Gentechnik-Logo … jetzt aber richtig!
Reprofähige Version (PDF, 1,8 MB; Herstellung: carrois.com): auf das Logo klicken …
Wenn wir uns im Fontblog über Logos streiten, geht es entweder um das inhaltliche Konzept oder die Gestaltungsqualität. Das war gestern anders, beim neuen Kennzeichen für Lebensmittel ohne Gentechnik, vorgestellt vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Die Ausführung der downloadbaren Datei geriet in die Kritik. Was das Ministerium als druckfähige Version bezeichnet, ist eine miserabel ausgeführte Reinzeichnung, noch dazu als minderwertige Pixelgrafik abgelegt. Schon bald gab es Verbesserungsvorschläge in den Kommentaren … plus formale Kritik, aber da wollen wir uns mal nicht einmischen.
Seit heute Abend liegt uns eine professionell digitalisierte Version des Logos vor (oben), wie sie eigentlich das Ministerium hätte anbieten sollen. Sie stammt aus dem Hause du Carrois, das sind Ralph und Jenny du Carrois, zwei Spitzendesigner, deren Biografie hier nachzulesen ist. Wer Ralph noch nicht über seine Schrift Maurea kannte, wird spätestens durch Erik Spiekermanns letzte Schrift Axel auf seinen Namen gestoßen sein. Doch Ralph du Carrois digitalisierte nicht nur Axel, sondern auch die Corporate Fonts von Gravis, Kia und die neuen Piktogramme der überarbeiteten heute-Nachrichten fürs ZDF.
Nachfolgend beschreibt Ralph seine rund 2-stündige Fontlab-Arbeit am Gentechnik-Logo in allen Details, worum ich ihn ausdrücklich bat. Fontblog wird nicht nur von Designexperten gelesen, denen die Fehler einer schlechten Digitalisierung sofort ins Auge springen, sondern auch von Laien, die möglicherweise Design beauftragen, einkaufen oder vertreiben … wie zum Beispiel Bundesministerien. Ihnen widmen wir diesen Beitrag, nicht ohne zunächst das Original-Logo (links) und die Überarbeitung (rechts) gegenüber zu stellen (Vergrößerung auf Mausklick):
The Making of Ohne-Gentechnik-Logo-Reinzeichnung, von Ralph du Carrois
Ich habe mir gestern das PDF geladen und war erschüttert über die Qualität der Vektoren. Das ist Datenmüll, bestenfalls eine Skizze, auf der man aufbauen kann. Der Rhombus und seine Konturen sind nicht vertretbar: Stützpunkte an den Extrema fehlen schlicht, Tangenten kommen hakig aus den Geraden, das ganze Ding ist nicht symmetrisch, in keiner Achse.
Für einen erfahrenen Grafiker oder Typedesigner ist es ein leichtes den, nennen wir ihn Entwurf, zu einen offiziellen Zeichen zu machen. Dabei geht es gar nicht um inhaltliche Themen, wie adidas-Ähnlichkeit, legalize it, Hanf, MixedCase-T oder Corporate S mal leicht gesperrt, mal eng gesetzt. Es geht schlicht um die handwerkliche Qualität des Produkts.
Geht man einen Schritt weiter, fällt bei der verwendeten Schrift auf, dass sie nicht glücklich gewählt wurde. Die Corporate S verschließt sich sehr und ist für Kleinstanwendungen einfach nicht gemacht. Doch auch hier muss man nicht gleich mit dem Prügel draufhauen und eine super optimierte Type für sehr kleine Low-quality-prints auswählen. Man kann, mit etwas Feingefühl, viel verbessern:
- h wird so breit wie n
- die Schwüngchen am n-Stamm werden entfernt, da sie in den meisten Anwendungen mehr stören als helfen werden
- e wird unten leicht geöffnet. Die Intarsie wird minimal an den Bogenausgängen der Basis nur über die BCPs vergrößert
- G wird oben ebenfalls leicht geöffnet und der sehr tiefe Querstrich etwas angehoben
- T ist zu schmal und wenn es breiter wird, zu weit vom e entfernt. So wie es nun nun gelöst ist, passt es besser und bleibt trotzdem ein Störer. Zumindest in unseren lateinischen Augen. Kyrillische Augen sind dieses Zeichen gewöhnt, wenn auch nicht in Verbindung mit dem kleinen lateinischen n ;)
- Weiter geht es mit den c, das in der Corporate S sehr verschlossen ist und nun auch wenig zum weiter geöffneten e und G passen mag. Der rechte Teil wird verbreitert, die Enden geöffnet und angeschrägt
- Jetzt kann das h etwas näher an das c. So gewinnen wir Platz zurück, den wir vorher für das T verschwendet haben
- Der i-Punkt wird etwas größer
- Zuletzt der Zusammenschluss am k: das ist nicht notwendig, passt aber in meinen Augen viel besser zur Gesamtanmutung und spart Platz, der für T und c benötigt wurde
Das Laub-Symbol war zu detailreich. Das Blattwerk ist nun formal einfacher und durch den größeren Abstand der Blätter und das weniger spitze Mittelblatt weiter weg von adidas und Hanf, und zusätzlich besser in kleinen Anwendungen. Ausserdem piekst es nicht so von unten in den Text. Der Stamm ist dicker. Der war bei der Ausgangsversion zu dünn für die wichtigsten Anwendungen. Das Blatt wurde auch etwas größer.
Der Rhombus ist nun achsensymmetrisch und seine Ecken sauber, mit allen nötigen Punkten und optisch an die Strichstärke des Rahmens angepasst. Die seitlichen Ecken sind numerisch etwas dicker als die obere und untere Ecke. Optisch sehen sie so harmonischer aus.
Fertig.
23 Kommentare
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martin
sehr schön! vielen dank für die Erläuterungen zu den verbesserungen! Gerne öfter sowas lehrreiches :)
jo
Den Satz werden die Laien lieben :) Aber eigentlich hätte man für ein Zeichen das so klein abgedruckt werden soll, einfach eine offenere Type nehmen sollen.
Jakob
Das „ohne“ hängt optisch etwas nach rechts ;)
LeSpocky
Wow, danke für diesen sehr interessanten Einblick in »Eure« Arbeit. :-)
Nadine
Danke für den spannenden Beitrag, wirklich super interessant.
Ich kann mir nicht einfach helfen, mich stört dieses Binnenmajuskelkapitälchenirgendwas-T nach wie vor unheimlich.
Übrigens witzig: ich habe die beiden gegenübergestellten Logos gerade mal einem Laien gezeigt, Kommentar: „Ich seh da keinen Unterschied.“ ;-))
Ole Schäfer
… Die PTL Maurea gibt es übrigens bei primetype und FontShop.
Wenn ich mich bei all dem visuellen Müll – der mir täglich begegnet – hinsetzen würde und neue Versionen davon mache hätte ich einen unbezahlten Ganztagsjob für Jahre.
Als Selbstpromotion ist das Beispiel super, inhaltlich ist das tägliche Arbeit und eigentlich wenig erwähnenswert, fand ich immer. Vielleicht liege ich da falsch und sollte demnächst alle Details ausführlich beschreiben.
Das gezeigt Logo ist dabei noch nicht mal sehr schlimm – optisch, handwerklich stimme ich zu. Inhaltlich sollte man allerdings fragen ob die Uminterpretation eines Warnsignals (Raute) und drei Blätter eine Aussagekraft haben. Ich würde sagen: Nein.
Als Warnsymbol würde das Zeichen besser funktionieren: gentechnisch hergestellt. (selbstverständlich als gelbe Raute). So etwas ist aber politisch nicht durchsetzbar, weil niemand auf die Wahlkampfspenden der Agrarindustrie verzichten möchte, ich sage nur: Wir sind die Kraft … möge die Macht mit uns sein;-)
Simon
Mal so dazwischen gefragt: Es wird bemängelt, dass Stützpunkte an den Extrema fehlen.
Meine Erfahrung ist, dass die meisten Programme einen Kreis nach der Umwandlung in einen Pfad mit vier kubischen Beziersegmenten approximieren. Wenn man den jetzt um 45° dreht und die einzelnen Segmente an die Rundungen der Raute setzt, hätte man an den Extrema auch keine Stützpunkte. Weshalb wären die also wünschenswert?
Danke,
Simon
Thomas
Mal so ne Frage: „verschenkt“ ihr die Überarbeitung jetzt als Werbung für carrois oder für die grafische Zunft an sich oder ist das ein „Angebot“ für das Bundesministerium für Ernährung, und die überarbeitete Version ist jetzt „erwerbbar“?
In diesem Zuge: die erste Gestaltung ist ein urheberrechtlich (oder zumindest leistungsschutzrechtlich) geschütztes Werk. Ist diese Überarbeitung überhaupt zulässig?
Bitte versteht mich hier nicht falsch, ich sehe ganz klar die Verbesserung in der Überarbeitung. Ich frage mich aber auch ob hier im öffentlichen Raum auf diese Art und Weise der „Entwurf“ so zerlegt werden muss.
Der Hinweis darauf, dass es natürlich „besser“ geht, ist sicher sinnvoll. Fraglich ist aber auch, was ein Carrois Logo kostet. Eine Mercedes S Klasse ist besser verarbeitet als eine A Klasse oder ein Lada. Wenn ich aber nur zum Einkaufen will, oder einfach kein Geld habe (Ebbe in öffentlichen Kassen) dann kann ich nicht das non-plus-ultra haben wollen oder verlangen.
Plamen Tanovski
Toll, dass ihr es erwähnt! Ich wollte schon im vorigen Artikel kommentieren, dass das „T“ kyrillisch anmutet. Und das finde ich schade, denn es geht hier eindeutig um „german technophobia“.
Mario
Soso, in einer Pixelgrafik fehlen Stützpunkte.
Will der gute Herr uns verarschen?
Jürgen Siebert
Die Bemerkung von Ralph du Carrois bezieht sich auf eine vektorisierte Version, die Fontblog im gestrigen Beitrag zum Download anbot – extrahiert aus einer Aufklärungsbroschüre des Ministeriums.
Carrois
Ich möchte hier die sehr positive Ankündigung von Jürgen etwas abmildern. Dennoch, Danke Jürgen!!!
Wir sind keine »Spitzendesigner«, sondern arbeiten gerne und gerne sauber. Darum gibt es auch mal Zeit, ein, zwei Stunden für mehr als nur meckern und jammern aufzubringen. Ganz einfach weil ein schönes Ergebnis befriedigt. Ob das Ministerium es nun verwendet oder nicht ist mir einerlei. Wer es verwenden will kann das gerne tun, sonst hätte der ganze Spass auch ein großes Loch.
Was weitere Detailverbesserungen angeht, bin ich hier mit allem einverstanden was vorgebracht wird. Da sich die 2 Stunden Arbeit, die Jürgen erwähnt, aber auf die Verbesserung und das Verfassen des Textes beziehen, bitte ich um milde Nachsicht, dass hier nur das Handwerkliche auf ein vertretbares Niveau gehoben wurde.
Christian
beruhigend, dass ich mit meinem 2-Minuten-Crash-Entwurf von gestern auf dem richtigen Weg war. Die 2 Stunden sind gut investiert.
Weiß eigentlich jemand, wer den ersten Entwurf gemacht hat?
Georg J. Lutz
Mir wäre ein rotes Logo/Schild mit der Aufschrift „MIT GenTechnik“ auf den Lebensmitteln lieber gewesen. Aber das is(s)t ein anderes Thema.
Philip
Jetzt kommen wir der Sache näher. Ein Kennzeichen für »veränderungsfreie« Lebensmittel wird selber – je nach Standpunkt – verändert, manipuliert, optimiert…
Einen schönen Tag noch! Zählt mal die Fonts im Spot…
Philip
Michael Jackson
@ Carrois: Doch, doch Spitzendesigner trifft es schon ganz gut. Großes Lob – weil es einfach auch mal gut tut!
R::bert
Sorry, aber wie Georg J. Lutz bin ich ebenfalls der Meinung, die Debatte ist eigentlich überflüssig, da die Herangehensweise ein »normales« Produkt plötzlich als unnormal zu kennzeichnen aus meiner ethischen Sicht nicht tragbar ist. MIT Gentechnik brauch eine Kennzeichnung und nicht umgekehrt! Warum muss ich Produkte mit Warnschilder zumüllen, wenn sie ungefährlich sind?
Dennoch finde ich ebenfalls die Umsetzung von Carrois gut, wenngleich ich das »T« nicht nachvollziehen kann. Das wäre bei »MIT Gentechnik« besser aufgehoben ; )
@ Ole: Warum regiert hier die Industrie und nicht der Staat mit den zuständigen Ministerien? Und warum nehmen wir das alle schon als »normal« hin? Dann braucht es auch nicht lang, dass Gen-Mais den natürlichen Mais verdrängt hat…
ole
@ R::bert
… wir sind der Staat, jeder kann ja im September bei der Wahl die Politik bestätigen oder widerlegen.
R::bert
@ ole
Stimmt! Aber ob das reicht…? (Meinst Du wirklich, dass es mal zu Schwarz-Grün kommt? Rot-Grün scheint es ja den Umfragen nach schon mal nicht zu werden…, warten wir´s ab!)
Übrigens, als ich das hier sah, dachte ich auch gleich an Selbstpromotion. Aber warum nicht? Bin schon gespannt, ein Redesign von Dir hier zu sehen ; )
R::bert
Habe ich gerade im Designtagebuch gefunden:
Simon, Nr. 32 schreibt: »na so ein zufall! ich habe vor kurzen einen kleinen animationsfilm zur darstellung der problematik von genmanipulierten nahrungsmitteln produziert. wer möchte, kann ihn sich mal anschauen:«
Micha
Für mich wirkt das Logo recht frisch und unbelastet. Dennoch stolpert man über das Versal-T automatisch. Wieso wurde das T grossgeschrieben? Welcher Gedanke steckt dahinter?
Simon
Das Video wurde von Youtube gelöscht. Neuer Link ist http://www.youtube.com/watch?v=6T_XnnZUSvE