Fraktur ist (auch) eine Nazi-Schrift

Wir Experten müssen Nachsicht üben, wenn Laien die gebro­chenen Schriften mit dem Dritten Reich in Verbindung bringen. Dieser Bezug ist nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Und er ist absolut richtig: die Nazis haben die Fraktur-Schriften über­höht und als die einzig »wahre deut­sche Schrift« propa­giert. Nur weil Martin Bormann 1941 ein Rundschreiben verfasste (»Normschrifterlass«), das die »soge­nannte goti­sche Schrift« als »Schwabacher Judenletter« brand­markte und verbot, können wir die Jahre davor nicht totschweigen. Von 1933 (natür­lich auch die Jahrzehnte davor) bis zum Januar 1941 waren die gebro­chenen Schriften in unserem Land die belieb­testen. Und wenn man mal davon ausgeht, dass in den 30 Jahren bedeu­tend mehr Propagandadrucksachen erstellt wurden als in den Kriegsjahren ab 1941, dann ist die große Masse der Nazi-Propaganda mit Frakturschriften gedruckt worden.

Falsch ist jedoch, eine Schrift, die seit dem 16. Jahrhundert die vorherr­schende Druckschrift im deutsch­spra­chigen Raum war, aufgrund ihrer Popularität in den Jahren 1933 bis 1941 als Nazi-Schrift zu bezeichnen.


65 Kommentare

  1. Benjamin Hickethier

    Wieder mal eine gute Gelegenheit für Diskussion und Austausch über Missbrauch, Besetzung und Benutzung von Kulturgütern durch die Propagandamaschinerie der Nazis. Und die Herausforderungen, die diese Konnotationen an uns heute stellen.
    Ein weiteres Beispiel, nicht sehr weit davon entfernt, sind die Runen, insbe­son­dere aus dem Futhark – von den Nationalsozialisten für sich bean­sprucht im Zusammenhang mit ihren germa­nisch-arisch-nordi­schen Hirngespinsten (Halluzinogenen) … und die aktu­ellen Auseinandersetzung um die Designs der Kleidungsmarke ›Thor Steinar‹, die sich explizit an die rechts­extreme Jugend wendet und dort auch den ›Fashiondesign-Nerv‹/Trend trifft (siehe Verfassungsschutz-Berichte).

    Das erste Logo der Marke bestand aus zwei Runen, die den latei­ni­schen Buchstaben T und S ähneln, letz­tere also dieje­nige, die auch das Zeichen der SS bildete. Dieses Logo wurde verboten, jetzt verwendet die Marke ein ›neutra­leres‹ Runen-artiges Logo, das einem Andreaskreuz ähnelt. Ich habe aller­dings selber erlebt, wie in einem Thor-Steinar-Geschäft der Verkäufer einem Kunden offen sagte, man könne ja bei den alten Kleidungsstücken auch das neue Logo abtrennen, das alte sei darunter.
    Nun stellt sich die Frage, ob man den Gebrauch von Runen grund­sätz­lich verbieten sollte, was natür­lich Käse ist, wie die Gerichtsentscheidung vor kurzem gegen den Betreiber des Nix-Gut-Versands wegen durch­ge­stri­chener Hakenkreuze zeigt.

    Was Frakturschriften betrifft, scheint mir die bessere Strategie in jedem Falle die ›Rückaneignung‹ der Fraktur- und ähnli­chen Familien zu sein, also die von Judith Schalansky propa­gierte ›Renaissance der Fraktur‹. Deshalb scheint mir die Verwendung von Fraktur in anti­fa­schis­ti­scher Gestaltung sehr ange­bracht. Eine ganze Kampagne zu entwerfen oder auch ein CI für eine Antifa-Gruppe mit Frakturschriften in all ihrer Schönheit, finde ich sehr reizvoll.

    Aber es gibt viel zu disku­tieren, also los!

  2. Benjamin Hickethier

    Außerdem:

    Und wenn man mal davon ausgeht, dass in den 30 Jahren bedeu­tend mehr Propagandadrucksachen erstellt wurden als in den Kriegsjahren ab 1941 …

    Genauso kann man natür­lich gegen die Bezeichnung von ›Fraktur‹ als ›Nazi-Schrift‹ argu­men­tieren, denn schließ­lich sind ja auch fast alle Bücher, die von den Nazis verbrannt wurden, komplett in Fraktur gesetzt. So wie auch nach 1945 aus Mangel an ›neuen Schriften‹ oder aus anderen Gründen teil­weise in Fraktur gesetzt wurde, auch in der SBZ.

    Und warum immer unter den Tisch fällt, dass es ja auch in anderen Ländern lange und ausführ­liche Traditionen der Frakturverwendung gibt (England z. B.), verstehe ich auch nicht.

  3. Harki

    Hm, die Fraktur, in der auf dem Bild das »Luftschutz!« gesetzt ist… Tschichold hat derglei­chen irgendwo als »Fraktur in Knobelbechern« bezeichnet, wenn ich mich recht erin­nere – sozu­sagen eine Grotesk-Fraktur, die wohl auch aus einem zumin­dest verwandten Formstreben entstanden ist wie die Bauhaus-Schriften: »härter, klarer, rapider, moderner«. So etwas sieht man auf Plakaten und auf Buchtiteln seit dem ersten Weltkrieg sehr häufig – über­pro­por­tional häufig in der Tat in rechts­dre­henden Druckerzeugnissen. (In Dieter Steffmanns Fonts findet man etwas ähnli­ches mit dem bezeich­nenden Namen »Tannenberg«.)

    Bezeichnenderweise ist das weder den Neonazis klar, die ihre CD-Cover und T-Shirts mit Fraktur beschriften, noch den Gutmenschen, die einen »asso­zia­tiven« Font für ihre volks­päd­ago­gi­schen »Gegen-Rechts«-Plakate brau­chen. Beide nehmen halt, was gerade zur Hand ist und irgendwie döitsch aussieht – also vorzugs­weise Fette Fraktur.

  4. Benjamin Hickethier

    ›Schaftstiefelfraktur‹, ich bin mir nicht sicher, ob dieser Ausdruck von HP Willberg stammt, aber insbe­son­dere die ›Tannenberg‹ ist eine solche.

    Noch was: die neue-alte Beschriftung einiger Berliner S-Bahnhöfe, u. a. des modernen Potsdamer Platzes – in einer 40er-Jahre-schei­nenden Fraktur… an einigen S-Bahnhof-Schildern (Wannsee) dagegen gibt es sogar lange s!

    Und von Peter Behrens z. B. gibt es sehr schöne Gegenentwürfe zu den kantigen Frakturen.

  5. Jürgen Siebert

    »Tannenberg« ist übri­gens keine Erfindung von Steffmann, sondern ein Remake: Es war eine der belieb­testen Nazi-Schriften … unter genau diesem Namen.

  6. Benjamin Hickethier

    Hiermit verweise ich noch mal schnell auf Albert Kapr, schließ­lich hat der ja auch schon vor langem und des öfteren seine Liebeserklärungen an die Fraktur, Kaprs amour, veröffentlicht.

  7. Harki

    Da gab es doch diese Schrift für die Weltausstellungskataloge vor dem Ersten Weltkrieg, die bewußt als Synthese zwischen Antiqua und Fraktur gedacht war, nicht?

  8. Jürgen Siebert

    Ich weiß nichts dazu.
    Muss jetzt ins Bett. Danke für Euer Interesse. ich verab­schiede mich mit einer Ansichtskarte aus dem Jahr 1938.

  9. Thierry Blancpain

    Auf typo​grafie​.info gab’s schon einige diskus­sionen zu eben diesem thema, auch im spezi­ellen zur tannen­berg … schrift im natio­nal­so­zia­lismus und eine sehr viel weiter gefasste diskus­sion zum thema. Insgesamt: in meinem alltag gibt’s nicht viele gebiete, in denen die fraktur passend wäre. sie ist für mich schwer lesbar, ich bin das lange s nicht geübt (bin auch jetzt wieder im titel­bild darüber gestol­pert.. waffen statt massen :)) – aber verteu­feln sollte man sie sicher nicht.

  10. Oliver Adam

    Obwohl viel­fach hier und anderswo beschworen :-), halte ich eine �?Renaissance im großen Stil der gebro­chenen Schriften, vor allem der Fraktur, für ganz ausge­schlossen. Das lässt sich marken­theo­re­tisch-psycho­lo­gisch begründen: Die Einzigartigkeit der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Verbrechen färbt auf die von den Protagonisten verwen­deten Symbole ab. Und Einstellungsobjekte – und nichts anderes sind Marken – lassen sich extrem schwer ändern. Beispiel Hakenkreuz: Auch dieses Symbol ist ja nur geklaut; es handelt sich um ein Jahrhunderte altes altin­di­sches Symbol für Glück, das vor der Nazi-Zeit zum Beispiel von einem kana­di­schen Eishockey-Team auf dem Trikot getragen wurde. Ein Bild, das uns extrem fremd erscheint. Das Hakenkreuz wird für uns für alle Zeit als »Markenzeichen« der NS-Zeit sein. Eine Einstellungsänderung ist hier nicht mehr möglich. Ähnlich verhält es sich mit den Schriften, mag die Wahrheit (»Judenlettern«) auch noch so anders sein.

    Mag sein, dass die gebro­chenen Schriften in Nischen der Jugenkultur (»anders als die Erwachsenen«) wieder vermehrt einge­setzt werden. Ich glaube, dass dieser Trend auch nicht von Deutschen ausgehen kann und sollte – so, wie auch Deutsche in Filmen keine Witze über Juden reißen können und sollten.

    In diesem Zusammenhang hier ein Web-Tipp einer ameri­ka­ni­schen Agentur namens DEUTSCH: http://​www​.deutsch​de​sign​.com/​i​n​d​e​x​2​.​h​tml. Das Logo wirkt für uns seltsam. Ich habe versucht, mit Barry Deutsch, dem Inhaber, Kontakt aufzu­nehmen, leider ohne Erfolg. Ich hätte gerne mehr erfahren darüber, wie man die gebro­chenen Schriften in »nicht belas­teten Ländern« heute auffasst …

  11. Jürgen Siebert

    Die gebro­chenen Schriften erleben gerade einen (inter­na­tio­nalen) Popularitätsschub. Und nur dieser kann sie vom Muff der 1930er Jahre befreien. Ralf Herrmanns flickr-Gruppe Blackletter Today beweist das:

  12. Benjamin Hickethier

    guten morgen jürgen und danke für diese schreck­liche postkarte.

    was oliver adams beitrag betrifft: ich denke, das hakenkreuz/swastika ist hierzulande/in europa für alle zeiten ausge­schlossen zu benutzen (es sei denn, durch­ge­stri­chen oder in einer müll­tonne etc.) und das ist auch gut so.

    bei ›den‹ ›fraktur‹-schriften, mit denen ja eben auch goti­sche, schwa­ba­cher und andere vermengt werden, ist es natür­lich viel komplexer. es ist ja nur das unwissen der ›gnade der späten geburt‹ das den reichtum und die viel­falt dieses kosmos, dieser kosmen auf die 12 jahre zwischen macht­über­nahme der nsdap und befreiung deutsch­lands durch die alli­ierten begrenzt. 

    zu aktu­ellen beispielen liessen sich natür­lich viele jugend­sub­kul­turen zitieren, insbe­son­dere in den usa, von skate­board-designs mit fetter fraktur etc. bis motör­head (oder sind die britisch?)… viel gekonnter und hervor­he­bens­werter natür­lich under­wares fakir oder auch die expe­ri­mente, die hugo caval­heiro d’alte mit ›black­letter‹ macht (www​.xbold​.com leider z.zt. nicht zugänglich).

    auch hier wieder ein ›hier­zu­lande‹: wie yvonne schwemer-scheddin richtig sagt, begegnet man der fraktur in deutsch­land eben über­wie­gend im zusam­men­hang mit alkohol.

    und zur gewöhnung/lesbarkeit: ist eben eine frage der gewöh­nung und wenn man öfter fraktur sehen würde, würde man sie auch besser lesen können.

  13. Atli Seelow

    Ich denke, daß die Gleichsetzung von Frakturschriften mit dem Nationalsozialismus eine Vereinfachung ist, die v.a. durch unser heutiges Bild des Nationalsozialismus und durch die Benutzung rechter und neona­zis­ti­scher Gruppen geprägt ist.
    Es wird dabei über­sehen, daß sich das natio­nal­so­zia­lis­ti­sche Regime für Propaganda oder Wirtschaftswerbung manchmal auch den modernsten Gestaltungsmitteln seiner Zeit bediente — bis hin zu ehema­ligen Bauhäuslern, wie Herbert Bayer, die für das Regime Propaganda mit geome­tri­schen Groteskschriften und Fotocollagen entwarfen, obwohl heute niemand auf die Idee käme, dies als Nazi-Gestaltung zu bezeichnen.
    Zu diesem Thema gab es 1991 im Bauhaus-Archiv ein Kolloquium, dessen Katalog (Nerdinger (Hg.), Bauhaus-Moderne im Nationalsozialismus – Zwischen Anbiederung und Verfolgung) einige Vorurteile zurechtrückt.

  14. Benjamin Hickethier

    der spd-agentur einfach noch mal ’nen fontshop-katalog mit einem lesezeichen bei justs ff brokenscript zuschicken:

    http://i104.photobucket.com/albums/m178/benjaminhick/brokenscript2.png

  15. Florian

    @Benjamin: Sorry, aber in Fraktur musst Du ß setzen! Aber sonst: :) Rassismus ist eine schat­tige Angelegenheit, jaja …

    Ich denke, Fraktur wird heute deswegen mit dem Dritten Reich in Verbindung gebracht, weil das Ende der allge­meinen Verwendung dieser Schriften mit dem Ende des NS zusam­men­fällt. Also nicht, weil die Nazis sie verwen­deten, sondern weil sie in den Jahren danach kaum noch einge­setzt wurde. Meint ihr, das wäre sowieso, ohne NS und Krieg, geschehen? Ich weiß, eine sehr theo­re­ti­sche Frage – aber wie lief es denn z.B. in der Schweiz? Wurde da bis in die 40er Jahre auch Fraktur gesetzt; und erfolgte dort die Ablösung durch Antiqua aus Abneigung gegen­über dem national-deut­schen Charakter, oder eher wegen der ästhe­tisch-formalen Überholtheit?

    Ich meine: keiner verbindet heute die Formen des VW Käfer mit dem NS, obwohl der zunächst (genauso propa­gen­da­ver­seucht wie Schaftstiefel-Plakate) als »Kraft durch Freude«-Wagen auf die Welt kam. Und zwar deswegen, weil er nach dem Krieg einfach weiter produ­ziert wurde und heute sogar eher für das fried­lich-boomende Nachkriegs-Deutschland (oder gar Mexiko!) steht.

  16. Benjamin Hickethier

    natür­lich, wie blöd von mir. die neue recht­schrei­bung hat mich wohl verwirrt – denn wenn ›haß‹ jetzt ›hass‹ geschrieben wird, benutzt man dann in der fraktur das ß (was ja wirk­lich nur die ligatur von langem s und schluß-s ist, obwohl das ja auch noch nicht so ganz geklärt ist, nach will­berg) oder doch etwa zwei s? oder langes s und schluß-s nicht-ligiert? gibt es im duden eigent­lich fraktur-anwendungsregeln?

    jeden­falls habe ich’s korrigiert

  17. Florian

    gibt es im duden eigent­lich fraktur-anwendungsregeln?

    Oja! (Wusste ich bisher auch nicht … :)»Das nach der Neuregelung der Rechtschreibung häufiger zu schrei­bende Doppel-s im Auslaut sollte im Fraktursatz aus ästhe­ti­schen Gründen mit ſs wieder­ge­geben werden.« [Duden, 22. Ausg.]Du hattest also – nach Duden – voll­kommen Recht, ich entschul­dige mich! Am Beispiel der Brokenscript sieht man aber sofort, dass es – wie Du eh erwähnt hast – mit der Herkunft des ß nicht so eindeutig ist, und bei Frakturschriften die Bestandteile der Ligatur wohl eher lang-s plus z (mit Unterschlinge) sind.
    Also, ich find’s jetzt schöner, vgl. z in Toleranz. :)@phl: Sehr gut, danke! (Die sympa­thi­sche »Gemeinschaft zur unpo­li­ti­schen Reintegration Gebrochener Schriften« beherrscht das lang-s übri­gens auch nicht)

  18. Benjamin Hickethier

    na also, dann hat uns allen das SPD-plakat von dem diese blog­dis­kus­sion ausging, ja doch etwas gebracht: die kenntnis der duden-frak­tur­regel über die auslaut-ästhetik – die gleich­zeitig die recht­schreib­re­form konter­ka­riert. vielen dank für diese infor­ma­tion, florian!

  19. Florian

    :)
    Noch mehr? »Für Antiqua-s im Auslaut einer Silbe steht Schluss-s. Dasselbe gilt für -sk in bestimmten Fremdwörtern [brüsk, grotesk (sic!), Obelisk]. In skan­di­na­vi­schen Personennamen, die auf -ſen oder -ſon enden, wird der voran­ge­hende s-Laut mit Schluss-s gesetzt.«
    Gut, dies gere­gelt zu wissen.

  20. Manja

    Mein Sohn (15 Jahre) beschäf­tigt sich seit Jahren mit Graffiti und bewegt sich in der Skateboard-Szene. Für seine Freunde wollte er ein T-Shirt entwerfen und fragte mit nach einer Frakturschrift, die er verwenden wollte. Ich habe ihm davon abge­raten, da zu viele Menschen noch immer die Franktur als Nazi-Schrift einordnen würden. Wenn er mit solch einem T-Shirt in der Schule auftau­chen würde, dann hättte ich mit einem Anruf der Schulleitung rechnen müssen. An diesem Beispiel kann man gut sehen, dass die Jugendlichen die Verwendung der Fraktur nicht mehr als Nazi-Schrift einordnen.

  21. robertmichael

    ich glaube nicht das der schul­di­rektor bei euch ange­rufen hätte nur weil dein sohne­mann ein t-shirt mit einer fraktur trägt. oder heisst seine graf­fiti- und skater-crew »SOULSKATE 88« welche er dann mit SS 88 abge­kürzt hätte? oder geht dein sohn auf eine waldorfschule?

    fraktur sieht man heut­zu­tage sehr oft in der ›jugend­kultur‹ seien es rapper, die ihren namen in frak­tur­buch­staben als gold­kette tragen oder auch als täto­wie­rung auf dem bauch. auch diverse plat­ten­cover werden mit fraktur verziehrt. auf den anruf von dem direktor hätte ich gern gewartet.

    fraktur ist nicht gleich fraktur. mein bäcker ist bestimmt kein nazi und trotzdm hat er seinen firmen­namen in der »fette fraktur« über dem laden hängen. klar, wenn ich einen glatz­köp­figen jugend­li­chen sehe der sich »HASS« auf seine finger täto­wiert hat und dazu ein t-shirt mit den propa­gan­da­frak­turen goten­burg, tannen­berg oder potsdam trägt ist das schon was anderes. aber es gibt auch leute die damit nur provo­zieren bzw. irgend­etwas asso­zi­ieren wollen. ein schönes beispiel ist marilyn manson, der will nicht nur mit seinem namen provo­zieren sondern auch mit seinem logo:

    ihn deshalb als nazi zu bezei­chen wäre sicher­lich genau so falsch wie ihn als blut trin­kenden und tiere opfernden anhänger von charles manson zu bezeichnen. die schrift weckt nur ideen, dass bild dazu musst du dir selbst machen.

  22. HD Schellnack

    Kurz mein Senf:
    Die Fraktur ist einfach unzeitgemäß.
    Historisch vergiftet. 

    Und ich kann sie als Rap-Trandtypo schon JETZT nicht mehr sehen. Das soll diffus provo­zieren oder scho­cken und lang­weilt doch nur. Es war cool als Bernhard Sumner von New Order den Bundeswehradler als Shirt trug, aber… das war 1982 oder so. Alles klar? Been there, done that. 

    Die Fraktur ist ein öder Rückgriff, Ausdruck von Orientierungslosigkeit, unter­streicht, wie wir im Design das Vorwärtsschauen vergessen haben.

  23. Manja

    Ich sehe die Fraktur natür­lich häufig auf CD-Covern der Rapper. In seiner Schule (eine normale Gesamtschule) gab es vor einiger Zeit Probleme mit rechts­ra­di­kalen Jugendlichen, daher ist alles, was nur annä­hernd daran erin­nert, verboten. Es gibt in der Schulordnung eine Liste, auf der sogar bestimmte Marken aufge­führt sind. Da sich viele Lehrer nicht mit Typographie-Geschichte auskennen, macht es das Leben für die Jugendlichen nicht einfacher.

  24. franz

    Die Fraktur ist einfach unzeitgemäß.
    Historisch vergiftet.

    Das mußte mal gesagt werden. Ich sehe das genauso.
    Und die Verwendung von Fraktur als „provo­ka­tives“ Element ist so lahm und selbst schon so alt, daß ich mir das nur unter dem Stichwort „Retro“ erklären kann. Funktioniert als Marketing-Element, um vorzugs­weise Musik aller Stilrichtungen, die sich irgendwie einen subkul­tu­rellen Anstrich gibt, an die Kauferschaft zu tragen, aller­dings nach wie vor hervor­ra­gend. Und lang­weilt dabei.

    Die Fraktur ist ein öder Rückgriff, Ausdruck von Orientierungslosigkeit, unter­streicht, wie wir im Design das Vorwärtsschauen vergessen haben. 

    Auch d’accord.

  25. poms

    Wenn man Hitler mit Nationalsozialismus gleich­setzt, was man eigent­lich kann, dann hat der NS Frakturschriften nur eine gewisse Zeit geduldet – Er bevor­zugte, auch aus ästhe­ti­schen Gründen, Antiqua und Groteskschriften. 

    Wenn NS, dann sollte man viel­leicht eher an Trajan Pro als an Unger Fraktur denken :). Habt ihr mal das Speer-Modell von Germania gesehen – »dem« Berlin nach dem Endsieg, denkt da jemand an Fraktur?

    Übrigens, es heisst Schaftstiefelgrotesk und die »Werbeschrift« Tannenberg ist super :)

  26. robertmichael

    @ manja, ohh die liste würde mich mal inter­es­sieren. viel­leicht sollte man die lehrer mal aufklären bevor man versucht die schüler aufzu­klären, die wissen letzt­end­lich eh besser welches shirt ‚rechts‘ oder ‚links‘ ist.

    @ hd,
    sehe ich nicht so, ich finde die fraktur hat in gewissen berei­chen ihre berech­ti­gung. als provo­ka­tion scheint sie noch immer zu funk­tio­nieren, egl ob bei der bild, bei der spd, bei manson oder im grafik­de­sign. bei letzten ist es aller­dings meis­tens ein kläg­li­cher versuch um hip zu sein oder aufzufallen.

  27. HD Schellnack

    >ich finde die fraktur hat in gewissen berei­chen ihre berechtigung.
    Wo? 

    >als provo­ka­tion scheint sie noch immer zu funktionieren
    Nein, als Klischee. Als Seite-Drei-Mädchen der Geschichtsschreibung.
    Spiekermanns Helvetica-Shirt war seiner­zeit noch lustig, aber seitdem ists doch gesagt und getan und man kann weitermachen.

    >ein kläg­li­cher versuch um hip zu sein
    Eben. Man sollte mal versu­chen, mit der Helvetica aufzu­fallen :-D. Das erfor­dert mehr Arbeit.

  28. robertmichael

    wo?
    überall dort wo man urige, rusti­kale, alte, histo­ri­sche dinge vermit­teln will und überall dort wo man sie jetzt noch sieht: biere­ti­ketten, zeitungs­köpfe, usw.
    klar, voll klischee. find ich aber nicht schlimm, wir asso­zi­ieren ja alle etwas mit gewissen schrift­arten. von mir aus könnte es mehr gute fraktur geben, mehr fakir, mehr house­pla­kate eben mehr gute anwendungen.
    man muss sich halt nur lösen von diesen »ich mach mal fette fraktur um zu provo­zieren« es sollte mehr lesbare frak­turen von mir aus ohne langem s usw. geben. zeit­ge­mäßer. das fänd ich schon ziem­lich abge­fahren und frisch.
    das beispiel von under­ware finde ich hübsch:
    http://​www​.under​ware​.nl/​s​i​t​e​2​/​i​n​d​e​x​.​p​h​p​3​?​i​d​1​=​f​o​n​t​s​_​i​n​_​u​s​e​&​&​s​t​a​r​t​=​0​&​f​i​n​d​m​e​=​&​s​h​o​w​t​h​i​s​=​1​&​z​o​o​m​=​1​#​p​i​c​t​l​o​a​der

    außerdem glaube ich das die fraktur nur in deutsch­land mit dem 3. reich in verbin­dung gebracht wird, in england usw. ist das sicher nicht so. gene­rell die frak­turen zu verur­teilen wie das anscheind einige lehrer tun find ich halt totalen quatsch, dann könnte ich auch alle western fonts verbieten weil die cowboys den india­nern das land wegge­nommen haben.

    kennt ihr eigent­lich die ‚ballade‘? eine gebro­chene schrift von … paul renner.
    tja.

  29. franz

    ja, überall wo man urige, rusti­kale, alte, usw. dinge vermit­teln will und dafür fraktur verwendet, werden einfach klischees und erwar­tungen bedient, das macht die kneipe an der ecke auch. Gestaltung, die im hier und jetzt vonstatten geht und nach vorne sieht, stelle ich mir anders vor als knei­pen­schilder oder biere­ti­ketten. Gerade bei biere­ti­ketten will ich aber auch nichts sagen, die sind schon lange so und das hat seine berechtigung.
    Fakir ist was anderes, das ist ein moderner, heutiger und eben auch zeit­ge­mäßer ansatz.
    Tanneberg, National, usw. sind einfach obszö­ni­täten, die derart den „Geist der Zeit“ atmen, dass zumin­dest ich diese schriften nicht einfach unter rein ästhe­ti­schen gesichts­punkten sehen kann und will und ich mir beim besten willen nicht vorstellen kann, sie heute zu verwenden. Warum auch.
    Renners Ballade ist eine andere Liga, der Mann mußte auch leben, und nicht von unge­fähr ist die Ballade der Versuch einer möglichst großen annä­he­rung von fraktur und antiqua. Fraktur ist eben NICHT gleich fraktur. Im übrigen hat sich Renner zu seiner sicht der dinge in sachen fraktur in seinen büchern geäu­ßert und im großen und ganzen, soweit wie es die zeit­um­stände eben zuließen, für die antiqua argumentiert.

  30. robertmichael

    dier fakir selbst ist ja nicht sooo modern von der form her ähnelt sie stark der wiking von tren­nert & sohn. (und auch hier wieder, sieht nach nazi­schrift aus ist aber um 1926 entstanden) modern an der fakir selbst ist nur ihre anwen­dungen in zeit­ge­mäßer umge­bung. ich kann mir die fakir auch gut auf biere­ti­ketten oder auf knei­pen­schil­dern vorstellen mit den passenden farben und nicht in umbra, braun, rot oder schwarz.

  31. judith schalansky

    Es gab Ende des 19. Jahrhunderts allerlei Bemühungen die gebro­chenen Schriften der neuen Zeit anzu­passen, die in den 30er Jahren schließ­lich formal konse­quent zu jenen schlichten Gotischen führten, die wir heute als ›die Nazischriften‹ verstehen. Dabei ging es vor allem darum, sie ›zeit­ge­mäßer‹ zu gestalten, die modernen Tendenzen und die Antiqua-Formen mit den, doch auch als ›deutsch‹ verstan­denen, gebro­chenen Schriften zu vereinen: Beispielsweise Peter Behrens, dessen ›Behrens-Schrift‹ von 1901 eine sehr schöne Fraktur-Antiqua-Synthese ist, und der zusammen mit Anna Simons auch die Reichstagswidmung »Dem deut­schen Volke« entwarf, die ja auch leicht gebro­chene Formen aufweist (wobei sie – genau genommen – eher unzial anmuten).
    Eine typi­sche ›Schaftstiefelgrotesk‹ ist die ›Element‹ von Max Bittrof aus dem Jahre 1933, die bei der Beschilderung der Berliner Nord-Süd-S-Bahn verwendet wurde (1936 recht­zeitig zu den Olympischen Spielen fertig gestellt). Gleichzeitig entstand aber auch die gran­diose, und wirk­lich moderne ›Gotika‹ von Imre Reiner (2005 als ›Blackleather‹ von Canada Type heraus­ge­bracht http://​www​.cana​da​type​.com/​s​h​o​w​f​o​n​t​.​p​h​p​?​i​d​=73). Man darf nicht vergessen, dass die klas­si­sche Moderne, mit ihren abstrakten und avant­gar­dis­ti­schen Tendenzen, durchaus dem Totalitarismus jegli­cher Couleur verhaftet war. Gerade an den tota­li­täre Zügen der Ur-›Futura‹ ist das schön nach­zu­voll­ziehen (die ja Hitler nicht ohnehin lieber mochte, als die alten Gotischen, die er von den – er benutzt tatsäch­lich dieses Wort – »Ewiggestrigen« gehät­schelt sah). So einfach ist eben mit der Nazi-Ästhetik nicht. Es ist die Leni-Riefenstahl-Falle, in die man auch immer wieder tappt, wenn es um die gebro­chenen Schriften der 30er Jahre geht …
    Ich glaube, dass der gegen­wär­tigen Hype – ob nun die unbe­hol­fene Provokation oder der subver­sive Trend – uns viele zeit­ge­mäße, gebro­chene Schriften (hoffent­lich auch mal welche für den Mengensatz) bescheren wird, die zeigen, dass die gebro­chenen Schriften jenseits von den ideo­lo­gi­schen Ballast FORMAL reiz­voll und heutig sein können.

  32. franz

    Ist ja alles gut und schön, aller­dings machst du mit dem Hinweis, dass Hitler die Futura mochte, denselben Fehler, den du der „contra-Fraktur“-Fraktion vorwirfst („Nazis haben Fraktur verwendet, darum ist sie eine Nazi-Schrift“ – nur weil Göring alte Meister mochte, ist Rembrandt ja auch kein Nazi-Maler!). Und was an der Futura tota­litär sein soll, bleibt mir verschlossen. Es ist letzt­end­lich auch egal, wer was mochte oder nicht, die Haltung der Nazis hat sich ja zwischen­zeit­lich dazu auch geän­dert (Bormann-Erlaß).

    Fest steht meiner Meinung nach jedoch, dass erstens weite Teile der Bevölkerung, der „Normalbetrachter“ eben, solche Fraktur- und vor allem „Schaftstiefelgrotesk“- Schriften irgendwie diffus mit Begriffen wie altdeutsch, extrem konser­vativ und eben auch Nazismus verbinden. Das wird auch dadurch nicht anders, dass die Berufenen darauf bestehen, dass diese Assoziation so nicht wirk­lich stimmt (womit sie recht haben). Sie ist einfach auf der Rezipientenseite, wie HD Schellnack so schön gesagt hat, „histo­risch vergiftet“, da können sich dieje­nigen, die sie gerne wieder verwendet sehen, auf den Kopf stellen.

    Zweitens ist die Fraktur schon so lange aus dem öffent­li­chen Lesebewußtsein verschwunden, dass ich einfach nicht verstehe, warum um alles in der Welt man jetzt versu­chen muß, sie zu reani­mieren. Das sieht für mich, mit verlaub, nach desori­en­tie­rung, zukunfts­angst, orien­tie­rungs­lo­sig­keit aus. oder nach dem warten auf das „next big thing“, das man in erman­ge­lung neuer ideen aus längst einge­mot­teten recycelt.

    Dass so sachen wie fakir ganz inter­es­sant und zeit­gemäß (dieser zeit gemäß, s.o.) sind, stellt auch niemand in abrede, das hat seine berech­ti­gung, aber fraktur als Mengensatzschrift auf breiter ebene einge­setzt, sehe ich nicht. Und ich bin froh drum.

  33. robertmichael

    fraktur im mengen­satz kommt natür­lich auf die fraktur an, in wie weit ist diese gut lesbar.
    warum sollte die fraktur kein revival erleben? das verges­sene dinge neu aufge­legt werden gibts doch in allen berei­chen heut­zu­tage. mode, autos …

    bei den western fonts regt sich ja auch keiner auf.
    wie gesagt die fakir selbst ist nicht so zeit­gemäß sondern nur ihre anwen­dung und ggf. das fehlende lange s. von mir aus gern mehr. klar, die riefen­stahl-falle (schön gesagt, judith) ggf. sollte man die leute aufklären das fraktur nicht gleich nazi-fraktur ist aber in in paar jahren erle­digt sich das von allein, dann ist eine andere gene­ra­tion da und für die wird die fraktur nur eine »alte schrift« sein.

  34. judith schalansky

    Ich habe von den tota­li­tären Zügen der Futura gespro­chen, und nicht behauptet, sie wäre eine Nazi-Schrift (auch wenn sie tatsäch­lich auch gerne verwendet wurde: z. B. für die besagten Olympischen Spiele). Die Frage ist doch, inwie­fern eine Schrift ›mißbraucht‹ werden kann. Die Futura hat alles über­lebt, die gebro­chenen nicht, weil sie – zusammen mit allem, was als ›deutsch‹ verstanden wurde – in der Nachkriegszeit verdrängt wurde, und in den oben aufge­führten Nischen ihr seltsam untotes Dasein fris­teten. (Im Übrigen war das in der DDR anders, wo es vergleichs­weise viele Bücher in Fraktur und Schwabacher gab, aller­dings aus einem tradi­ti­ons­ver­haf­teten, biblio­philen Bleisetzerbewusstsein heraus).

    Und weil sie nicht als Verkehrsschrift genutzt wurde, konnte sie eben mit neuen Bedeutungen – gänz­lich wider­sprüch­li­chen – aufge­laden werden. Dass die Rechnung Fraktur=Nazi nicht aufgeht, zeigt doch schon allein, dass sie als sowohl als heimelig-gemüt­lich als auch als brutal-provo­kant verstanden wird. Die Fraktur wird als exotisch verstanden, sie wird nicht gelesen, funk­tio­niert nicht mehr als Schrift, sondern nur noch als Zeichen. Daher kommen diese selt­samen feti­schi­sierten Anwendungen im Display-Bereich. Wenn sie aller­dings wieder verein­zelt für Bücher – verein­zelt, nicht auf »breiter Ebene« – statt für T-Shirts (und es gibt dafür einige groß­ar­tige, bezwin­gende, zeit­ge­mäße Beispiele: Derridas Meine Chancen von Brinkmann&Bose zum Beispiel) verwendet wird, verschwindet auch dieses selt­same und mißver­ständ­liche Zombie-Dasein der gebro­chenen Buchstaben.

  35. Atli Seelow

    @ judith schal­ansky: Daß die klas­si­sche Moderne dem Totalitarismus jegli­cher Couleur verhaftet war, kann man so nicht stehen­lassen. Dies trifft allen­falls teil­weise auf die Konstruktivisten in der Sowjetunion oder die Futuristen in Italien zu.
    Um bei dem Beispiel Paul Renners zu bleiben, darf man nicht vergessen, daß er Werkbund-Mitglied war, in seinem 1932 erschienen Buch »Kulturbolschewismus« die Kulturpolitik der Nationalsozialisten heftig kriti­sierte und bereits 1933 von den Nazis als Direktor der Meisterschule für Buchdruck in München entlassen wurde.
    Ähnliches läßt sich über viele Mitglieder des Bauhauses oder andere Protagonisten der Moderne sagen, die — verein­facht gesagt — mehr­heit­lich gemä­ßigt links waren und gerade zu wenigen in der Weimarer Republik gehörten, die diese unter­stützt haben — das Bauhaus in Dessau gab es dank des sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Bürgermeisters Hesse. 

    Daß die »Kulturpolitik« der Nationalsozialisten zwar nicht homogen war, – wie es in der wissen­schaft­li­chen Literatur darge­stellt wird – vier oder fünf unter­schied­liche Kulturströmungen umfaßte und sich in Teilbereichen, wie der Propaganda auch der modernsten Methoden bediente (Volksempfänger, Riefenstahl etc.) darf nicht darüber hinweg­täu­schen, daß sie dennoch auf einer mörde­ri­sche »Blut-und-Boden« Ideologie basierte.

    Ob man deshalb Frakturschriften wie Richard-Wagner-Opern als histo­risch »verseucht« ansehen muß, ist eine andere Frage. Einerseits macht man es sich ziem­lich leicht wenn man das tut, die poli­ti­sche Auseinandersetzung ist viel wich­tiger und wir akzep­tieren ja auch andere Produkte dieser Zeit (Autobahnen, Kindergeld etc.). Andererseits ist der »Flirt mit dem Verbotenen« unnö­tiges Schreibtisch-Abenteurertum.

  36. franz

    Hallo Judith,
    ich wollte dir auch nicht unter­stellen, du hättest die Futura als Nazischrift bezeichnet (das wäre nun auch wirk­lich unsinnig, wie ich mit dem Göring-Rembrandt-Zusammenhang zum Ausdruck bringen wollte), sondern nur, dass die Vorliebe Hitlers für die Futura diese genau­so­wenig zur Nazischrift macht wie die allge­meine Verwendung der Fraktur (bis Bormann) DIE, d.h. alle Frakturschriften zu Nazischriften macht. Ausnahme für mich sind ist z.B. National, Element, Tannenberg, das sind Nazischriften und sind auch so beworben worden (á la „Schrift der neuen Zeit“ usw.)
    Das Problem ist, wie du selbst sagst, dass die Fraktur „nicht über­lebt“ hat, und sie so wahr­ge­nommen wird, wie ich oben beschrieben habe. Das Argument, dass sie sowohl „heimelig-gemüt­lich“ wie auch als „brutal-provo­kant“ (provo­kant eben durch ihre Verwendung 33-43)gesehen wird, funk­tio­niert für mich nicht: In diesem Kontext ist es von heimelig-gemüt­lich bis zur Sicherheit in der Volksgemeinschaft und sons­tigem völki­schen Krempel eben nicht weit. Eine Walbaum (Antiqua – nicht -Fraktur!) beispiels­weise, die ja auch gerne als heimelig-gemüt­voll beschrieben wird, kommt eben gar nicht in dieses Fahrwasser und damit in diesen Verdacht, da käme einfach niemand auf die Idee, diesen Zusammenhang herzu­stellen, bei der Fraktur aber eben schon.
    Und eben dieser „Generalverdacht“ ist der Unterschied und macht die „histo­ri­sche Vergiftung“ aus.
    Gegen eine verein­zelte Verwendung mit Sinn, Verstand und Idee habe ich gar nichts, im Gegenteil, die Verwendung für den Derrida-Band halte ich für einen mittel­schwer-genialen Schachzug im Kontext Dekonstruktivismus, Postmoderne, etc. ABER eben in diesem spezi­ellen Kontext. Auf breiter Ebene, für irgend­welche Inhalte, sehe ich weder Chance und Notwendigkeit, noch Sinn und Verstand.

    P.S. Richtig, unter den Nazis hat es auch moderne, rich­tungs­wei­sende Gestaltung gegeben, siehe die Zeitschrift „Neue Linie“ zum Beispiel, man hat schon verstanden, dass man für verschie­dene Zielgruppen verschie­dene Töne anschlagen muß.

  37. Harki

    daß sie dennoch auf einer mörde­ri­sche »Blut-und-Boden« Ideologie basierte

    [Wie forma­tiert man hier eigent­lich als Zitat, also mit Sternchen] mit: ‹block­quote› Zitat ‹block­quote›
    Aber wo ist der Gegensatz zwischen Moderne und der „mörde­ri­schen Blut-und-Boden-Ideologie“? Letztere ist schon inso­fern modern, als sie vor Ende des 19. Jahrhunderts undenkbar gewesen wäre – alle euro­päi­schen Faschismen (viel­leicht mit Ausnahme des rumä­ni­schen) sind städ­ti­sche, „moderne“ Bewegungen, auch der deut­sche, trotz seiner (im roma­ni­schen Faschismus undenk­baren) Tendenz zu Idylle, zum Heimeligen. Umgekehrt war das Weltbild der meisten Männer des 20. Juli (gerade das der Köpfe der Verschwörung) bekannt­lich durchaus reak­tionär – und auch die Weiße Rose hatte eine rechten, „elitären“, anti-modernen Zug.

    Wenn übri­gens Le Corbusier am liebsten ganz Paris platt­ge­macht hätte, um es nach eigenem Gutdünken wieder­auf­bauen zu können, scheint mir das auch schon tota­litär genug, auch wenn es keinen direkten Konnex zu einem Faschismus oder zum Bolschewismus gibt.

  38. HD Schellnack

    Die Futura ist ja eben auch «geschmack­lich» irgendwo veran­kert (eben in der Bauhaus-Sachlichkeit), ebenso wie ja auch die Helvetica ihren «Klang» hat (Neosachlichkeit) udn bei der Fraktur ist’s eben der Faschismus. Dass das histo­ri­scher Quatsch ist und die Verwendung der Schwabacher in Drucksachen der Nationalsozialisten ein schöner histroi­scher Gag ist, geht es im Kern darum, daß die Nazis sehr erfolg­reich ein Corporate Design umge­setzt haben, das als Marke bis heute griffig und eben inso­fern klischee­artig funk­tio­niert. Neben der katho­li­schen Kirche hat hat bisher keine reli­giöse-poli­ti­sche Bewegung derart erfolg­reich eine umfas­sende Ikonographie in den Köpfen der Leute veran­kert. Wobei die Kirche «nur» das Kreuzund ein paar visu­elle Symbole hat, der Faschismus aber eine ganze Klaviatur an Bildsprache, Typographie, Farbkombinationen (man denke an das beliebte letzte braun­rot­weiß­schwarze Wahlkampfplakat der SPD), Klang und so weiter. Hitler und Goebbels bleiben Mami und Papi des Corporate Designs, und genau deshalb soltle man bei CD immer seeeeehr sehr gegen alle tota­li­tären Trends ankämpfen und den Otl-Humanismus immer schön fest in der Hosentasche dabei haben. 

    Ich bin mir übri­gens sicher, ein Gutteil der Nazi-Ikonographie wäre längst vergessen, wenn es nicht via Hollywood einge­brannt wäre.

  39. Benjamin Hickethier

    … noch eine späte Ergänzung: auf einer Israel-Karte, die bei mir an der Wand hängt, sind histo­ri­sche Orte eben­falls in Fraktur gesetzt worden. die Karte ist die offi­zi­elle »touring map« vom israe­li­schen Fremdenverkehrsamt – und soweit ich weiss, auch keine ›special edition‹ für Deutsche, zur besseren Orientierung.
    http://​www​.diediebe​.be/​j​e​r​u​s​a​l​e​m​.​jpg

    Man darf nicht vergessen, dass die klas­si­sche Moderne, mit ihren abstrakten und avant­gar­dis­ti­schen Tendenzen, durchaus dem Totalitarismus jegli­cher Couleur verhaftet war. 

    Auf dieses Zitat wurde schon zahl­reich berech­tigt einge­gangen, trotzdem möchte ich mich auch der Kritik anschließen, um es nicht so stehen zu lassen. Es kommt schließ­lich von der aktu­ellen ›Fachfrau‹ für Frakturfragen – trotzdem ist es mir uner­klär­lich, wie man so etwas so schreiben und meinen kann: Beziehungsweise, wie man in einen verhält­nis­mäßig so kurzen Satz so viele pauscha­li­sie­rende Zusammenfassungen und Verkürzungen so wider­sprüch­li­cher Aussagen packen kann (und es schafft, den Satz dann noch zusam­men­zu­schnüren). ›Die‹ ›klas­si­sche‹ ›Moderne‹ […] ›ihre‹ ›abstrakte‹ und ›avant­gar­dis­ti­sche‹ womög­lich noch ›abstrakte und avant­gar­dis­ti­sche‹ Tendenzen,
    […] der ›Totalitarismus jegli­cher Couleur‹ …
    Klingt, als würde es aus dem ›Schnellkurs Kunstgeschichte‹ stammen.
    Und letz­teres, also wenn das so aussieht, dann sollten wir wohl hier auch noch eine Totalitarismusdiskussion vom Zaun brechen. Hannah Arendt hat ja schließ­lich auch gerade Jubiläum gehabt.
    (Aber, um mal auf der Verkürzungsebene vom Schnellkurs Kunstgeschichte zu bleiben,
    ›Bauhaus = Stalinismus‹ stimmt einfach nicht. Ganz abge­sehen davon, dass es natür­lich Käse ist, von ›dem Bauhaus‹ zu spre­chen, s.o.)

    Naja, HD, und wie Deine Formulierung mit Hitler und Goebbels und Mami und Papi und ›Corporate‹ Design zu verstehen ist, kannst Du ja, wenn Du mal mehr Zeit hast, auch gerne noch ausführen. So unge­fähr weiß man ja, was Du sagen willst, aber ›so‹ klingt es erstens haar­sträu­bend und kann man es zwei­tens auch inhalt­lich nicht stehen lassen.

  40. MiSc

    Die Fraktur lebt, Bruder!

    Schließlich hat sie die gewal­tige PR-Maschine des US-Hip-Hop wieder auf Plattencover gebracht: nach 50 Cent kommt auch das neue Snoop Dogg Album mit Fraktur daher. Und wir wissen ja, dass sich deren Texte so was von gar nicht um Nationalsozialismus drehen.

    Links:
    http://​www​.snoop​dogg​.com/
    http://​www​.50cent​.com
    U.S.W.

  41. m.t.w.

    ich kann von mir sagen das ich seit über 15 jahren links­po­li­tisch einzu­ordnen bin.
    was mir, nun wo ich eure beiträge gelesen habe, ein biss­chen auf den zeiger geht ist die menta­lität einiger schrei­ber­linge hier im bezug auf die fraktur!
    wenn von histo­risch vergiftet etc. die rede ist frage ich mich ob sich diese leute nicht hyper­in­tel­lek­tuell im detail­ge­schwafel verlieren….
    versteht mich bitte nicht falsch!
    ich bin schwul, in einem künst­le­ri­schen beruf tätig,und schon aus diesem grund der festen über­zeu­gung das sich dieser teil der geschichte auf keinen fall wieder­holen darf!
    bloß sollte nicht alles was von den nazis miss­braucht /geklaut wurde verteu­felt werden. es geht hierbei auch um kultur­his­to­ri­sches design.
    die fraktur wurde ja schließ­lich nicht für nazis entwi­ckelt und es würde ja auch niemand auf die idee kommen in hindu­is­ti­schen ganesha-abbil­dungen das sonnenrad(hakenkreuz) in frage stellen…
    der meiner meinung nach viel wich­ti­gere punkt, der wahr­schein­lich in verges­sen­heit geraten ist ist doch der das wir alles daran­setzen sollten die heran­wach­senden darüber aufzu­klären das solche symbo­liken bzw schrift­arten miss­braucht wurden/werden, sie selbst aber als solches nicht anzu­pran­gern seinen.
    jemand der den mund aufreißt und oben genanntes verbieten will hat genau das selbige dikta­to­ri­sche poten­tial, den er geht davon aus das seine ansicht die rich­tige ist……………………

  42. kurt

    Genau!
    Das kommu­nis­ti­sche Manifest wurde auch in Fraktur gesetzt.
    Und ansonsten ist für mich immer Vorsicht geboten, wenn Künstler über Politik reden. (in diesem Fall zähle ich Leute aus der Design-Branche dazu). Da ist zu oft zuviel „Bauch“ im Spiel.
    Es wäre gut, sich mal die wissen­schaft­li­chen Definitionen des Faschismus/Nazionalsozialismus/Totalitarismus anzutun. Dann sollte man darüber­nach­denken. Auch über die Frage, ob nicht alle Sozialismusse schlecht sind. Und dann eine Meinung äussern.
    Ich wünsche mir auch eine heutige Fraktur für den Buchsatz. Wir haben zuletzt einen Lyrikband in Fraktur gesetzt. Aber da war’s egal, liest eh kaum einer.
    Ansonsten sehe ich hier in Dresden immer mehr Schilder in Fraktur. Sogar mit meinem geliebten lang-s! Und daß Bäcker Schmidt ein böser Sozialist ist, nur weil er in Fraktur am Laden steht, ist für mich ausgeschlossen.
    Apropos Dresden: Diese Diskussion wird, scheint mir, immer nur bei ehema­ligen Westdeutschen mit dieser Vehemenz geführt.

  43. Kurt _R

    Der Artikel folgt einer selt­samen Logik:

    „Fraktur ist (auch) eine Nazi-Schrift“ heißt es in der Überschrift reiße­risch, am Ende des Artikels wird genau diese Aussage als „falsch“ bezeichnet.
    Die jahr­hun­der­te­alte Tradition der Fraktur wird genannt, gleich­zeitig aber vehe­ment auf die Rolle der (vergleichs­weise) kurze Zeit verwiesen, in denen die Gebrochene von den Nazis als „deut­scheste“ Schrift verehrt wurde.
    Sollte man nun diesen kultu­rellen Schatz auf ewig den Nazis über­lassen? Den Nazis, die, wie zur Genüge erläu­tert, höchst­selbst die Fraktur zum „ideo­lo­gi­schen Feind“ stili­siert haben? Die Nazis, die letzt­end­lich für die Abschaffung der Fraktur in Deutschland und damit für einen gewal­tigen kultu­rellen Bruch verant­wort­lich sind?

    Sollen heute die einzigen, die diese schönen und viel­sei­tigen Schriften benutzen dürfen, Angehörige einer poli­tisch-extremen Minderheit sein, die diese Schriften eigent­lich aus Überzeugung verachten müssten? Die von ihrem rich­tigen Satz meist über­haupt nichts wissen?

    Die in rechts­extremen Kreisen am häufigsten zu beob­ach­tende Gebrochene ist zudem nicht etwa die deut­sche Fraktur, sondern eine engli­sche Gebrochene (was die meisten Skinheads natür­lich nicht wissen / wissen wollen, wenn sie sich einen „Fraktur-„Schriftzug auf die Schultern täto­wieren lassen).

    Ich wehre mich dagegen, dass man die gebro­chenen Schriften jenen Tölpeln über­lässt. Ebenso wehre ich mich dagegen, dass diese schönen, wie gebrech­li­chen (!) Schriften im Rausche allge­meiner Trendgeilheit zu IN-Schriften erkoren und jämmer­lich miss­braucht werden.

    Deshalb: Wer ihren Satz nicht beherrscht, der sollte doch bitte tunlichst die Finger davon lassen (dieser Appell geht hier auch insbe­son­dere an benja­min­hick, der eindrucks­voll gezeigt hat, was man in einem kurzen Fraktur-„Satz“ so alles falsch machen kann (Schluss-s beim „sch“, Frakturversalien, Zeichenabstand)

    Vermehrter Fraktursatz: Ja, aber nur, wenn das Nötige Hintergrundwissen vorhanden ist.

    Kurt R.

  44. Hermann

    Es ist mir völlig unver­ständ­lich, wie man ernst­haft von einer „Nazischrift“ an sich spre­chen kann.

    Der Begriff ist eine fatale Vereinfachung, ja Verfälschung der entste­hungs­his­to­ri­schen Hintergründe.
    Im Nachhinein werden so Schriften und ihre Macher diffa­miert und scheinbar – wie auch hier teils zu lesen – auf eine Stufe mit den Verbrechern des „Dritten Reichs“ gestellt.
    Es fällt uns leicht, jeden Künstler, Graphiker, Typographen, der das Unglück hatte, in jene dunkle Zeit hinein­ge­boren worden zu sein und der nicht den Mut hatte, sich offen gegen das Hitlerregime zu stellen, mit erho­benem Zeigefinger abzuurteilen.
    Jedoch war bei Weitem nicht jeder, der nicht Verhaftung, Berufsverbot und soziale Ächtung in Kauf nehmen wollte, ein blühender Nazi.
    Nüchtern betrachtet haben Männer wie Walter Höhnisch und Berthold Wolpe (der übri­gens Jude war) einen Weg gesucht, klare, schnör­kel­lose Schriften zu schaffen, die dennoch den Charakter einer Fraktur haben.

    So gesehen liegt genau hier der Punkt an dem man ansetzen müsste, um „alltags­taug­liche“ Frakturen zu schaffen, die wiederum den Blick für kunst­vol­lere, orna­men­ta­lere Frakturen öffnen könnten (Schriftentwickler wie Canada Type haben die Möglichkeiten erkannt).

    Den Grund, weshalb gerade in der sog. Neonazi-Szene die Frakturen so beliebt sind, müssen wir letzt­end­lich bei uns selbst suchen: Durch die strikte Abkehr von der Fraktur und ihrer Tabuisierung durch sinn­freie und verall­ge­mei­nernde Totschlagbegriffe wie „Nazischrift“ haben wir die gebro­chenen Schriften für die Extremen erst inter­es­sant gemacht.
    Noch immer kann man allein mit weißer Fraktur auf schwarzem Grund Unbehagen provo­zieren. Solange die Rechtsextremen ein „Exklusivrecht“ auf Anwendung von Fraktur besitzen wird das Unbehagen bleiben. Und die Rechtsextremen werden auf dieses simple Provokationsmittel nicht verzichten.
    Bringt man aber die Fraktur in einen alltäg­li­chen Zusammenhang zurück, fernab jegli­cher Anrüchigkeit, so wird sich das Bild wandeln, selbst wenn die Fraktur von manchen Kreisen weiterhin als Politikum miss­braucht wird.
    Es wäre nämlich jammer­schade, würden die gebro­chenen Schriften eines Tages tatsäch­lich ganz ins Zwielicht verruchter Kreise abtauchen.

  45. Jürgen

    @ Kurt & Hermann: Die Überschrift war bewusst provo­kant gewählt, um eine frucht­bare Diskussion anzu­stoßen, die es auch gab. Darum kann ich Eurer Fassungslosigkeit nicht ganz folgen.

    Ich wehre mich dagegen, dass man die gebro­chenen Schriften jenen Tölpeln über­lässt. Ebenso wehre ich mich dagegen, dass diese schönen, wie gebrech­li­chen (!) Schriften im Rausche allge­meiner Trendgeilheit zu IN-Schriften erkoren und jämmer­lich miss­braucht werden.

    Beides geht nicht, Kurt. Du willst das Rad der Geschichte aufhalten, was bekannt­lich noch niemandem (gewalt­frei) gelungen ist. Entweder greifen wir uns heute die Fraktur (nehmen sie also den »Tölpeln« weg) und geben der Schrift die Freiheit, die sie verträgt – dann darf sie auch für Kosmetik und Schwulenpartys einge­setzt werden … oder wir lassen sie verklärt in der histo­ri­schen Ecke stehen: dann stirbt sie aus.

  46. Ralf Herrmann

    Entweder greifen wir uns heute die Fraktur und geben der Schrift die Freiheit, die sie verträgt – dann darf sie auch für Kosmetik und Schwulenpartys einge­setzt werden … oder wir lassen sie verklärt in der histo­ri­schen Ecke stehen: dann stirbt sie aus.

    Genau so ist es!
    Ich verstehe auch nicht, woher die Überzeugung kommt, dass der Fraktursatz plötz­lich ein unum­stöß­li­ches Naturgesetzt ist. Seit mehreren tausend Jahrend wandeln sich Schriftform und Schriftsatz nun. Warum sollte das für die Gebrochenen nicht zutreffen?
    Schrift muss sich den Umständen anpassen. Sprache, Kultur, Schreibwerkzeuge etc. Und die Umstände des Einsatzes der Fraktur haben sich ja nun augen­schein­lich drama­tisch gewandelt …

    Ralf

  47. Hermann

    Darüber zu disku­tieren für welche Inhalte Fraktur verwendet werden darf und für welche nicht ist reine Zeitverschwendung, da sind wir uns doch wohl alle einig.

    Soweit ich KurtR verstanden habe geht es auch ihm vorder­gründig um die fach­ge­rechte Anwendung. Vielleicht könnte KurtR das ja selbst noch einmal erläutern.

    Die Vermittlung gewisser GRUNDREGELN für den Gebrauch von Fraktur halte ich für unab­dingbar, so wie ich gewisse typo­gra­phi­sche Grundregeln an sich für sinn­voll halte, ganz gleich ob es sich um eine gebro­chene Schrift handelt oder nicht.

    Es geht hierbei nicht nur um ästhe­tishe Aspekte – viel­mehr stehen oft Verständlichkeit und Lesbarkeit auf dem Spiel.

    Während beispiels­weise der falsche Gebrauch des Schluss-s nur dem Fraktur-Hardliner schmerzt, führt ein in Frakturversalien gesetztes Wort zu einem unle­ser­li­chen und auch für Laienaugen unhar­mo­ni­schen Kuddelmuddel.

    Von „histo­ri­scher Verklärung“ der Fraktur zu spre­chen, wenn es tatsäch­lich um die Vermittlung von sinn­vollen Grundregeln geht, wäre meiner Meinung nach fatal.

    Letztendlich liegt es in der Hand derer, die mit Frakturschriften umzu­gehen wissen, die Zukunft der Fraktur mitzugestalten.

  48. K.A.T.

    Nach mehr als einem Jahr mal wieder ein Eintrag, denn ich stehe gerade auch vor der Situation, dass ich bei einem von mir entwi­ckelten Logo vom Kunden zu hören bekomme, ich hätte eine „Nazi-Schrift“ verwendet.

    Auf der Suche nach einer Gegenargumentation (so bin ich auch hier gelandet), habe ich ange­fangen, mich mit der Frage zu beschäf­tigen, inwie­weit ich mich/oder andere sich auch mit etwas anfreunden kann/können, was im Dritten Reich verwendet wurde oder den Krieg und dessen Verlauf möglich gemacht hat?

    Komische Frage, kann der geneigte Leser jetzt denken und um allen even­tu­ellen Vermutungen hinsicht­lich meiner poli­ti­schen Einstellung entge­gen­zu­wirken: ich hab mit der braunen Soße und Adolf, der Nazi-Sau (danke Walter Moers) nichts am Hut.

    Dementsprechend benutze ich die Fraktur auch nicht in diesem Kontext. Wie in diesem Blog schon einge­hend bespro­chen, lässt sich über die Wahl der Schrift einiges an Interpretationen und Emotionen auslösen (wenn man’s kann) und alleine durch Bilder und Dokumentationen aus der Zeit von 1933 bis 1945 bringen wir diese Zeit mit der Fraktur in Verbindung. Liegt das aber even­tuell auch daran, dass es, im Vergleich zu vorher­ge­henden Zeiten, viel mehr Bilder aus dieser Zeit gibt? Schließlich haben die Nazis nicht nur eine Kriegs- sondern auch eine gut funk­tio­nie­rende Propagandamaschine gehabt.

    Bevor ich jetzt aber allzu­weit abschweife, zurück zu meiner „selt­samen“ Eingangs- und einer weiteren Frage an alle, die die Fraktur als „Nazischrift“ verdammen: wer von euch fährt ein deut­sches Auto? Einen BMW, Mercedes, Opel, Audi (vormals Horch, Auto-Union, NSU) oder gar „Volks-“ bzw. KdF-Wagen?

    Na, Entrüstungsstürme (auch ein sehr schönes Wort in diesem Zusammenhang)? Ich weiß, den ganzen Firmen blieb nichts anderes übrig, als mit Fahrzeugen, Flugzeugmotoren und dem ganzen Kram die Nazis zu unter­stützen und sie haben das ja alle gemacht, ohne eine Reichsmark daran zu verdienen (für unge­übte: Achtung Ironie!).

    Glück für sie, dass wir hier in Deutschland alle so auto­geil sind und diese Firmen mit den recht­zei­tigen und astro­no­mi­schen Entschädigungszahlungen an die Überlebenden alle Schuld begli­chen haben. Schade nur, dass so eine kleine Schriftgruppe wie die gebro­chenen Schriften keine Entschädigungszahlungen geleistet hat und jetzt die volle Schuld dafür tragen muss, dass sie damals für miese Zwecke von irgend­wel­chen Idioten benutzt wurden.

    Glücklicherweise gibt es aber auch Menschen wie uns, die solche Absichten mit der Verwendung von gebro­chenen Schriften und dem Bau von deut­schen Autos nicht verfolgen.

  49. K.A.T.

    Was ich noch vergessen habe:

    Lieben Dank, Judith Schalansky für „Fraktur mon Amour“ :-))

  50. dr. ente

    Die Frakturschrift ist doch letz­tens auch nur eine Schrift, aber voll­kommen unab­hängig von den 12 Jahren ein Bestandteil der Identitität der deut­schen Kultur auf die, so finde ich verdammt stolz sein kann. Deshalb müssen wir zwar immer an die schreck­li­chen Folgen dieser hass­erfüllten Ideologie erin­nern, deshalb dürfen wir uns aber nie kultu­relle Eigenheiten verbieten lassen. Aus diesem Grund benutze ich auch (hand­ge­schrie­bene) Fraktur im Alltag um zum Beispiel Überschriften hervorzuheben.

  51. Lee Jay Stoltzfus

    Hello from Pennsylvania, USA,
    Sorry I do not speak German. (My parents spoke Pennsylvania German, but did not teach me.)

    Here in Pennsylvania, the Amish sing hymns from their fraktur hymn­book titled „Ausbund.“ The Amish and Mennonites have been reading fraktur books here in Pennsylvania for hundreds of years.
    The latest edition of the „Ausbund“ hymn­book, printed in 1997, is also in fraktur fonts. For the Amish, fraktur is not Nazi posters, it is American grand­mo­thers‘ hymns.

    Best wishes,
    Lee Jay Stoltzfus
    My website about local prin­ting history:
    http://​www​.lancas​ter​ly​rics​.com/

  52. Kosinsky

    Dass Laien bestimmte Dinge (in dem Fall eine von vielen Schriftarten) mit bestimmten Dingen (wie den Nationalsozialisten) asso­zi­ieren, liegt auch daran, dass außer über die Nazizeit (wenn auch entspre­chend ober­fläch­lich) über keine Periode der Geschichte mehr „aufge­klärt“ wird. Dass inzwi­schen schon Schriftarten auf „Nazi“ „unter­sucht“ werden ist wirk­lich aus psycho­lo­gi­scher und sati­ri­scher Sicht faszinierend.

  53. fonty

    Die Schwabacher gehört auch zu den gebro­chenen Schriften, wurde aber als jüdi­sche Schrift von den Nazis bezeichnet. Zudem findet man diese Schriftart auch in diversen Musikrichtungen, auch Hip-Hop und nicht nur bei rechts­ori­en­tierten Musikgruppen. Um es kurz zu machen, die Schrift kann eigent­lich nix dafür :-)

  54. David Engmann

    Keine Diskussion die Klamotten sind einfach nur Geil.
    David aus Hellersdorf

  55. Hans Fischer

    Typische Hetzschriften ohne Fundament.
    Nur weil eine schlechte Person aus einem guten Buch ließt sollte man das Buch deshalb nicht verteu­feln. Die Person die diesen Artikel geschrieben hat sollte sich besser infor­mieren und sich in Grund und Boden schämen. Frakturschrift oder wie die Nazis sie nannten: Schwäbische Judenletter, gehört zur deut­schen Kultur sein hunderten von Jahren und daran kann auch eine NS Zeit von 20 Jahren nichts ändern. Unser aller Vorfahren (dieje­nigen die lesen konnten) haben Frakturschrift gelesen.
    Ein wahre Schande dieser Artikel.

  56. Jürgen Siebert

    Hallo Hans, ich glaube, dass du meinen Text (Artikel) nicht wirk­lich gelesen hast. Da stehen genau die Fakten drin, die du in deinem Kommentar erwähnst. Schön, dass wir einer Meinung sind.

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