummies):
Du kannst Gift drauf nehmen, dass vergleichbare Alphabete wie Pilze aus den Computern sprießen werden.
robertmichael
das L steht sicher für leipzig. naja ihr versteht mich schon.
im übrigen ist die idee mit den farbigen flächen in dem video nicht wirklich neu. es hat mich stark an das kraftwerk tour-de-france-video erinnert:
http://www.youtube.com/watch?v=sQz-CZvkY8k
das neue olympia-video ist nun online. schade, das die idee mit den farbigen und eckigen flächen verloren gegangen ist.
@ Jürgen W.
kannst du den alten loesch-entwurf mal auskramen?
robertmichael
wenn ich ehrlich bin habe ich das leipziger-bewerbungslogo nie gemocht. ich habe es regelrecht verteufelt. vielleicht eher weil ich die idee dahinter (die große olympia kommt nach LE) für total weltfern gehalten habe. mit abstand betrachtet gefällt mir die idee die von dem logo ausgeht, sie ist allerdings sehr mager umgesetzt. provinziell ist schon das richtige wort dafür.
Jürgen
Ich finde es auch sehr bedauerlich, dass die Logo-Animation vom Netz genommen wurde. Kannste mal sehen, wie stark die Epilepsie-Lobby in England ist ;-)
Paul
@29 Jürgen
Danke, dass hilft zum Verständnis.
Wenn man die Farbwahl freigibt ist es doch vorprogrammiert, dass viele abscheulichen Farbkombinationen entstehen werden (s. allgegenwärtige PPT-Präsentationen) und dass dadurch der Ruf des gesamten CD (negativ) beeinflusst wird.
Professionell arrangiert (http://www.london2012.com/img/fencing.jpg ) hat das Logo auf mich einen großen Reiz.
Aber warum sollte es dem Logo anders gehen als manch großartigem Song, der vom Radio mit allen möglichen Sendereinspielungen (HitRadio Antenne 1), als Werbesong, als Klingelton … permanent läuft und man ihn dadurch nicht mehr hören kann?
robertmichael
ohhh ja. gutes beispiel. mittlerweile kann ich »paint it black« von den stones nicht mehr hören. argh! T-com, bitte tut mir das nicht an …
Jürgen
Eben kommentiert der Design-Observer die Sun-Schlagzeile: »Olympische Logo löste Epilepsie aus« mit der Gegen-Schlagzeile: »Das Olympia-2012-Logo hat meinen Hamster gegessen.«
Jens Kutilek
Das hier soll die anfallauslösende Original-Animation sein:
http://youtube.com/watch?v=d6vuccmcbCM
Bitte auf eigene Gefahr anschauen …
Martin
Sowas mit eckigen Formen hätte das Konzept rübergebracht. Der Bastelbogen auf der Website ist ein Witz.
Jürgen
@Martin: Danke für den Link … tolle Ergebnisse in 2 Minuten ;-)
Stephan
@Jürgen
Der Epilepsie-Verdacht kann durchaus berechtigt sein, da photosensible Epilepsiepatienten bei flackernden Bildwiederholungen ein erhötes Risiko einer Anfallsauslösung tragen. Epilepsiewarnungen finden sich z.B. auch auf diversen Videospielen. Ich denke, dass es sich im Londener Fall eher um Vorsicht und Verantwortung seitens der Designer handelt als um Lobbyarbeit von Logo-Gegnern.
Jens Kutilek
Daß durch flackernde Bilder epileptische Anfälle ausgelöst werden können, hat ja niemand bestritten.
Die Kritik war, daß die Anfälle durch das Logo ausgelöst werden, tatsächlich aber durch die Animation. Kleiner aber feiner Unterschied.
Frank
Warum das Logo nicht funktioniert:
– Es ist nur an einen Teil der Zielgruppe addressiert
– Es sagt nicht aus über die Art des Events, Werte etc
– Es ist zu trend-orientiert..wahrscheinlich wird das Logo in 2012 so antiquiert wirken wie Bodoni heutzutage.
Mit anderen Worten:
Dieses Logo verstösst so gut wie gegen alle Logo 1×1 Regeln.
Klar kann es manchmal gut sein gegen genau diese Regeln zu verstossen, aber nicht jeder Regelverstoss bedeutet automatisch eine Verbesserung.Vor allem dann nicht, wenn gegen die Regeln so dermassen verstossen wird, dass das Logo als solches nicht mehr FUNKTIONIERT, sondern höchstens als Kunst.
Aber ein Logo ist in erster Linie eben genau das nicht (Kunst) sondern hat eine definierte Aufgabe, definierte Auftraggeber, Produkte, Zielgruppen.
Es scheint, als hätten Wolff Olins sich nur um den Look und die Implementierbarkeit in ein Identity-System gekümmert – nicht aber um die AUFGABE eines Logos.
Insofern scheitert das Logo schon an formalen Kriterien.
Frank
Nachtrag:
David Armano hat den meiner Meinung nach besten Artikel geschrieben, warum das Logo als solches nicht funktioniert:
http://darmano.typepad.com/logic_emotion/2007/06/london_2012_wha_1.html
Jürgen
Die Pro-Fraktion wächst …
Frank
Coudal war von Anfang an ein Befürworter dieses Logos..
Stephan
Be as creative as you can within the lines. Viel kreativer Spielraum ist da nicht. Die Templates auf http://www.london2012.com finde ich wenig spannend und etwas steif. Die Galerie spricht Bände. Der Tangram-Ansatz ist für mich die bessere Wahl. Bin schon ganz gespannt darauf, wann die ersten Logo-Spiele auflodert. Die kreativen Spiele haben jedenfalls begonnen.
Sicherlich nicht erwünscht ist die Interpretation, es könne sich bei dem vorgestellten Logo um Lisa Simpson handlen …
Aber auch mit diesen negativen Umsetzungen muss sich dann London bis 2012 herumschlagen.
jamie
Ich find auch die Mitgestaltung kommt ein wenig zu kurz. Ich fände es müsste mehr spielraum geben.
So z.B: http://www.cpluv.com/www/medias/jamiejap/jamiejap_466aab16b83fb.jpg
ber
Der Wunsch zur Interaktion durch den Zuschauer wird von Gestaltern oft überschätzt. Das Medium CD-Rom ist so gut wie tot, auf interaktiven Installationen in Museen wird meist nur draufgetapst und weitergegangen. Warum also sollte jemand den Rechner anschalten, auf eine Webseite gehen, ein PDF runterladen, (es evl. ausdrucken) und dann damit auch noch etwas kreatives anstellen? Soviel Zeit und Muße haben doch bestenfalls Design-Studenten.
Paul
Meine Befürchtungen aus 39 bestätigen sich wohl: http://www.london2012.com/joinin/create/gallery/index.html
Jürgen
Lass doch die Menschen spielen … die Galerie verblüfft mich auf eine ganz andere Art und Weise: Ich hätte nie vermutet, dass so viele Laien das Bedürfnis haben, sich aktiv einer Grafikdesign-Debatte zu beteiligen.
Interessant wird die London-Logo-Geschichte für mich, wenn sich die ersten Profis des Logos bzw. seiner visuellen Sprache annehmen. Noch interessanter wird es dann, wenn kommerzielle Produkte entstehen und die Grenze zu den offiziellen Lizenznehmern und Sponsoren gezogen werden muss. Ein Experiment mit offenem Ausgang …
Schnapsi
FÄLLT keinem auf, dass das Logo auseinandergenommen ZION bedeutet??