Ist das neue iTunes-Icon ein Ei-con?

Eigentlich ist die Einführung eines neuen Icons nicht der Rede Wert. Doch bei iTunes 10 ist das anders. Immerhin nutzen laut Apple mindes­tens 160 Millionen Menschen diese Software regel­mäßig – sogar zum Einkaufen. Zudem verlor selbst Steve Jobs bei der gest­rigen Vorstellung der neuen iTunes-Version in San Francisco ein paar Worte über das neue Logo. Es basierte fast 10 Jahre auf der Abbildung einer CD (siehe Abbildung unten), die gerade ausstirbt. »Im Frühjahr wird in den USA mehr Musik über iTunes verkauft werden als auf CD. Und so haben wir uns gedacht – es ist an der Zeit, die CD im Logo zu verschrotten.« (Jobs) Er proji­ziert das neue Symbol auf die Leinwand im großen Saal des Yerba Buena Center: Ein blauer email­lierter Knopf, die Achtelnoten in der Mitte haben über­lebt (Abbildung oben). Applaus.

Nachdem ich nun heute Morgen meine iTunes-Software aktua­li­siert habe, prangt auch in meinem OS-X-Dock das neue Signet. Aber es irri­tierte mich. Auch Indra Kupferschmid schreibt mir in einer Textnachricht: »Das Icon ist total eirig, urgh.« Was ist da los, ich muss der Sache auf den Grund gehen. Ich »ziehe« mir das Symbol in Maximalgröße aus der Software und vermesse es in einem Grafikprogramm. Ergebnis: es ist rund. Warum wirkt es in der Kleindarstellung eirig? Grafikdesigner und vor allem Schriftentwerfer, die sich mit den Schwächen des mensch­li­chen Auges beson­ders gut auskennen, wissen die Antwort.

Unser Auge inter­pre­tiert hori­zon­tale Strukturen kräf­tiger als verti­kale. Grafiker glei­chen diese physio­lo­gi­sche Eigenschaft durch eine opti­sche Täuschung aus: Soll ein Kreis perfekte aussehen, flachen sie ihn oben und unten leicht ab (Abb. unten). Auch die dunkle Umrandung, mit der Apple das neue Logo versehen hat, müsste diese Feinheit berück­sich­tigen – so wie ein versales O in geome­tri­schen Schriften (Futura, Avan Garde, …). Viel drama­ti­scher für den Eier-Look ist aller­dings der ovale Verlauf in der blauen Fläche: Er betont das Logo ganz extrem in der Vertikalen und macht es zum Osterei.

Auch andere Apple-Icons sind zwar mathe­ma­tisch rund, aber nicht optisch, wie zum Beispiel die von Aperture, iSync, dem Dashboard, Safari oder Time Machine. Weil sie aber schräg stehen (Safari), einen Schatten haben (Aperture) oder mit einer konzen­tri­schen Spiegelung versehen sind (iSync) fällt das kaum auf.

Neben den tech­ni­schen Mängeln des Icons hat es auch ein großes Geschmacksproblem. Auf dribble sind bereits eine Menge Alternativen zu finden … dieses hier von Chris Carlozzi sieht ganz nett aus.


17 Kommentare

  1. R::bert

    … viel­leicht sollte man auch einfach der OSX Icons durch die iOS Icons ablösen.

  2. Information Superhighway

    Irgendwie scheinen alle neuen Apple-Icons im Moment richtig garstig auszu­sehen – grad so als hätte man sie für den PC gemacht. Siehe auch das App-Icon für Game Center.

  3. Sepp

    Mal abge­sehen vom eiern.
    Im Gegensatz zum über­ar­bei­teten UI finde ich das Icon nicht gut.

    Die Idee die CD zu kippen weil sie eh am aussterben ist finde ich sehr gut. Aber warum dieses Blau und dieses Shiny gedöns?

    Ich finds OK, ist das ding nicht App mässig quadra­tisch. Immerhin müssen sich diese Art von Programmen noch irgendwie unter­scheiden können.

  4. BAR M Grafikdesign

    Es ist vor allem eines, das Icon: pott­häss­lich. Aber häss­liche Icons sind ja groß im Kommen, total In und schwer ange­sagt. Was wir in der letzten Zeit für Icon-Webdesign ertragen müssen. Ts, ts.

  5. Alexander Hahn

    Hej, das mit der opti­schen Täuschung finde ich span­nend. Ehrlich gesagt empfinde ich die 102%-Variante als platt­ge­hauenen Ball, die kleine Version genauso. Gibts zu dem Thema irgendwo was fundiertes?

  6. Gerd Wippich

    Ich finde es auch sehr gewöh­nungs­be­dürftig, aber der Trend geht wohl in Richtung Icon-Button-Kombination. Das haben wir den Touchscreens zu verdanken.

  7. Stephan

    die schwarze Achtelnote wirkt irgendwie fett und einge­zwäng . Das Kopfdesign erin­nert mehr an MS als an Apple.

  8. John Inglehoe

    Unser Auge inter­pre­tiert hori­zon­tale Strukturen kräf­tiger als verti­kale. Grafiker glei­chen diese physio­lo­gi­sche Eigenschaft durch eine opti­sche Täuschung aus: Soll ein Kreis perfekte aussehen, flachen sie ihn oben und unten leicht ab

    Das ergibt für mich keinen Sinn. Indem man von oben und unten abflacht, verstärkt man doch die hori­zon­talen Strukturen.

  9. Martin Winter

    Ich hatte auch zuerst die Zweifel, die John Inglehoe äußerte. Dann habe ich das mal genauer unter­sucht und bin zu folgenden Schlüssen gekommen: Es ist tatsäch­lich so, daß Kreise (und Quadrate) harmo­nisch aussehen, wenn man sie abflacht. Für mich ging das gegen das Prinzip der opti­schen Mitte, wo man ja etwas höher stellt als mathe­ma­tisch korrekt, aber dort handelt es sich um ein Verhältnis inner­halb einer Fläche, nicht um die Flächenform selbst. Man lernt halt nie aus.

    Allerdings sollte man das besser erklären: Horizontale Strukturen werden von uns in ihrem verti­kalen Anteil (ihrer Höhe) zu stark wahr­ge­nommen, nicht in ihrer Breite, weshalb man z. B. hori­zon­tale Striche in Buchstaben flacher macht als die verti­kalen Striche. Das gleiche passiert hier mit dem Abflachen des Kreises. Man gleicht durch das Abflachen also die Wahrnehmung der Breite und der Höhe an.

    Drittens denke ich, daß das auffäl­lige »Eierige« auch noch von einer anderen Eigenschaft verstärkt wird. Im iTunes-Icon gibt es stark asym­me­trisch verteilte Elemente, die von innen den Kreis fast berühren, nämlich der linke Notenkopf und der rechte Notenhals. An diesen Stellen entsteht eine Art opti­scher Abstoßung, die den Kreisverlauf stört. Ähnlich ist es an den dunkel­blauen Stellen links und rechts, dort wird der Kreis nach außen »gedrückt«. Zur Veranschaulichung das Icon normal, gespie­gelt und ohne Innenteil:

  10. Martin Winter

    Hier ein etwas deut­li­cherer Vergleich – man sieht es recht gut, wenn man zwischen den Icons schnell hin- und herspringt:

  11. ganzunten

    http://0.tqn.com/d/compsimgames/1/0/6/7/2/femalevampire.jpg

    http://​squa​re​port​.de/​v​3​/​w​p​-​c​o​n​t​e​n​t​/​u​p​l​o​a​d​s​/​2​0​0​9​/​0​6​/​h​a​u​s​v​o​g​e​l​.​jpg

    = Peinlich. Mich erin­nert Apple immer mehr an »Des Kaisers neue Kleider«. Man muss doch sehen, dass deren »Design« nur billige Makulatur ist. Es reicht nicht, dass das Industriedesign von Dieter Rams eiskalt kopiert, die Werbespots Plagiate sind, nein selbst bei den Icons ihrer wich­tigsten Software habe sie keine eigenen Ideen…

  12. R::bert

    Vielleicht auch eine Alternative:

    gefunden bei devi­antart

  13. EMQUFORTYTWO

    jo, BAR M ich kann dir nur zustimmen…das Ding ist komplett lächer­lich häss­lich, eine Blamage für Apple und vor allem komplett undurchdacht….es ist so harmo­nisch und stimmig das EKG eines Herzkranken….es ist einfach unfassbar, dass so etwas aus dem Hause Apple stammt….das hätte ich eher einem 3. klas­sigen Hobby-Photoshopper zuge­schrieben, der über­haupt keine Ahnung von Design hat. DIe Idee die CD zu strei­chen ist meiner Meinung nach eine Verleugnung der Herkunft! Ich wäre eher für einen Schritt „Back-to-the-Roots“ und einer Schallplatte als Icon! Für mich persön­lich ist das ein gigan­ti­scher Imageverlust Apples, da ich die Marke ab sofort nicht mehr sofort mit gutem Design in Verbindung bringen werde.

  14. sukisouk

    Nachdem das Icon nun schon ne Weile im Einsatz ist, und sein Anblick nicht mehr das Problem alles Neuen, Ungewohnten hat, kann man es nochmal in Ruhe beur­teilen: ja, es ist schlecht.

    Es ist völlig unin­spi­rierte glossy Belanglosigkeit. Es wäre mir auch prin­zi­piell wurscht, aber das ist ein Programm das bei mir jeden Tag den ganzen Tag läuft. Ein visu­elles Ärgernis.

    Dagegen ist das Google-Logo ein lieb­ge­won­nener Quasimodo, weil wenn es schon schlecht und häss­lich ist, so wenigs­tens nicht belanglos.

  15. Finia

    Super Artikel! Danke.

    Hat sich das icon in der Zwischenzeit geändert?

    Nach dem Update auf iTunes 10.0.1 und Mac OS 10.6.5 erscheint es mir nicht mehr so eirig zu sein wie letztes Mal nachdem ich den Artikel hier gelesen hatte und iTunes frisch draussen war.

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