Fünf Fragen an Ludwig Übele, LudwigType

LUdwigType bei FontShopIm letzten Sommer sprang seine FF Tundra als Editorial-Font direkt in den Stern (mehr darüber im Fontblog). Dass wir jetzt alle Schriftveröffentlichungen seines eigenen Labels LudwigType in das FontShop-Sortiment aufnehmen konnten, freut uns ganz beson­ders. Ludwig Übele studierte Grafikdesign in Deutschland und Finnland. Mehrere Jahre verbrachte er anschlie­ßend in verschie­denen Designagenturen in ganz Europa. 2007 absol­vierte er den Type-Media-Kurs an der renom­mierten Royal Academy of Arts (KABK) in Den Haag und grün­dete gleich­zeitig seine eigene Foundry LudwigType.

Ludwig Übele

Grafiker und Schrif­ten­ent­wer­fe­r Ludwig Übele sprach mit Font­Shop Aktu­ell über das, was Schriften ausmacht und seine persön­li­chen Font-Lieblinge

Heute lebt und arbeitet Ludwig in Berlin als Schriftenentwerfer und Markenentwickler. Seine Schriften erhielten mehr­fach Auszeichnungen, darunter den  TDC²-Award 2008 und 2010,  Granshan 2009, ATypI Letter.2 2011. Neben seinen eigenen Schriften arbeitet Ludwig mit dem großen Schriftenentwerfer Georg Salden an der Digitalisierung der TypeManufactur-Bibliothek.

1. Was hat Dich bewogen, Schriften zu entwerfen und ein eigenes Schriftenhaus zu gründen?
Ich glaube, was mich an Schrift von Anfang an beson­ders inter­es­siert hat, ist die Kombination aus kultur­ge­schicht­li­cher Bedeutung und künst­le­ri­schen Gestaltung. Dass man so etwas grund­le­gendes wie Schrift, das die meisten Menschen als Form kaum wahr­nehmen, tatsäch­lich und ganz unter­schied­lich gestalten kann. Mit diesen einfa­chen und seit langer Zeit fest­ge­legten Formen eine eigene Sprache zu finden.

FF-Tundra-FontShop

FF Tundra prägt die Kombination aus starken Serifen und weichen Formen. Das ruhige Erscheinungsbild im Fließtext und die hervor­ra­gende Lesbarkeit über­zeugten den Stern und sie wurde im Sommer 2012 der neue Editorial Font.

Und darum geht es ja: zu einer Balance zu kommen zwischen best­mög­li­cher Lesbarkeit und indi­vi­du­ellem Ausdruck.

Gerade diese Einschränkung, in diesen engen Grenzen etwas Neues zu schaffen, reizt mich. Ich hatte schon immer Schwierigkeiten etwas einfach nur schön zu machen. Deshalb inter­es­sieren mich auch eigent­lich Displayschriften nicht beson­ders. Ich finde es viel reiz­voller, sich in den engen Grenzen, in denen sich die Gestaltung von Textschriften abspielt, zu bewegen, und viel­leicht hier und da die Grenzen zu dehnen, ohne sie zu verlassen.

Marat-FontShop

Marat, die freund­liche Serif-Antiqua, ausge­zeichnet von TDC und ATypI und kurz darauf auch mit Sans-Familienzuwachs

Mit dem Entwurf von Schriften habe ich mich erst­mals während meines Designstudiums beschäf­tigt. In den dunklen Wintertagen meines Auslandssemesters im Norden Finlands habe ich dann die dortige Verkehrsschilderschrift digi­ta­li­siert. Daraus ist später die Helsinki entstanden. Nach dem Studium habe ich dann ein paar Jahre selb­ständig und in Agenturen gear­beitet und parallel immer wieder an eigenen Schriftentwürfen gebas­telt. Die Schriften Augustin und Mokka stammen aus dieser Zeit.

Marat-und-MaratSans

Marat und Marat Sans arbeiten in Fließ- und Auszeichnungstext harmo­nisch – gleich­zeitig kontras­tie­rend und immer lesbar 

Irgendwann hörte ich dann vom Schriftkurs in Den Haag, zu dem ich mich dann auch gleich beworben habe. Dort entstand die Marat, die dann auch der Auslöser war mich ganz auf den Entwurf von Schriften zu konzen­trieren. Die Marat kam damals recht gut an, hat auch ein paar Preise gewonnen und hat sich daraufhin ganz gut verkauft. Da dachte ich: Versuch es doch einfach mal. Du kannst ja immer wieder zurück. Zurück musste ich bisher zum Glück noch nicht.

2. Ist es wahr, dass Berlin sich neben einem Schmelztiegel für Startups auch zu einer Hochburg der Typografie entwi­ckelt hat?
Es gibt über­durch­schnitt­lich viele Schriftentwerfer in Berlin, das stimmt. Vielleicht ist der Vergleich mit Startups in der Fragestellung ganz bezeichnend.

Man fängt ja selten sofort und ausschließ­lich als Schriftentwerfer an, sondern wächst meist langsam hinein. In Berlin scheinen die Bedingungen dafür günstig zu sein.

Und so etwas verstärkt sich dann natür­lich ganz auto­ma­tisch. Je mehr Menschen etwas bestimmtes machen, umso mehr Gleichgesinnte zieht es an.

Marat-Sans-FontShop

Marat Sans vereint huma­nis­ti­sche Ideale mit Funktionalität. Als boden­stän­dige Brotschrift ist sie belastbar wie lesbar und gleich­zeitig eine Charakterschrift. 

Es ist natür­lich toll, dass es hier sehr einfach ist, sich mit anderen Schriftentwerfern zu treffen. Der Entwurf von Alphabeten ist ja meist ein sehr einsames Geschäft. Da tut es manchmal gut, sich mit anderen auszutauschen.

3. Was sollte eine moderne Schriftenfamilie können? Über welche Fähigkeiten sollte sie verfügen?
Grundsätzlich glaube ich nicht, dass sich die Anforderungen an Schriften wesent­lich verän­dern. Für mich muss eine gute Schrift lesbar, lebendig und in sich stimmig sein.

Wie umfang­reich eine Schriftfamilie ausge­baut ist oder welche OpenType-Features sie besitzt, inter­es­siert mich nur zweit­rangig. Natürlich ändert sich die Form der Schrift mit dem Medium, das zeigt ja schon die gesamten Schriftgeschichte. Bei meiner Marat hatte ich zum Beispiel etwas im Blick, das ich „moderne“ oder „frag­men­tierte Typografie“ genannt habe.

„Moderne Typografie“ besteht im Gegensatz zur klas­si­schen Buchtypografie aus der Kombination von vielen Fragmenten: Überschriften, Unterüberschriften, Einleitungen, Infotexte, Zitate, Tabellen, aber auch längere Fließtexte.

Diese Art von Typografie ist das, was wir aus Zeitschriften, Zeitungen oder Verpackungen kennen. Es ist schnelles und selek­tives Lesen. Es sind schmale Spalten. Viele verschie­dene Schriftschnitte und Schriftgrößen. Ganz im Gegensatz zur klas­si­schen Buchtypografie, wo es eine Schriftgröße und Schriftart für einen langen fort­lau­fenden Text gibt. Ich bin der Meinung, dass Schriften unter­schied­lich gut funk­tio­nieren, für das eine oder das andere.

Helsinki-FontShop

Finnische Verkehrsschilder inspi­rierten Übele zur geome­tri­schen Sans Helsinki. Als schmale Headlineschrift und für Kurztexte sorgt sie für klare Informationen auf wenig Raum – ein Display und Verpackungsspezialist.

Interessanterweise scheint sich dieselbe Entwicklung beim Internet zu wiederholen.

Anfangs waren die meisten Webseiten einspaltig, mit belie­biger Länge nach unten. Relativ breit­lau­fende, die Horizontale beto­nende Schriften waren dafür beson­ders gut geeignet. Mit höherer Auflösung der Bildschirme und klei­neren Bildschirmgrößen (Tablets, Smartphone) ändert sich das zur Zeit. In Zukunft werden auch schma­lere Schriften für den Bildschirm gebraucht werden, und die Aufgabe wird sein, die Lesbarkeit trotzdem zu erhalten.

4. Wel­che Dei­ner eige­nen Schrif­ten ist Dein per­sön­li­cher Liebling?
Ich mag die Marat am liebsten. Sie besitzte das, was ich im Design stets anstrebe: Klarheit, Deutlichkeit, Lebendigkeit. Und sie ist sehr freund­lich, strahlt eine gewisse Wärme und Menschlichkeit aus. Das gefällt mir.

Augustin-FontShop

Die klas­si­schen Buchstabenformen der Renaissance erwa­chen in Augustin zu neuem Leben – eine Textschrift, die mit jeder Kurve Kultur und Geschichte verströmt. Ideal für Lyrisches.

Eine Schrift, die mich sehr über­rascht hat, ist die FF Tundra. Ich war mir anfangs nicht so sicher, was ich von ihr halten sollte. Aber inzwi­schen ist sie mir sehr ans Herz gewachsen, vor allem weil sie so gut funk­tio­niert. Ich hatte zwar von Anfang an eine sehr klare Vorstellung, wie die Schrift aussehen sollte, aber ob sie funk­tio­niert oder nicht sieht man ja erst wenn sie auch wirk­lich benutzt wird. Die FF Tundra scheint sehr viel auszu­halten. Zum Beispiel scheint sie im Rotationsdruck beson­ders gut zu funk­tio­niert (siehe Interview Fontblog). Auch die Darstellung am Bildschirm hat mich sehr positiv überrascht.

5. Wel­che ist Deine per­sön­li­che Lieb­lings­schrift eines ande­ren Entwerfers?
Trinité und Lexicon von Bram de Does gehören zu den schönsten Antiquas, die ich kenne. Ihre feinen und orga­ni­schen Formen erzeugen ein solch warmes und harmo­ni­sches Textbild. Kein Zeichen steht im Vordergrund, aber als Ganzes bilden die Schriften ein völlig eigen­stän­diges, leben­diges und charak­ter­volles Bild.

Daisy bei FontShop

Daisys ultra­fette Formen und die Feinheit ihrer Kurven wurden vom TDC mit einen Certificate of Excellence ausgezeichnet

Ich liebe auch die Schriften von Roger Excoffon. Sie sind expe­ri­men­tier­freu­diger und deut­li­cher, aber nicht weniger schön. Antique Olive beispiels­weise ist im Detail eine völlig schräge Schrift, und trotzdem funk­tio­niert sie hervor­ra­gend. Vendôme, die zusammen mit François Ganeau entstanden ist, hat mich schon immer wegen ihrer ausge­prägten und selbst­be­wussten Formen fasziniert.

Auch Gerard Ungers Schriften haben mich sehr beein­flusst. Ich mag die Klarheit und Sachlichkeit in seinen Entwürfen. Die Idee ist in Ungers Schriften stärker sichtbar. Und sie sind in gewisser Weise tech­ni­scher, auch in der Art, wie sie gezeichnet sind.
Und dann sind da noch Georg Saldens Schriften, die ich wunderbar finde. Seine Entwürfe sind nie modisch, aber immer origi­nell. Die Polo, die bereits 1972 entstanden ist und damals etwas völlig neues war, sieht auch heute noch herr­lich frisch und lebendig aus.

Es gibt viele wunder­bare Details, die jedoch nie in den Vordergrund drängen oder zur Dekoration verkommen. Viele heutigen Schriftentwürfe sind ohne die Polo nicht denkbar.

Daisy-LudwigType-Asterisk

LudwigType-Schriften bei FontShop

Augustin OT | 6 Fonts | 149 Euro

• Daisy OT | 2 Fonts | 69 Euro

• Helsinki OT | 14 fonts | 269 Euro

• Marat OT | 16 Fonts | 329 Euro

• Marat Sans Complete OT  | 27 Fonts | 499 Euro

• Marat Sans Small Pack 1 OT | 6 Fonts | 149 Euro

• Marat Sans Small Pack 2 OT | 10 Fonts | 229 Euro

• Marat Small Pack OT  | 6 Fonts | 149 Euro

• Einzelschnitte 39 Euro


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