Heute am Kiosk: TEMPO-Geburtstagsausgabe
Als PAGE-Chefredakteur (1987 – 1991) gab es für uns zwei Hamburger Magazine, bei denen wir uns was abguckten: TEMPO und DER SPIEGEL. Beim ersten waren es Bildsprache und Gestaltung (Lo Breier), beim zweiten die Schreibe.
TEMPO wurde 1986 gegründet und 1996 eingestellt. Jetzt erscheint einmalig ein Magazin mit dem gleichen Namen. Warum weckt man eine mausetote Zeitschrift noch mal auf. Der alte (und neue) Chefredakteur sagt: »Weil sie vielen Menschen immer noch etwas bedeutet … weil wir vielleicht irgend etwas zum Abschluss bringen möchten … weil wir Lust hatten, noch einmal eine Zeitschrift zu machen, die es … so nicht mehr geben kann.« Zum Glück.
Eines hat er vergessen: Weil zum Jahresende 2006 die Werbemillionen derart locker sitzen, dass man ein solches Larifari mühelos finanzieren kann – trotz Sonderrabatten. Das 380-seitige Magazin läuft über mit doppelseitigen Auto-Anzeigen (da fehlte aber auch keine einzige Marke) und Mode-Strecken. Inhaltlich bleibt das Experiment da stehen, wo es 1996 – aus gutem Grund – den Schlusstrich zog.
TEMPO scheiterte nach 5 erfolgreichen Jahren an dem Anspruch, ernsthafte Inhalte mit anarchischem Gonzo-Journalismus, opulenter Optik und Popintellektualismus zu kombinieren. Als Vorreiter der Spaßgesellschaft wurde das Magazin jedoch von Jahr zu Jahr flacher. Die US-Vorbilder New Yorker, Vanity Fair oder Atlantic Monthly wurden nie – auch nur annährend – erreicht.
Die Gestaltung der Einmalausgabe ist öde und uninspiriert. Ohne seine prägenden Kolumnen, wie beispielsweise die »100 Zeilen Haß« von Maxim Biller, bleibt eine TEMPO beliebig. Außerdem leben Zeitschriften von ihrem Rhythmus. Einmalige Ausgaben sind per se Humbug. Zum Glück tun 4,50 € dafür nicht weh: Danke, Werbeindustrie.
9 Kommentare
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Manuel
Hab’s gerade durchgeblättert.
Ist wirklich langweilig gestaltet. Typo lässt ebenso zu wünschen übrig.
raf
ja… wirklich schade, weil die alte tempo wirklich genial war.
Eric
Da habt ihr euch ja wirklich Zeit gelassen für die 380 Seiten, Daumen an die rechte Schnittkante, und das Daumenkino durchlaufenlassen: Gar keine „100 Zeilen Hass“, ach ja, die Typo, so schlecht, und die Werbeindustrie, böse!
Nehmt doch mal Daumen und Zeigefinger und schlagt die Seiten einzeln um (ja, ok, die Werbung kann man weiterblätttern, das machen wir ja bei allen Blättern so). Solche Texte habe ich in letzter Zeit nirgendwo mehr lesen können, und beim zweiten Hingucken gefällt mir vor allem: das mir die Gestaltung völlig egal ist.
Stuckradt-Barre über Wowereit – genial!
Reinald Götz!
Und der Artikel über die Nationalakademie, dessen Rezension alle Tageszeitungen voneinder abgeschrieben haben – ich will mehr!
Stell dir vor, du kaufst eine Zeitschrift und stellst fest: die Gestaltung ist so toll!
Eric
Eric
@ Jürgen Siebert
Ich mag dein Fontblog und lese alles, du führst und gut im Netz rum. Aber mit deinen Meinungen („in die Tonne“) komm ich nicht klar. Die klingen wie „früher war alles besser“. Warst du früher auch besser?
Manuel
nach dem ersten durchblättern hab ich die Tempo jetzt auch gelesen …
Der Inhalt ist wirklich genial und macht den ersten (mäßigen) optischen Eindruck mehr als wett.
openpeople
Wenigstens bin ich jetzt aufgeklärt, was meine Frau dort beim letzten Einkauf mitbegracht hat. Bisher habe ich mich gesträubt, das Gelbeseiten-ähnliche Druckwerk mit zum Schei*** zu nehmen und es auch nur eines Blickes zu würdigen…
Thies
Manches war früher besser: Reinald Goetz auf jeden Fall. Stuckrad-Barre eher nicht.
Und manches sah früher besser aus. Uschi Glas zum Beispiel, und Tempo.
Was den Erscheinungsrhythmus angeht: alle zehn Jahre ist okay. Reicht dann auch.
oli
ich habs gelesen. ganz. und angeschaut. und nicht nur beim sch***en.
ich muss sagen: inhaltlich anmassend und langweilig, optisch öde.
früher war’s inhaltlich meist auch nur krampfhaft anmassend aber teilweise immerhin unterhaltsam und optisch wenigstens etwas avant garde.
diese ober-unerträgliche hilfswurst maxim biller z.b.: damals wie heute (zitty) flach, ahnungslos und unreflektiert, mit seinem krampf, das eigene erbärmlich langweilige kleinscheisser-leben durch verzweifelt lautes rumfurzen spektakulär darzustellen (bemitleidenswert wie axel hacke, aber der konnte wenigstens mal schreiben).
oh gott und dann solche geistes-amöben wie stumpfmack-blärre! klar, mittlerweile spiegel-schreiber (spricht für sich)… und die ganzen krampfhaft re“aktivierten“ möchtegern-schreibtisch-revoluzzer – bestenfalls peinlich, meistens aber unerträglich!
und natürlich die „wahrheit“ wieder auf der fahne (und die hirntote junkie-fresse!)
mein kommentar: wegschmeissen, zubetonieren, alles abstreiten!
is mir fast peinlich, das damals gelesen zu haben!