Fatalismus ist der Feind guten Designs, oder:

Volkserziehung, nein danke!
von Helge Fischer

Unser Gastautor Helge Fischer studierte am Royal College of Art in London »Design Interactions« und arbei­tete für namhafte Auftraggeber als Designer und Berater. Später lehrte und forschte er als wissen-schaft­li­cher Mitarbeiter im Fachbereich Interface-Design der FH Potsdam. Gemeinsam mit der Kommunikations- und Service-Designerin Ann-Kristina Simon grün­dete er vor wenigen Monaten in Berlin das Designbüro Bold Futures, spezia­li­siert auf Innovationskommunikation. Fischer: »Wir nutzen Design als Medium zur Darstellung und parti­zi­pa­tiven Bewertung von wahr­schein­li­chen oder mögli­chen Zukünften.«

Der hier veröf­fent­lichte Denkanstoß erschien in unge­kürzter Form unter dem Titel »Nachhaltigkeitsdesign: Öko-Erziehung in der Welt der Dinge« in der Oktober-Ausgabe der Zeitschrift Novu Argumente. Ann-Kristina und Helge werden in 14 Tagen den Creative Morning in Berlin bestreiten (16. November 2012, Orangelab, 8:30 Uhr).

Die verdienst­vollste Aufgabe von Design ist, bessere Lebensräume zu entwerfen, fesselnde Zukünfte herauf­zu­be­schwören und Träume zu wecken. Design kann einen enormen Nutzen für die Welt leisten, dazu muss es jedoch mutig und ambi­tio­niert sein. Das fällt heute nicht leicht, denn es domi­nieren eher düstere Bilder von der Zukunft, die den Glauben an eine posi­tive Gestaltbarkeit dem Reich der Fantasie zuordnet. Fatalismus ist der Feind guten Designs. Wenn wir die Auffassung akzep­tieren, wir lebten im Jahrhundert der Klimakatastrophen, Ressourcenverknappung, Überbevölkerung und der Ausbeutung der Natur, und schuld sei der Mensch, dann fallen unsere Entwürfe bescheiden, klein­laut und demütig aus: Design als Appell, unser Tun zu zügeln, unsere Erwartungen zurückzuschrauben.

Unter dem Dogma der Nachhaltigkeit entstehen oft mutlose und klein­liche Entwürfe, die weit hinter dem zurück­bleiben, was die heutige Technologie erlauben würde: Stühle aus recy­celten Zeitungen – zusam­men­ge­halten von Reiskleber, mit Pedalkraft betrie­bene Küchengeräte, oder gar ein durch Muskelkraft ange­trie­benes Gerät zur Herstellung von Papier. Dieselben Handgriffe, dieselben Produkte, dieselben Funktionen wie seit Jahrzehnten, nur mühsamer und zeit­auf­wen­diger zu bedienen. Wir bewegen uns zurück.

Persuasive Design

Auf dem wich­tigen Gebiet des Sustainable Designs ist ein weiterer Ansatz deut­lich unbe­hag­li­cher. Sogenanntes »Persuasive Design« versucht beim Nutzer mit Hilfe von Erkenntnissen aus der Verhaltenspsychologie »erwünschte« Einstellungen und Verhaltensweisen zu beför­dern. Anstatt durch Informationen zu über­zeugen und eine freie Entscheidung zu ermög­li­chen, will Persuasive Design Menschen unbe­wusst beein­flussen und ihr Verhalten in eine zuvor als »redlich« erkannte Richtung lenken. Es versucht, das emotio­nale, irra­tio­nale und impul­sive Denken unseres Unterbewusstseins zu mani­pu­lieren. Dies wird bereits seit Jahrzehnten in der Werbung prak­ti­ziert. Relativ neu ist aller­dings, dass es nun einge­setzt wird, um vermeint­lich Gutes zu tun, denn die »böse Seite« des Marktes für Persuasive Design ist längst übersättigt.

Sogenannte Zielverhalten könnten zum Beispiel sein, mit dem Rauchen aufzu­hören, mehr Sport zu treiben, Medizin regel­mäßig einzu­nehmen, oder – im Bereich nach­hal­tigen Handelns – weniger Strom zu verbrau­chen, oder das Fahrrad zu nutzen. So wird die gezielte Beeinflussung des Unterbewusstseins zum Wohle und im Eigeninteresse des Manipulierten propa­giert, um dessen Leben zu verbes­sern. Das einge­setzte Repertoire an Psychotechniken reicht vom Setzen von Zielen, über verschie­dene Anreiz- oder Abhaltungssysteme bis hin zu sozialer Kontrolle, Ausgrenzung oder Bevormundung. Ziel ist es, »gutes« Verhalten so auto­ma­ti­siert, so einfach, oder auch so sucht­er­zeu­gend zu machen wie Glücksspiel.

Ein paar Beispiele … Kleinere Mülleimer sollen uns dazu verleiten, weniger Abfall zu produ­zieren … nicht weil wir dies als sinn­voll erachten, sondern einfach, um seltener den Müll raus­bringen zu müssen. Der vom MIT Media Lab entwi­ckelte WaterBot wird am Wasserhahn instal­liert und misst den Wasserverbrauch. Bei zu langer Wassernutzung gibt das System visu­elle und audi­tive Alarmsignale, beim Zudrehen hingegen gibt es ein posi­tives Audiofeedback. Das zuge­ge­be­ner­maßen clevere »Erratic Radio« des Interactive Institute in Schweden empfängt zusätz­lich zum einge­stellten Sender noch die 50-Hz-Frequenz, die von elek­tri­schen Geräten ausge­strahlt wird und stört somit den Empfang bei gleich­zei­tiger Nutzung dieser Geräte. Es gibt eine App fürs Auto, die anzeigt, wie energie-effi­zient gefahren wird und die den Fahrer durch visu­elle Hinweise anleitet, möglichst gleich­mäßig zu fahren. Zahlreiche Angebote im Internet hoffen auf Nutzer, die im Rahmen eines Wettkampfs versu­chen, möglichst viele »Eco-Challenges« zu bestehen (z. B. eine Woche kein Fleisch essen oder einen Gemüsegarten anlegen).

Ein dras­ti­scheres Beispiel ist das vom Design Lab der Universität Sydney durch­ge­führte Projekt »Neighbourhood Scoreboards«. Die tägli­chen Veränderungen im Energieverbrauch von teil­neh­menden Haushalten wurden hierfür auf großen, der Straße zuge­wandten Schildern aufge­zeigt, zusammen mit lachenden (abneh­mender Verbrauch) und trau­rigen Smileys (stei­gender Verbrauch) plus der aktu­ellen Position im »Neighbourhood Ranking« für Energieeinsparungen.

Die Beispiele wirken einzeln besehen harmlos. Es gibt Parallelen zu Videospielen und mitunter machen sie sogar Spaß. Und es mag Lebensbereiche geben, in denen der Einzelne Verhaltenslenkung durch tech­no­lo­gi­sche oder soziale Systeme für sich selbst als nütz­lich empfindet. Doch beför­dert eine breite Anwendung von Persuasive Design, das letzt­lich eine Ergänzung zu den expli­zi­teren Maßnahmen der Volkserziehung ist, eine regres­sive Sichtweise auf die Möglichkeiten und Kapazitäten des Menschen: Wir akzep­tieren damit, dass wir anschei­nend hilf­lose und schwache Wesen sind, die der Lenkung bedürfen.

Fazit

Nachhaltiges Design und insbe­son­dere Persuasive Design unter­mi­nieren den Glauben an unsere eigenen Fähigkeiten. Gleichzeitig sind sie ein Angriff auf mensch­liche Selbstverantwortung, Autonomie und Freiheit. Wir trauen weder uns selbst noch der Mehrheit unserer Mitmenschen zu, dass wir rich­tige Entscheidungen treffen und diese konse­quent umsetzen könnten. Stattdessen akzep­tieren wir die Manipulation unseres Verhaltens durch (selbst ernannte) Experten, die uns in einer unüber­sicht­li­chen Welt den rechten Weg weisen wollen. Die von ihnen entwor­fenen Produkte ersetzen den freien Willen durch das Managen von Nutzerverhalten.

Wenn wir unsere Lebensbedingungen weiterhin welt­weit verbes­sern möchten, stehen wir vor großen Herausforderungen. Dabei ist unsere Fähigkeit, Neues zu schaffen und dabei Risiken einzu­gehen (und Fehler zu machen) nicht das Problem, sondern die Lösung für globale Zerwürfnisse. Wir sind Zerstörer, aber vor allem Schöpfer und Erschaffer, wir sind Konsumenten, aber auch Produzenten. Zu oft beschränkt sich aktu­elles nach­hal­tiges Design auf eine Bewahrung des Status Quo.

Wenn wir in einer Transformationsgesellschaft leben, in der herge­brachte Methoden des Wirtschaftens und Lebens nicht mehr unein­ge­schränkt tragen, dann benö­tigen wir ein Vertrauen in mensch­liche Intelligenz, Kreativität, Imagination und Kraft. Zukunftsoptimisten sind die besseren Designer. Sich selbst und die Menschheit zuvor­derst als schwach und hilflos zu sehen, mag in einer kompli­zierten Welt bequem sein, doch ist es ein Luxus, den wir uns nicht leisten dürfen.

(Der hier veröf­fent­lichte Beitrag von Helge Fischer erschien in unge­kürzter Form unter dem Titel »Nachhaltigkeitsdesign: Öko-Erziehung in der Welt der Dinge« in der Oktober-Ausgabe der Zeitschrift Novu Argumente. Foto oben: Marco Floris, Abbildung Mitte © DeVIce Fotolia​.com)


21 Kommentare

  1. Florian Pfeffer

    super beset­zung für den crea­tive morning … jetzt bedaure ich es, dass ich nicht in berlin wohne.

    der artikel trifft meiner meinung nach eine ganze reihe von nägeln auf den kopf. michael braun­gart hat es schön ausge­drückt (aus dem gedächtnis wieder gegeben): „nach­hal­tig­keit ist das minimum. es bedeutet einfach nur, dass wir unser ökosystem erhalten. wir würden aber heute noch auf bäumen sitzen und uns mit primi­tiven instru­menten die schädel einschlagen, wenn wir nur nach­haltig wären.“

    bei der kritik des persua­siven designs kann ich nicht ganz folgen – ich glaube, dass es hier zum teil um einen mythos aus den 70er jahren geht (geheime verführer), der sich hart­nä­ckig hält: design (oder werbung) als eine art gehirn­wä­sche, die leute unbe­wusst dazu bringt, etwas zu tun, was sie gar nicht wollen – oder noch nicht wussten, dass sie es wollen sollten. dieses bild ist aber schon lange wieder­legt: design kann nur dann erfolg­reich sein, wenn es an exis­tie­renden bedürf­nissen anknüpft – daß wir uns manchmal wie ein hirn­loser schwarm von konsum-irren verhalten, müssen wir schon auf die eigene kappe nehmen und sollten es uns nicht zu leicht machen – werbung und design machen sich das höchs­tens zu nutze und belichten ein bild, das vorher bereits in den köpfen war. wenn es nun einen sozio­lo­gi­schen trend gibt, der in die andere rich­tung weist … umso besser. das sollte man nutzen.

    der aufklä­rung und infor­ma­tion gebe ich da aber wenig chancen. wir wissen es doch alle längst: was wir tun, ist nicht gesund und extrem kurz­fristig gedacht – wir tun es aber trotzdem. wissen und einsicht haben nur wenig einfluss auf unser verhalten. ein weites feld …

    die eigent­liche heraus­for­de­rung für design ist es deshalb – und da hat helge fischer voll­kommen recht -, endlich wieder motor für inno­va­tion zu sein. da hält sich design im moment fein raus … es wäre deshalb mal inter­es­sant eine debatte zu führen, was neue wege, prozesse, tools und stra­te­gien für design sein könnten (wenn es persua­sives design nicht ist) – gerade auch für kommunikationsdesign.

  2. Neuropol

    “nach­hal­tig­keit ist das minimum. es bedeutet einfach nur, dass wir unser ökosystem erhalten. wir würden aber heute noch auf bäumen sitzen und uns mit primi­tiven instru­menten die schädel einschlagen, wenn wir nur nach­haltig wären.”

    Naja, mit mo(r)derner High-Tech-Technologie tun wir genau dasselbe.

  3. koni

    … naja nicht ganz. Inzwischen pusten wir fern­ge­steuert massen­haft Leben derer aus die uns halt grad nicht so in den kram passen. … uups, wie fata­lis­tisch aber auch schon wieder. Aber Abhilfe naht: den Dronen eine schöne Form gegeben und schon paßt es wieder. Und nicht vergessen: alles hübsch mit mani­riertem Buisnessgeschwurbel intel­lek­tuell aufladen. Wunderschön zeit­geistig, herr­lich popu­lis­tisch: klares Geschäftsmodell.

  4. Florian Pfeffer

    ich bin mir nicht sicher, ob ich die kommen­tare 2 und 3 richtig verstehe. braun­gart sagt, dass es zwar notwendig ist, nach­haltig zu handeln, aber nicht ausreicht. nicht einfach nur einen status quo erhalten, sondern den gestal­tungs­auf­trag annehmen. nicht fata­lis­tisch verzwei­feln, sondern die chancen suchen, die verhältnisse/dinge formen und neue wege suchen. dabei spielt tech­no­logie wahr­schein­lich eine rolle – die frage ist doch, wie wir tech­no­logie einsetzen (und wie explizit nicht) – machen wir das schlau oder dumm? darüber hinaus ist tech­no­logie nicht die antwort auf alles. es geht z.B. auch um die schaf­fung von demo­kra­ti­schen spiel­räumen (u.a. durch design) zur akti­vie­rung von vielen einzelnen auf lokaler ebene. design kann mit(!)helfen, menschen zu akti­visten ihrer eigenen agenda zu machen. wenn sich desi­gner im zusam­men­hang mit tech­no­lo­gi­schen entwick­lungen nicht mehr vorstellen können, als „dronen eine schö­nere form zu geben“, dann sollten wir heute noch alle unseren job an den nagel hängen. alle, die glauben, dass es noch mehr gibt, sind hoffent­lich die zukunft unserer disziplin.

  5. Neuropol

    Die Frage, die sich Braungart stellt lautet: Wie können wir die Produkte so vermarkten, dass Konsument und Industrie ein gutes Gewissen dabei haben?

    Nachhaltigkeit ist aber mehr, als umwelt­schäd­liche Stoffe zu vermeiden und die
    Dinge ökolo­gisch aufzu­peppen (grün zu waschen).

    Ein anderer Ansatz wäre z.B. Dinge zu produ­zieren, die sich durch Qualität und Langlebigkeit auszeichnen, so dass sie nicht alle zwei Jahre ersetzt werden müssen.
    Das würde auch die Müllberge in Afrika verhin­dern, wo der gesamte euro­päi­sche Elektroabfall depo­niert wird.

    Und wie gesagt, Fortschritt hält uns nicht davon ab, uns gegen­seitig den Schädel einzu­schlagen. Die Technologie kann es also nicht sein. Auch hier würde ich
    andere Gründe suchen: Kampf um Ressourcen, ausufernder Wettbewerb,
    unso­ziales Profitdenken.

  6. ber

    Wenn wir die Auffassung akzep­tieren, wir lebten im Jahrhundert der Klimakatastrophen, Ressourcenverknappung, Überbevölkerung und der Ausbeutung der Natur, und schuld sei der Mensch …

    Ähm, wer ist denn sonst Schuld daran? Glaubt Herr Fischer etwa, diese Entwicklungen sind nur Hirngespinste?

    Davon abge­sehen gibt es Beispiele, wo Nachhaltigkeit „groß“ und opti­mis­tisch gedacht wird. Das Architekturbüro Bjarke Ingels Group ist dafür wahr­schein­lich das beste Beispiel:
    http://​inha​bitat​.com/​b​i​g​-​u​n​v​e​i​l​s​-​a​-​w​a​s​t​e​-​i​n​c​i​n​e​r​a​t​o​r​-​s​k​i​-​s​l​o​p​e​-​f​o​r​-​c​o​p​e​n​h​a​g​en/

  7. Florian Pfeffer

    @ neuropol: ist eine kniff­lige sache, ich weiss.
    wenn man sich mit braun­gart unter­hält, stimmt das aber so nicht ganz, wie du es darstellst. sein ansatz geht dahin, dass müll gar nicht erst entsteht, weil es in einem geschlos­senen kreis­lauf keinen mehr müll gibt. das ist schon ganz schön schlau gemacht – eben nicht „weniger schäd­liche stoffe“, sondern über­haupt keine … eine tech­no­lo­gi­sche fragestellung.

    Fortschritt hält uns nicht davon ab, uns gegen­seitig den Schädel einzuschlagen

    man kann sich natür­lich die frage stellen, ob es so schlau ist, die instru­mente mit denen wir uns die köpfe einschlagen, zu perfek­tio­nieren – frei nach stanisław jerzy lec: „ist es fort­schritt, wenn ein kanni­bale eine gabel benutzt?“ aber helge fischer sagt ja auch, dass wir 

    Vertrauen in mensch­liche Intelligenz, Kreativität, Imagination und Kraft

    haben sollten … wir müssen einfach bessere anwen­dungen für die gabel finden und nicht an ihr verzwei­feln – eine aufgabe für designer.

  8. Helge Fischer

    Es ist genau diese kultur­pes­si­mis­ti­sche Haltung, wie sie aus Kommentaren 2 und 3 spricht, die derzeit, so denke ich, ein Problem (nicht nur) in der Designerwelt darstellen. – Menschen führen Kriege, Menschen bewirken die globale Erwärmung und Menschen machen auch sonst viel verkehrt, alles richtig. Doch ist ein Verzweifeln darüber, die Flucht in Zynismus oder das Romantisieren von vermeint­lich einfa­cheren früheren Lebenswelten gewiss nicht der rich­tige Weg, um aus der Krise zu finden.

    Gerade Designer müssen – natür­lich! – an die posi­tive Gestaltbarkeit der Welt glauben, wie sollten sie auch sonst Transformationsprozesse anführen?! Design ist imma­nent opti­mis­tisch und muss es sein. – Und ja, natür­lich spielt Technologie hier eine Rolle. Sie ist das Instrumentarium des Menschen und so wie wir sie für schlechte Dinge nutzen können, können und müssen wir sie nutzen, um Lebensbedingungen zu verbes­sern. Und es ist ja nicht so, als würden sich unsere Lebenswelten nicht auch immer wieder dras­tisch verbes­sern. Ernstlich zurück – z.B. in eine Welt ohne zeit­ge­mässe medi­zi­ni­sche Versorgung oder Medientechnologie oder oder oder – möchte auch niemand. Die grössten Belohnungen für die Menschheit sind im Bereich Forschung & Entwicklung zu finden und Designer müssen ihre Nähe suchen.

  9. Neuropol

    Das Polarisieren von Weltbildern und Haltungen, ist gewiss auch nicht der rich­tige Weg um aus der Krise zu finden.

    Es geht auch nicht darum, an die posi­tive Gestaltbarkeit der Welt zu glauben oder nicht. Es geht um allein um das wie.

  10. ber

    @F. Pfeffer:

    dass müll gar nicht erst entsteht, weil es in einem geschlos­senen kreis­lauf keinen mehr müll gibt. das ist schon ganz schön schlau gemacht – eben nicht “weniger schäd­liche stoffe”, sondern über­haupt keine … eine tech­no­lo­gi­sche fragestellung.

    Komplett auf schäd­liche Stoffe verzichten zu können und nur mit nach­wach­senden Ressourcen zu produ­zieren halte ich für etwas naiv. Der Verbrauch von Energie oder Wasser wird dabei immer irgendwie eine Rolle spielen.

  11. koni

    Wer „Design als Medium zur Darstellung und parti­zi­pa­tiven Bewertung von wahr­schein­li­chen oder mögli­chen Zukünften“ (ladet ihr inzwi­schen auch Kabarettisten zum CM?) nutzen zu können uns weiß­ma­chen möcht, der ist sicher auch nicht verlegen darum mir zu erklären woraus er aus Kommentar 3 kultur­pes­si­mis­ti­sches liest. Weil schlichtweg zu dünn und platt ist hier deshalb auch nicht mein Anliegen den Beitrag inhal­tich zu disku­tieren. Den Hinweis darauf, daß der Versuch, Banalitäten durch hoch­tra­bende Formulierungen zu (eigenen?) wegwei­seneden Erkenntinssen hoch­zu­sti­li­sieren für mich so gar nichts (kultur)optimistisches hat, erlaub ich mir dann doch.

  12. extrafett

    Zukunftsoptimisten sind die besseren Designer

    = Bold Futures sind die besseren Designer

    Der Text ist offen­sicht­lich Marketing für das Designstudio der beiden. Kann man bringen – ist in dem Fall aber nicht sonder­lich gelungen. Der Text ist zu dünn und teil­weise widersprüchlich.

    Mal ist Klimawandel etc. nur eine „Behauptung“ (siehe Originaltext), später wird einge­räumt der Mensch sei doch Zerstörer.

    Einige wenige Beispiele müssen für die Generalisierung von bishe­rigen Projekten nach­hal­tigen Designs herhalten. Andere aufzu­führen würde die Argumentation Fischers stören – ergo werden sie weggelassen.

    Mit dem gefor­derten Optimismus und der Technologiegläubigkeit des Autors sind die nega­tiven Auswirkungen der heutigen Ökonomie meiner Meinung nach nicht beizu­kommen. Die Ressourcenverteilung und der Zugang zu Märkten wird nicht von Designern entschieden – egal, wie wissen­schaft­lich sie sich geben mögen.

    PS:
    sich zwischen Pessimismus und Optimismus entscheiden zu können ist übri­gens auch eine Freiheit.

  13. Simon Wehr

    Ich finde, es gibt immer wieder Designer, die sich und unsere Zunft etwas zu wichtig nehmen.

    Ich versuche im Sinne meiner Kunden einen guten Job zu machen. Ich gebe mir Mühe, nur für Kunden zu Arbeiten, deren Produkte und Geschäftspraktiken ich auch selber vertreten kann. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Alle anderen Behauptungen über die Möglichkeiten und Aufgaben von Design finde ich selbstherrlich.

    Wenn ich außerdem noch die Welt retten will, gibt es zahl­reiche Organisationen, die genau zu diesem Zweck gegründet wurden.

  14. Florian Pfeffer

    @ Simon Wehr
    In Deiner Logik dürfte es ein Projekt wie „OASIS“ nicht geben. OASIS ist eine von Architekten (!) in Brasilien entwi­ckelte Methode, um in Gemeinschaften soziale Veränderungsprozesse auf kolla­bo­ra­tive und gene­ra­tio­nen­über­grei­fende Weise zu gestalten. Diese Methode ist mitt­ler­weile erfolg­reich aus der 3. Welt in die 1. Welt expor­tiert worden (da gibt es anschei­nend was zu lernen).

    Es dürfte Projekte, wie das Human Centered Design (HCD) Kit des Designbüros IDEO nicht geben. HCD fasst alle Erfahrungen von IDEO in der Arbeit mit NGOs in einem Handbuch zusammen. Durch die Methode HCD sind schon eine ganze Reihe von sozialen Innovationen entwi­ckelt worden, bei denen die aktive Involvierung von Menschen auf lokaler Ebene im Mittelpunkt steht. Mit der Methode ist unter anderem das Blutspende-System des Roten Kreuzes effek­tiver gestaltet worden.

    Es dürfte auch Projekte wie das Lapin Kulta Solar Kitchen Restaurant des spani­schen Designers Marti Guixe nicht geben – um ein etwas humor­vol­leres und leich­teres Projekt zu nennen, mit dem Menschen dazu ange­regt werden über ihre Gewohnheiten nachzudenken.

    All diese Projekte sind von Gestaltern mit Hilfe von Designmethoden entwi­ckelt worden. In den ersten beiden Fällen ohne Auftraggeber – aus eigener Motivation. Bei all diesen Projekten geht es aber auch darum, das Konzept „Design“ zu über­denken (weg vom Ding/Medium und hin zum sozialen Kontext, den es zu gestalten gilt).

    Das alles dürfte es nicht geben, weil das selbst­herr­lich ist.

    Das schöne an Design ist doch, dass es so plura­lis­tisch ist. Es ist so viel Platz für viele Haltungen und auf der Designwiese gibt es so viele schöne Blumen. Warum glauben so viele, dass das was sie machen (zum Beispiel für Kunden einen anstän­digen Job zu machen) so viel besser ist als sich zu enga­gieren und die eigene Disziplin weiter zu entwi­ckeln – und zwar genau mit den MItteln die man am besten beherrscht (Design) und die hierfür durchaus geeignet sind? Warum soll Design etwas sein, das nur der Wirtschaft zugute kommt oder irgend­wel­chen kultu­rellen Institutionen (Kunden)? Wer sagt, dass sich Design nicht weiter entwi­ckeln könnte und auch in anderen Bereichen (zum Beispiel im sozialen Bereich) sinn­volle Dinge anrichten könnte? Vielleicht ginge das, wenn man Design anders denken würde als bisher? Wäre das so schlimm? Die Beispiele (und ich könnte die Liste noch viel länger machen) zeigen, dass das geht und von Designern erfolg­reich prak­ti­ziert wird … hält das irgend­je­manden davon ab, für Kunden gute Projekte zu machen?

    Diese ganze Diskussion darum, dass „Design nicht die Welt retten wird“ ist doch total schief (und nicht ohne Zynismus). Es gibt niemanden, keine Disziplin, keinen Berufsstand und keine einzelne Idee, die die Welt retten wird. Die Politik wird die Welt nicht retten, die NGOs werden es nicht tun, die Wirtschawft nicht es nicht tun und natür­lich wird auch Design die Welt nicht retten. Das wird eher eine gemein­same Anstrengung von vielen sein … wollen Designer wirk­lich die einzigen sein, die sich im Sinne ihres Berufes in dieser Angelegenheit für inkom­pe­tent erklären?

  15. Florian Pfeffer

    Design als Medium zur Bewertung von wahr­schein­li­chen oder mögli­chen Zukünften – made by Audi (gänz­lich kaba­rett-frei) – disku­tiert von John Thackara, Jury Mitglied des „Audi Urban Future Award“ (ehema­liger Leiter des Niederländischen Designzentrums, Organisator des legen­dären Designkonferenz „Doors of Perception“, Design-Kritiker und Experte für nach­hal­tiges Design):

    http://​obser​va​tory​.design​ob​server​.com/​f​e​a​t​u​r​e​/​f​r​o​m​-​a​u​t​o​b​a​h​n​-​t​o​-​b​i​o​r​e​g​i​o​n​/​3​6​9​68/

  16. philipp

    Simon Wehr behält Recht, wenn man ihn genau liest. Er spricht sich gegen Behauptungen von Designern aus, nicht gegen ihre Taten.

  17. Simon Wehr

    Wir brau­chen eine Definition von »Design«? Ein Restaurant mit Solarkochern ist für mich nicht »Design«. Das Äußere Erscheinungsbild desselben wird durch Design geprägt. Im Kern bleibt es … ein Restaurant, oder?
    Ich sehe mich mit meiner Ausbildung als Grafikdesigner, früher auch Formgestalter genannt. Dass ich trotzdem Dinge in der Welt ändern kann ist ja wohl klar. Aber das tue ich als »Mensch«, nicht weil ich Designer bin. Das ich dann die Fertigkeiten einsetze, die ich am besten beherr­sche ist logisch, sofern sie denn gebraucht werden. Wenn ich eine super­tolle, hoch­ef­fi­zi­ente Lawinenschaufel gestalte sind es immer noch die Menschen der Bergwacht die Leben retten, nicht die Designer! Das meine ich mit zu wichtig nehmen.

    Ich habe für offen­sicht­lich eine sehr ange­wandte Ausbildung genossen deshalb eine ganz ernst gemeinte Frage:
    Was sind » Designmethoden«?

  18. Florian Pfeffer

    @Simon Wehr – sorry, aber das wird ein längerer Post – ich krieg’s nicht kürzer hin … Was sind Designmethoden?

    Wenn ich ein Plakat entwerfe, benutze ich eine bestimmte Methode – die Methode des Entwerfens: Recherche, Skizze/Visualisierung, Prototyp, Kritik/Evaluation, Modifikation etc. etc. … Implementation. Diese Methode kann ich – außer auf das Gestalten eines Plakates – auch auf andere Aspekte des mensch­li­chen Denkens und Handelns anwenden (ist eigent­lich ein alter Hut).

    Ein Beispiel: Eine Designerin könnte vor der Aufgabe stehen, eine Lösung für das Problem zu finden, daß viele Kaffeebauern rund um den Globus einen zu geringen Ertrag erzielen, weil sie bei der Bekämpfung von Schädlingsbefall oder Bodenerosion auf umwelt­schäd­liche, kurz­fris­tige Mittel zurückgreifen.

    Die Designerin könnte nun eine klas­si­sche Aufklärungskampagne in Form von Plakaten oder einer Website entwerfen, die die Kaffeebauern auf bessere Methoden hinweist mit dem Ziel, das Wissen um scho­nen­dere und lang­fristig effek­ti­vere Alternativen in den Produktionsprozess von Kaffee einfließen zu lassen. Das wäre das, was sie als „Formgestalterin“ gelernt hat – mit Logo, Key Visual, etc. etc. etc. Aber: Wäre das auch effektiv? Oder sollte sie den Auftrag ablehnen, weil das keine Aufgabe für Designer ist?

    Die Designerin könnte statt­dessen den Auftrag annehmen und aufgrund ihrer Recherche zu der Erkenntnis gelangen, daß viele Bauern durchaus wissen, wie vieles besser geht. Das Problem ist aber, daß nicht alle Bauern alles wissen und keiner weiss, was die anderen wissen. Anstelle eines Plakates könnte sie nun (zusammen mit vielen anderen Experten und den Bauern selbst) eine SMS-gestützte Kommunikationsplattform entwerfen, mit der die Kaffebauern welt­weit Wissen austau­schen können. Das wäre effek­tiver und glaub­wür­diger als ein Plakat oder eine Website und wurde so gemacht von der Kommunikationsdesignerin Nat Hunter, die das Projekt „We Farm“ auf der letzten Typo vorge­stellt hat. Eine gute Lösung, die in der Praxis erfolg­reich ist und mit Hilfe von Entwurfsmethoden entwi­ckelt wurde – Welt retten: check! Es gibt viele Leute, die so etwas als „Design“ bezeichnen – unter anderem Nat Hunter selbst.

    Genauso kann der Designer Marti Guixe ein Restaurant entwerfen, mit Erscheinungsbild, hand­ge­let­terter Typo, Rezepten, Solarkochern, Einrichtung und den dazu­ge­hö­rigen Regeln, wie das Restaurant funk­tio­nieren soll. Es gibt Designer, die würden ein Plakat machen, um Fragen über unser Verhältnis zur Natur zu stellen (viel­leicht mit einer Info-Grafik drauf, wieviel Wasser man braucht, um ein Schnitzel herzu­stellen) – fair enough. Marti Guixe gestaltet ein Restaurant. Wo ist das Problem? Hat Marti Guixe jetzt aufge­hört, Designer zu sein? Natürlich ist er auch noch Mensch – aber die Lösung hat er (und Nat Hunter) als Designer gemacht. Dafür sollte man Design feiern! Design ist eine Super-Sache!

    Was dem einen seine Lawinenschaufel, ist dem anderen sein Restaurant. Beides sind Tools für andere Menschen, sich sinn­voll zu betä­tigen: Lawinenopfer ausgraben, Einstellung ändern, lernen, Planeten retten … was ist der Unterschied?

    Wenn Du nun sagst: „Das will ich nicht. Ich beschränke mich als Designer auf das Entwerfen der äußeren Erscheinung.“, dann ist das eine legi­time Haltung. Über diese Haltung kann man streiten, man kann sie kriti­sieren – aber sie ist im Grundsatz legitim, schon alleine deshalb, weil es einen Markt dafür gibt. Du benutzt aber Deine Haltung als Argument, um anderen, die eine andere Haltung haben, die Legitimation als Designer abzu­spre­chen. Wenn Du noch dazu sagst, daß alles andere außer­halb Deiner Definition „selbst­herr­lich“ ist, dann diskre­di­tierst diese Anderen auch noch. Ich glaube deshalb, daß eine solche Definition von Design eher schäd­lich wäre als daß sie nutzt, weil sie Design darin behin­dern würde, sich weiter zu entwi­ckeln. Design defi­niert sich von alleine durch den Entwurf – der Entwurf muss den Beweis antreten, dass er funk­tio­niert – ob nun klas­si­sche Formgestaltung oder was auch immer, das ist doch egal, oder? Als John Cage seine ersten Erfolge als Komponist gefeiert hat, haben auch viele „alte“ Musiker behauptet, der Klang eines LKWs sei keine Musik, sondern Lärm.

    Ich gehe aber noch weiter: Ich bin davon über­zeugt, dass der Markt für die Beispiele, die ich genannt habe in Zukunft um ein Vielfaches größer sein wird, als der, den Du gerade beackerst (die Gründe dafür liegen auf der Hand). Das ist nicht schlimm – auch die Nische kann ein guter Platz sein. Wir haben jetzt die Wahl: Wir können uns einen Platz in diesem (für Designer mögli­cher­weise neuen) Markt ergat­tern, indem wir behaupten (!) und beweisen, daß wir als Designer rele­vante Lösungen erzeugen können. Oder wir können bei jovoto mitma­chen (ist über­spitzt, ich weiss).

  19. koni

    kann der Designer Marti Guixe ein Restaurant entwerfen, mit … und den dazu­ge­hö­rigen Regeln, wie das Restaurant funk­tio­nieren soll.

    Kann er, klar, kann er. die Frage ist: was quali­fi­ziert ihn dazu. Kann der Glasaugenmacher auch machen, oder der Unterwasserschweißer. Klar. Eh. Jeder wie er mag. Ich (als Designer) hol mir aber bei komplexen Projekten kompe­tente externe Hilfe. Ich mag mich jetzt nicht auch noch schlau (bin eh schon so unend­lich klug) machen müssen die Regeln wie ein Restaurant funk­tio­nieren soll betref­fend. warum auch. Bin ausge­lastet genug mit dem, was ich kann. Daß es mehr ist als Plakate malen und es auch die Aufgabe des Designers ist, für ein Kommunikationsproblem ein geeig­netes Medium zu finden, mag jetzt für den einen die Nutzung von Design als Medium zur Darstellung und parti­zi­pa­tiven Bewertung von wahr­schein­li­chen oder mögli­chen Zukünften sein, für mich ist es banal. Ich brauch auch kein hoch­tra­bendes Marketingverbalgeschwulst für Selbstverständlichkeiten wie jene, daß Design natür­lich auch ein gedank­li­cher Prozess ist. Sorry, nein, Design wird nicht durch blankes Geschwätz neu erfunden.

  20. philipp

    Ich ziehe es vor mich (im Sinne meines Berufes Designer) als Entscheider über eine tatsäch­liche Zukunft denn als »Bewerter mögli­cher Zukünfte« zu verstehen. Der Plural von Zukunft ist doch Unsinn. Es gibt nur eine Zukunft, deswegen müssen wir uns ja ständig entscheiden. Wenn wir das nicht tun und uns statt­dessen in hypo­the­ti­schen Szenarien ergehen, entscheiden derweil andere, die sich nicht wie wir (zumin­dest nach meinem Designverständnis) dem Wohl möglichst vieler Menschen verpflichtet fühlen.

  21. Simon Wehr

    Ich hab ja nichts dagegen, wenn Menschen tolle Dinge tun. Und wenn diese Menschen ganz nebenbei auch noch studierte Designer sind, super. Aber diese Menschen machen doch nicht all diese Projekte, weil sie Designer sind! Sie machen das, weil sie tolle Menschen sind. Sie machen die Projekte mit dem was ihre Köpfe hergeben.
    Mir kommt es oft so vor, als gäbe es Designer die was tolles machen und sich dann auf eine Bühne stellen und rufen: Seht was Designer tolles können, dank Design! Das finde ich selbst­herr­lich, denn im Prinzip machen sie doch nichts, was andere einfühl­same, intel­li­gente und krea­tive Menschen nicht auch tun würden: Gängige Lösungen hinter­fragen, neue Ideen entwi­ckeln und umsetzen. Das ist toll. Das ist auch harte Arbeit. Das verdient Anerkennung. Aber wenn ein Zahnmediziner das Solarrestaurant erfunden hätte, würde dann jemand rufen: »inno­va­tive Zahnmedizimethoden können die Welt retten!« Lasst uns die Zahnmedizin feiern??
    Aber mir kommt es oft so vor, das einige behaupten, nur Designer könnten das. Oder Designer könnten es besser.

    Lasst uns die Welt retten! Lasst uns alles in den Ring werfen, was wir haben! Aber lasst es uns doch bitte als Menschen tun, nicht als Berufsstand, das ist es, was ich meine.

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