Grund zur FFreude im Büro

office_aufmacher

Es gibt zwei typo­gra­fi­sche Wüsten in der Welt der schrift­li­chen Kommunikation: das Büro und das Internet (vgl. Die typo­gra­fi­schen Milieus 2010). Aus aktu­ellem Anlass möchte ich mich heute der ersten widmen. Schriften fürs Office sind eigent­lich ein span­nendes Gebiet. Gerade dort lauert eine Art Herausforderungen, die Typedesigner seit Jahrzehnten stimu­lieren, nämlich tech­ni­sche Restriktionen. Das können Eigenarten einer Aufgabe sein, zum Beispiel der beengte Raum in Tabellen (unsere Lösung: Axel), oder fremd­sprach­liche Herausforderungen (unsere Lösung: Europaschriften), oder die tägliche Praxis der Bürokorrespondenz. Darum geht es heute.

Was für die Nutzer von MS-Office-Programmen beim Einsatz von Schriften Alltag ist, juckt die Anwender von InDesign, XPress, Illustrator oder Photoshop nur wenig:
• Schriftstilwechsel per Tastaturkürzel … exis­tiert dort nicht
• Tabellenziffern … typo­gra­fisch unkorrekt
• diakri­ti­sche Zeichen … »Bin ich Dolmetscher?«
• Lesbarkeit kleiner Texte … »Ich arbeite auf 400 %.«

Die Folge dieser über lange Jahre von Schriftenhäusern und Corporate Designern gepflegten Ignoranz sind Rechnungen, die wie 70er-Jahre-EDV aussehen, 0815-Anschreiben aus Times und Arial bis hin zu lieblos gene­rierten Handbüchern mit schwer lesbaren Texten. An dieser Stelle sei noch mal Yello Strom lobend erwähnt, deren Rechnung (gestaltet aus einer von FontShop vor 6 Jahren modi­fi­zierten FF DIN) ich vor über 3 Jahren in den Himmel lobte, und die noch heute in dieser Form versendt wird. Was Yello da vormacht, ist eine abso­lute Ausnahme auf diesem Gebiet.

FontFont 50 ÜbersichtFSI FontShop International geht nun mit seinen FontFonts einen radi­kalen Weg: die für das Textverarbeiten im Büro untaug­li­chen Fonts im PostScript-Typ-1- und TrueType-Format wurden heute vom Markt genommen und durch neue Office-Versionen ersetzt (Abkürzung: Offc). Designer arbeiten (weiterhin) mit den OpenType-Versionen dieser Schriften. Mit dem neuen FontFont-Release 50 kommen 271 Offc-Pakete auf den Markt, die frühere Versionen der Familien FF Celeste, FF Celeste Sans, FF Celeste Small Text, FF Cocon, FF Dagny, FF Dax, FF Dax Compact, FF DIN, FF Duper, FF Folk, FF Market, FF Meta, FF Meta Serif, FF Netto, FF Prater, FF Providence, FF Providence Sans, FF Speak, FF Tisa und FF Trixie ablösen; in abso­luten Zahlen ersetzen 600 neue Font-Produkte 4300 auslau­fende Font-Produkte. Die neuen Schriftentwürfe FF Mach, FF DIN Condensed Italic, FF Masala und FF Masala Script kommen gar nicht mehr in den auslau­fenden Formaten heraus, sondern gleich als Offc.

Zurück zur (damals maßge­schnei­derten) FF DIN von Yello Strom. Die neue FF DIN Offc (4 Schnitte, 129 € für max. 5 Arbeitsplätze) erfüllt genau jene Ansprüche, die der gelbe Stromanbieter in der dama­ligen Version vermisste: Stilverlinkung, Tabellenziffern, TrueType-Technik inkl. guter Bildschirm-Darstellung.

Die heute erschie­nene FF DIN Offc Bold, live vom FontShop-Server geren­dert, stil­ver­linkt und mit Tabellenziffern

Für Interessierte, die sich ganz tief in das Thema einar­beiten möchten, lege ich die aktu­elle (interne) Übersicht des FontFont-50-Release als PDF zum Download bereit (Abbildung oben links). Doch Achtung, das sind 34 Seiten, bzw. 5 MB: FontFont 50 downloaden …

(Foto: Edward McCulloch, ƒStop image 742.009, CD Office Romance)


11 Kommentare

  1. thomas junold

    hmm okay, das ist das, was vorne im rampen­licht steht. wie schaut’s denn hinter der bühne aus? konkret würde mich inter­es­sieren, wieviele leute an diesem umbruch arbeiten und wie komplex das ganze ist, soft­ware-seitig. kannst du darüber ein wenig auskunft geben? :)

  2. Jürgen Siebert

    Ich bin sicher, das Ivo hierzu ein paar Zeilen schreiben möchte, wenn er das liest. Ich selbst blicke zwar von einem Arbeitsplatz aus genau in die Räume von FSI, haben aber Null Ahnung davon, wie Font-Produktion und Qualitätskontrolle im Detail orga­ni­siert sind.

  3. Ole Schäfer

    … neben der Namens- und Technikänderungen die TrueType zu Officeschriften machen, sei erwähnt, das es auch seit Jahren «echte» Officeschriften gibt, d.h. Schriften die wirk­lich für Officebedürfnisse gezeichnet sind, um hier einmal zwei zu nennen: FF Info Office und FF Fago Office. … heissen die jetzt eigent­lich FontFont OfficeOffice, nicht zu verwech­seln mit FontFont Office?

  4. Simon

    Ich begreife ja echt nicht, wie ihr damit leben könnt, dass euer Server die Schriften so kaputt­ge­hinted präsen­tiert. Wenn ich mir als poten­ti­eller Fontkäufer z.B. das kleine ‚g‘ angucke, ist die Schrift für mich gestorben. Das Euro-Zeichen ist so grottig, weil man die Outlines ja unbe­dingt auf Pixel-Grenzen schieben muss. Das ‚O‘ wird total deformiert.

    Meint ihr nicht, dass es sinn­voller wäre, die Font-Previews unge­hinted zu rendern, damit man wenigs­tens eine grobe Chance hat, die Erscheinung der Schrift eini­ger­maßen einzuschätzen?

    Zum Vergleich habe ich mal das nächst­grö­ßere Bild der Vorschau runterskaliert:

    Ok, wirkt leicht unschärfer, aber das ‚e‘ hat jetzt Luft zum Atmen und man erkennt die FF DIN wenigs­tens wieder.

    </rant>

    Viele Grüße,
    Simon

  5. ganzunten

    Aber sind profes­sio­nelle Open-Type-Schriften wie die Calibri und Cambria nicht die neuen Standards seit zwei Jahren in MS-Office? Times und Arial sind doch so gut wie tot – hoffentlich.

  6. Ivo

    Während unsere alten TrueType-Schriften für das Graustufen-Hinting opti­miert waren, was aber durch das ClearType-Hinting [das bei den Windows-Versionen nach XP stan­dard­mäßig akti­viert ist] abge­löst wurde, sind die von FontFont nun veröf­fent­lichten TrueType-Fonts eben für die aktu­elle und deut­lich verbrei­tete Form des Hintings akti­viert. An der entspre­chenden Überarbeitung der Bibliothek sitzt im Grunde unsere gesamte Fonttechnikabteilung. Deine Frage, Thomas, wie komplex das Ganze von Seiten der Software ist verstehe ich nicht ganz. Selbstverständlich haben wir dafür auch unsere Produktionssysteme umge­stellt und opti­miert. Beim Hinting ist jedoch weiterhin sehr viel Handarbeit gefragt.

    Im Zuge dieser Konvertierung werden auch die Mediävalziffern gegen die Tabellenziffern als Standardziffern ausge­tauscht und erstere in einen eigenen Schnitt, zusammen mit den Kapitälchen, die ja in den Office-Programmen bisher nicht zugäng­lich sind, gepackt. Die leidige Aufteilung der Fonts in verschie­dene Sprachen ist aufgrund der mitt­ler­weile nicht mehr bestehenden Beschränkung auf 256 Zeichen auch nicht mehr notwendig. Das führt zu der von Jürgen ange­spro­chenen radi­kalen Reduzierung der Einzelschnitte und macht die gesamte Bibliothekspolitik, die zukünftig nur noch in Standard- und Pro-Sprachumfang unter­scheidet, transparenter.

    Wie Ole schon schreibt sind natür­lich bestimme Schriftfamilien aus typo­gra­fi­schen Gesichtspunkten für den Einsatz im Bürobereich besser geeignet als andere. Darunter ist z.B. die FF Fago Office, aber auch die FF Info Office [für die wir in der Tat über­legt haben, ob es notwendig ist, sie umzu­be­nennen oder ob »FF Fago Office Sans Offc« trotzdem sinn­voll und nach­voll­ziehbar bleibt], FF Zwo Correspondence oder FF Signa Correspondance.

  7. densen

    i love the photo ;-)

  8. thomas junold

    ivo danke für die antwort. genau das meinte ich, die umstel­lung der produk­ti­ons­soft­ware. das wird doch nicht alles nur fontlab sein? oder ist das ein punkt, den ihr lieber geheim halten wollt? :)
    ich stelle mir das nur unge­heuer aufwendig vor, die ganzen schriften so umzu­bauen, dass sie true­type-gehinted sind, die ot-features schreiben etc. plus kontrolle der entstan­denen neuen offc-fonts.

    immerhin ist genau so etwas ja der grund, warum firmen eben nicht von quark auf inde­sign umstellen, von pc auf mac usw. … der aufwand erscheint zu hoch.

    ich finde den schritt wirk­lich beacht­lich und freue mich, endlich nicht mehr meinen kunden erklären zu müssen, warum man keine schriften auf verschie­denen systemen nicht gleich verwenden kann.

  9. Ole Schäfer

    @ thomas junold

    … man wird weiterhin mindes­tens zwei Schriftarten benö­tigen: Im Officebereich TrueType mit einge­schränktem Zeichenvorrat und für die Gestalter im Printbereich: OpenType mit vollem Zeichenvorrat … nicht zu vergessen: Schriftart drei: web.

  10. Ivo

    genau das meinte ich, die umstel­lung der produk­ti­ons­soft­ware. das wird doch nicht alles nur fontlab sein? oder ist das ein punkt, den ihr lieber geheim halten wollt? :).

    Es ist natür­lich nicht alles nur Fontlab, aber was genau tech­nisch noch bei uns passiert, dürfte den Rahmen eines solchen Kommentars dann doch sprengen ;)

    immerhin ist genau so etwas ja der grund, warum firmen eben nicht von quark auf inde­sign umstellen, von pc auf mac usw. … der aufwand erscheint zu hoch.

    … was in den meisten aller Fälle jedoch zu kurz gedacht ist.

  11. Michael Müller-Hillebrand

    Mein Würdigung einschließ­lich Plagiats des Titels: Grund zur FFreude in der Redaktion?.

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