Exklusivschrift für den Berlin Brandenburg Airport
[Dieser Beitrag erschien am 20. Mai unter dem Titel »Eine Flughafen-, keine Bahnhofsschrift« im TYPOblog und beschreibt die Präsentation der BBI-Hausschrift von Alex Branczyk auf der TYPO Berlin 2011. Der Text erscheint hier im Fontblog, leicht ergänzt und mit aktuellen Abbildungen versehen. Autor: Harry Keller.]
Abflug und Landung: Die Schrift für den neuen Flughafen Berlin Brandenburg International
»Ist das jetzt Arial oder Helvetica? Keine Ahnung.« Über diese Art typografischer Weltfremdheit kann der TYPO-Berlin-Besucher nur milde lächeln. Natürlich kennen wir die Unterschiede zwischen diesen beiden Schriftarten: Am G, am R, am C, um nur einige zu nennen … ein Dutzend Websites widmet sich ausführlich der Anatomie dieser beiden Schritarten. Dass der flapsige Spruch aus dem Munde eines Vortragenden stammt, verwundert zunächst. Doch Alexander Branczyk darf das. Er hat die Schrift für den Berlin Brandenburg International Airport entwickelt.
Um diese ging es zunächst gar nicht. Stattdessen stellte er andere Projekte vor, zum Beispiel ein Haus in Berlin Marzahn, das aus Buchstabenreihen konstruiert ist. »Christlicher Garten« heißt der Bau, über den Fontblog schon mehrfach berichtete, und er ist zweifellos einen Besuch wert … Aber sollte nicht die neue BBI-Schriftart präsentiert werden? Das sah Branczyk dann auch irgendwann – fast widerwillig – ein und legte los.
Seine Büro Xplicit ist auf dem Typografiegebiet nicht unerfahren, schließlich entwickelte es die typografischen Komponenten im Spardabank- und Duravit-Erscheinungsbild. Im Vergleich mit diesen Projekten erscheint die Aufgabe, einen Flughafen mit Buchstaben zu bestücken, ungleich verantwortungsvoller, weshalb das Publikum zunächst einen Einblick in die Recherchearbeit bekam. Fazit: Viele Flughäfen sehen gleich oder zumindest ähnlich aus: Frutiger, Arial und Helvetica dominieren schwarz auf gelbem Grund das Bild der Airport-Leitsysteme.
Dagegen sträuben sich Branczyk und seine typophilen Mitstreiter von Xplicit, sowie der hinzugezogene Schriftentwerfer Georg Seifert. Sie und die für das Gebäudeleitsystem verantwortlichen Moniteurs Berlin fanden, dass es an der Zeit sei, die omnipräsente Frutiger abzulösen. Die Uniformität der internationalen Airports widerstrebt ihnen, sie wollen Individualität. Nicht eine Schrift für alle Flughäfen, sondern passende für jeden einzelnen.
Dennoch begann die Arbeit mit der Frutiger, schließlich ist diese für ihre Lesbarkeit bekannt und wurde ursprünglich von ihrem Namensgeber für den Charles de Gaulle Flughafen in Paris entworfen. Dann jedoch begannen bei Xplicit die Überlegungen, wie man die Schriftart an die Umgebung Berlin-Brandenburg anpassen könne. Zunächst fiel das Flughafengebäude selbst ins Blickfeld: Dieses empfängt den Reisenden mit einer geometrisch-kantigen, konstruktivistischen Architektur. Daran solle sich auch die Schrift orientieren, fand Xplicit und entschied sich gegen Verspachtelungen, gegen ein zu weiches, organisches Erscheinungsbild.
Stattdessen sollte die neue Type aufrecht, konstruiert, gerade und schlank wirken: Leichtigkeit ausstrahlen, als würde sie fliegen. Unter diesen Gesichtspunkten wurden die Buchstaben geöffnet, verschlankt, weniger bauchig konzipiert. Desweiteren ließ Xplicit typographische Feinheiten wie die tz-Ligatur der Berliner Straßenschilder einfließen – ob solche Details es letztendliche in die finale Schrift geschafft haben, durfte oder wollte Branczyk nicht verraten. Die Präsentation des gesamten Corporate Design fand erst am 3. Juni dieses Jahres statt, also nach Branczyks Präsentation im Haus der Kulturen der Welt.
Eine weitere Besonderheit findet sich bei der Anbringung des Leitsystems im Flughafen: Hier wird weitestgehend auf hängende, applizierte Schilder verzichtet. Stattdessen werden die Lettern direkt auf den dunklen Holzvertäfelungen des neuen Airports angebracht. Dadurch integriert sich die Schrift besser, sie wird Bestandteil der Architektur.
Lesbarkeits- und Funktionstest des Gebäudeleitsystems der Moniteurs
Ein Vortrag über eine einzige Schriftart – das gibt es nur auf der TYPO-Konferenz. Die rund 200 Zuhörer, darunter der Schriftenpapst Erik Spiekermann in der ersten Reihe, wissen selbstverständlich alle, welche Arbeit in der Erstellung einer solchen Schriftfamilie steckt, die sowohl für das Leitsystem, die Drucksachen wie auch die Website von BBI geschaffen wurde. Den eiligen Fluggästen hingegen, die Arial und Helvetica tatsächlich nicht unterscheiden können und ab dem kommenden Jahr tagtäglich durch BBI eilen und vom durchdachten Leitsystem profitieren werden, bleibt dies sicherlich verborgen.
54 Kommentare
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R::bert
Großartiges Projekt – großartiges Ergebnis!
Eine sehr sensible Vorgehensweise wurde da an den Tag gelegt. Was mir ganz besonders daran gefällt ist die formale Harmonie zwischen Font und Pictogrammen. Da will man ja schon allein wegen dem Leitsystem mal in Berlin landen ; )
Auf der anderen Seite frage ich mich, ob wir Deutschen wirklich so reich sind, uns für einen Flughafen einen eigenen Font leisten zu können/müssen? Ich denke, da gibt es eine Menge guter Alternativen, welche man maximal um eine Serife und entsprechende Pictos hätte ausbauen müssen. Vielleicht sollten wir auch hier, neben Atomausstieg & Co., langsam mal veranwortungsbewusster an unsere Nachwelt denken, die den Schuldenberg irgendwie bewältigen muss. Und dass geht eben meiner Meinung nach schon im »Kleinen« los.
czyk
… zu erwähnen wäre noch, dass das Gebäude-Leitsystem von Moniteurs Berlin gestaltet wurde. Moniteurs arbeiten seit 5 Jahren gemeinsam mit den Architekten gmp und JSK am Projekt und haben wesentlich an den Vorgaben für die neue Schrift und die Bauliche Corporate Identity mitgewirkt. Das Corporate Design für die Print- und Webwelt entwickelte im vergangenen Jahr Schindler Parent Identity (Realisierung Scholz and Friends), welche die umfangreiche BER Hausschrift letztlich auch in Auftrag gaben. Im Vorfeld hatte es für Moniteurs bereits Testfonts gegeben, die Laufweiten und spez. Schrift-Charakeristika festlegten, denn das Gestaltungshandbuch für die fast 3.000 Schilder des Leitsystems musste bereits vor Beauftragung de CI fertig sein.
Jürgen Siebert
Das ist nicht dein Ernst, R::bert?! Die Beschriftung eines Flughafens ist essenziell und überlebenswichtig … man denke nur an die Brandkatastrophe im Flughafen Düsseldorf 1996 bei der 16 Menschen erstickten, weil sie die Fluchtwege nicht rechtzeitig fanden. Mal abgesehen davon: Was glaubst Du denn, wie viele Millionen der Entwurf einer Exklusivschrift kostet? Die Gesamtkosten des Flughafens BBI belaufen sich auf 2,83 Mrd. Euro … ich glaube, die Entwicklung der Schrift lässt sich aus der Kaffeekasse des Betonlieferanten begleichen, ohne dass der es merkt.
Ben
Robert?????? Beim Font einsparen??? Hehe das war hoffentlich ein Spaß ;-) Naja ich weiß, was du meinst. Aber am Design oder an der Typografie wird ja nur zu oft gespart. Wie Jürgen schon meinte sind die Ausmaße der anderen Kosten weit höher als eine eigene Schrift.
Auch wenn die Frutiger toll ist und berechtigt zu den Klassikern gehört. Aber Gott sei Dank, hat dieser Flughafen eine eigene Schrift :-) Es gibt tausende schöne Fonts – und dann immer die Frutiger? Ist ja nicht so, als wäre die Frutiger für Flughäfen genormt.
Die BER Schrift als eigene Hausschrift finde ich von der Grundidee schon klasse, wie auch vom »Look«. Meine Meckerei wäre eher: Aaaahhhh warum ist diese super-sexy Schrift eine Hausschrift? Ich will sie haben!!! Fast schon gemein, sie uns so zu präsentieren, um dann zu sagen: »Du kannst sie aber nicht haben!« Wie fies ;-)
alican
„Das ist nicht dein Ernst, R::bert?! Die Beschriftung eines Flughafens ist essenziell und überlebenswichtig … man denke nur an die Brandkatastrophe im Flughafen Düsseldorf 1996 bei der 16 Menschen erstickten, weil sie die Fluchtwege nicht rechtzeitig fanden.“
Dieses Argument ist ungültig. Es ging R::bert darum, dass _eine eigene_ Schrift für ein Flughafen überflüssig ist und nicht darum, die Schilder von Grundschüler machen zu lassen. Funktionell gäbe es mit dieser Schrift, die extra für diesen Flughafen entwickelt wurde und die Schriften, die in anderen Flughäfen eingesetzt und für einige Hundert Euro gekauft werden kann, keinen unterschied.
„Was glaubst Du denn, wie viele Millionen der Entwurf einer Exklusivschrift kostet? Die Gesamtkosten des Flughafens BBI belaufen sich auf 2,83 Mrd. Euro … ich glaube, die Entwicklung der Schrift lässt sich aus der Kaffeekasse des Betonlieferanten begleichen, ohne dass der es merkt.“
Das ist eben der Grund, dass die Verantwortlichen bei dieser großen Menge an Beträgen den Überblick verlieren und an vielen Bereichen nicht mehr an Kosten/Nutzen nachdenken. An vielen Bereichen kleinere Beträge verbrennen führt dazu, dass wir am Ende hinter dem Komma zu höhere Zahlen haben.
Heinrich
… einige hundert euro …
wenn aber jeder der für den flughafen arbeitet die ausgewählte schrift kaufen muss kommt auf dauer auch einiges an geld zusammen oder sie nehemn eine ähnliche, passiert leider so oft.
es musste ein komplettes erscheinungsbild erstellt werden also kann man gleich eine passende schrift machen.
gratulation an alex und georg.
Jürgen Siebert
@Heinrich: Es ist doch gerade der Sinn einer Exklusivschrift, dass die Nutzungsrechte beim Auftraggeber liegen. Er alleine entscheidet, wer mit seiner Schrift arbeiten darf. Und wenn dem Flughafen BBI ein konsistentes Erscheinungsbild wichtig ist, wird er die Exklusivschrift alle seinen Partnern kostenlos zur Verfügung stellen, damit die gar nicht erst auf die Idee kommen, Ersatz-Fonts einzusetzen.
Ich glaube, hier im Fontblog ist mal wieder eine Nachhilfelektion »Corporate Font« angebracht.
anderer ben
@Ben: Nimm einfach Klavika, bei der ist wenigstens das Spacing nicht verhunzt.
anderer ben
@Jürgen: erzähl das der Deutschen Bahn und anderen Heinis, deren corporate fonts man über URW kaufen muss.
Jürgen Siebert
@anderer ben: Ich kenne die Praxis der Deutschen Bahn nicht so genau. Wenn mir die Bahn den Auftrag erteilen würde, eine DB-Anzeige zu gestalten, ginge ich davon aus, deren Exklusivschrift kostenlos zur Verfügung gestellt zu bekommen. Es kann natürlich sein, dass diese Praxis befristet war.
Auch die Mercedes-Schrift Corporate ASE von Kurt Weidemann wurde irgendwann frei verkäuflich. Das kann man nun bedauern … oder erfreulich zur Kenntnis nehmen. Nach dem Bericht über die BBI-Schrift in den Berliner Tageszeitungen bekam FontShop eine Handvoll Anfragen, ob es die Schrift zu kaufen gäbe. Alex Branczyk teilte mir dann in einem Telefonat mit, dass dies in den nächsten Jahren wohl nicht der Fall sein dürfte.
Heinrich
@ jürgen
das meinte ich doch genau so, es ist besser wenn eine firma eine eigene hat und die an die dienstleister weitergibt.
ich habe schon selbst corporate fonts erstellt.
mein kommentar bezog sich auf #5 alican.
Tee
Klavika redesign.
czyk
Der, lieber Tee, war fast so gut, wie meiner mit der Helveticarial – insbesondere die großen T sind kaum von einander zu unterscheiden :))
Die Klavika ist klasse – aber unser ferner Leitstern war ganz klar die Frutiger, als „Mutter“ moderner Flughafenschriften. Und insbes. für das Gebäudeleitsystem von Moniteurs sollte die Schrift ja auch von Anfang an entwickelt werden. Harry Keller schrieb das oben auch. Unser eigentliches Formfindungstool war jedoch eine CI-Matrix, die wir für unsere Auftraggeber entwickelt haben und nach der wir auch stilistische Charakteristika der Schrift etwa nach dem Prinzip des Morphologischen Baukastens von Karl Gerstner sehr konkret auf die zu entwickelnde Marke BER maßschneidern konnten. Das ist ein spannendes Tool für die Gestaltung von Corporate Fonts und ich zeige es euch gern beim nächsten Typostammtisch.
Simon Wehr
Was kostet denn die Entwicklung und Lizenzierung so einer Schrift?
Da würde mich eine (grobe) Angabe aber schon mal interessieren.
fritz
ähäm?
Warum brauchen wir noch Schneider, wo es doch H&M gibt, warum noch Torten beim Konditor kaufen, Coppenrath & Co erzeugen Lebensmittel doch viel energieeffizienter. Warum eigentlich Graphikdesign? Meine Tochter macht das genauso gut in Word und Paint.
Herzlichen Glückwunsch an alle Beteiligten. Es freut mich sehr, dass so ein Job in Berlin stattfindet. Nach beBerlin in wenigen Jahren schon der zweite. Weiter so, Berlin!
Mischa K.
http://ber.berlin-airport.de/der-neue-flughafen/
Hier kann man unten rechts ein pdf downloaden und die Schrift größer unter die Lupe nehmen.
erik spiekermann
Exklusivschriften kostenlos verteilen ist falsch, auch wenn das etliche unserer Auftraggeber so machen, Bosch zum Beispiel. Wenn aber ein Dienstleister die Fonts kaufen muss, wie bei der Bahn, dann ist der ganze Vorgang mit Bestellung, Rechnung, Unterschrift unter den Vertragsbedingungen auch ein gutes Instrument um die Bedeutung dieses Schrittes zu verdeutlichen. Abgesehen davon, dass es sich jede Agentur leisten kann, für einen Auftrag ein paar Schriften zu kaufen, werden kostenlose Firmenfonts eher schlecht behandelt, sie waren ja umsonst. So aber wird jedem Beteiligten deutlich, dass Schriften einen Wert haben und nicht automatisch auf jedem Computer vorhanden sind.
CB
sehr sehr schön! Kompliment. Die Lücke zwischen Klavika und Camingo hatte ich für ausgereizt gehalten, sehe jetzt aber, dass da noch Platz ist. Freue mich schon auf die Eröffnung.
Carlos
Die Schrift gefällt mir gut, das prinzipielle Erscheinungsbild auch!
Aber ob ein Leitsystem, welches sich gut in die Architektur integriert, eine kluge Idee ist, wage ich vorsichtig zu bezweifeln.
HD Schellnack.
>Exklusivschriften kostenlos verteilen ist falsch
Das kommt auf den Einzelfall an, oder? Ich finde ja, nichts ist per se «falsch» oder «richtig», sondern man muss ja eine angemessene Lösung finden. Bestellungswesen kann für einen Klienten mit vielen Partnern schnell zu einem Shoot-Out-Argument gegen einen «eigene» Schrift für die Geschäftsleitung werden. Und macht auch schnell die Durchsetzbarkeit einer Schrift schwierig. In der Praxis habe ich es oft als sinnvoll empfunden, wenn der Kunde selbst unkompliziert – aber mit einem klaren Kontrollwerkzeug, etwa durch ein CI-Portal online – selbst flexibel und schnell entscheiden kann, was passiert.
Für große Auftraggeber ist ein externer Parter – wie Lino oder FS – sicher meist hochgradig sinnvoll, weil er entlastet. Für kleinere Einrichtungen oder Unternehmen, die sehr dezentral aufgestellt sind oder mit vielen externen Partnern vernetzt arbeiten, kann es aber auch andere solide Lösungen geben. Wichtig ist, dass es am Ende möglichst reibungslos funktioniert und die Schrift sich durchsetzt, damit am Ende nicht doch wieder Dokumente mit der Arial gestaltet werden, sondern am CD orientiert sind. Schrift niedrigschwellig verfügbar zu machen ist auf diesem Weg je nach Fall eine sinnvolle Maßnahme, Akzeptanz zu schaffen – ebenso wie digitale Templates aus meiner Sicht mehr bringen als CD-Manuals mit «Maßketten». Die sieht zwar schick aus und läßt uns Designer schön «architektonisch» wirken, in der Praxis sind fertige Indesign, Word-, Excel- und Powerpoint-Vorlagen oder AIR-Lösungen, die spezifische Medien wie Newsletter maßgeschneidert für die Kunden generieren, einfach schöner, weil sie den Leuten, die das CD im Alltag anwenden müssen, Arbeit abnehmen.
mätt
…und werden die Kosten für den Schriftenkauf letztlich nicht auf den Kunden umgelegt? Am Ende bezahlt dieser ein X-faches für etwas, was ihm bereits gehört.
erik spiekermann
Wieso machen einige hundert Euro LIzenzkosten ein Projekt x-fach teurer? Ich meine hier nicht die Gestaltung einer Visitenkarte, sondern Kampagnen u.ä., die von Agenturen umgesetzt werden. Bei Honoraren von etlichen tausend Euro fällt das kaum auf. Oder müssen die Agenturen bei jedem Projekt auch die Lizenzkosten für Photoshop, Indesign et al weiterberechnen? Fonts sind Software und gehören zu den Kosten einer Agentur wie die Leasingraten für den Kopierer oder die Telefongebühren.
erik spiekermann
Wenn ein Dienstleister anstatt blau einfach rot nimmt, weil die Farbe gerade im Menü erscheint, wird doch auch kein Auftraggeber den Job freigeben. Warum sollte er sich die falsche Schrift gefallen lassen? Wenn eine Schrift die Vorgabe ist und diese nicht erfüllt wird, gibt’s kein Honorar. Was hast denn du für Auftraggeber?
Das sind alles Argumente aus den 80er Jahren, als eine Bundespost noch meinte, die von mir vorgeschlagene Unternehmensschrift (später als FF Meta veröffentlicht) müsste als schweres Blei im LKW zwischen Flensburg und Garmisch zu den Druckereien gefahren werden.
HD Schellnack.
>Warum sollte er sich die falsche Schrift gefallen lassen?
Es geht nicht um uns oder andere professionelle Dienstleister. Wann immer möglich machen wir CD am liebsten so, dass wir auch selbst die Umsetzer sind, zumindest für eine gewisse Zeit – nichts ist gruseliger als am Reißbrett entstandenes Corporate, dass dann von anderen Agenturen «evolutionär» behandelt wird. Ich LIEBE es, erst einmal ein Jahr oder länger selbst im Team zu entwickeln, bis in die kleinsten Medien hinein, und zu sehen was funktioniert – anstelle eines Manual hat der Klient danach einen Batschen reale Unterlagen, die er weitergeben kann und sicher weiß: This works.
Es gibt aber für jeden Auftraggeber Partner, die – zu Recht – den Teufel tun wollen, sich eine Schrift zu kaufen, wenn Sie nur einen Fragebogen gestalten oder mit Medien des Kunden selbst in einer Kooperation arbeiten. Arbeitet ein Architekt mit einem Partner in Singapur, ist es einfach besser, diesem Partner die Fonts mitliefern zu können.
Insofern sind die «Countdown»-Lizenzen, bei denen du als Partner den Font zwar bestellst, aber gratis bekommst, durchaus prima, aber tatsächlich ideal finde ich, wenn eine entsprechend aufgestellte CD/Marketing-Abteilung die Sache in der Hand hat und so auch die Kommunikation mit den Partnern etwas im Blick haben kann. Wie gesagt, es ist eine Frage der Unternehmensgröße und -aufstellung. Es gibt aus meiner Erfahrung – die ohne jeden Zweifel ja nicht so groß wie deine!!! – nicht den einen Königsweg, sondern immer das, was punktuell die besten Ergebnisse bringt.
Ich glaube auch, einem professionellem Design/Werbepartner muss man die Wertigkeit von Typographie nicht per auferlegtem Schriftkauf beibringen. Es geht zudem oft weniger um designaffine Dienstleister, sondern eben auch um externe Partner, die gar keine Designer sind, aber eben auch mit Powerpoint, Indesign, Word und anderen Dokumenten arbeiten. Und denen unser Auftraggeber gar nicht immer «weisungsbefugt» gegenübersteht, sondern auf Augenhöhe oder sogar als kleinerer Partner. Da hilft es, wenn die dem Partner nicht erst 600 € für Fonts vorab auferlegen, sondern eine smarte integrierte Lösung aus Templates plus CD-lizensierte Fonts haben.
Man darf dabei nicht vergessen – zumindest bei uns ist das so – dass es auch bei durchaus größeren Klienten schon eine gewisse Arbeit ist, überhaupt eine individuelle Hausschrift als ökonomisch sinnvoll zu kommunizieren. Wobei ich hier nicht für BMW und die Post reden kann, sondern eher für unser Spektrum – also Kulturmarken, Mittelstand und Firmen, die nicht gleich Weltkonzern-Niveau spielen.
Und ich hoffe nicht, meine Argumente klingen nach den 80s, es ist keineswegs so gemeint – ich bin ja eher Kind des zunehmend digitalen Workflows. Aber genauso wie ich heute tendenziell Kunden bei der Frage nach Bildlizenzen gut mit der Bitte um möglichst «offene» Lizenzen verstehe – so schwierig das zu kommunzieren ist -, so verstehe ich auch den Wunsch, eine Schriftenlösung zu haben, die keine Hürden schafft, sondern hilft, die Kommunikationsgestaltung gemeinsam mit vernetzten verschiedenen Partnern bestmöglich zu meistern. Durchaus auch hausINTERN also nicht nur Toleranz, sondern Akzeptanz oder Engagement für neue Schriften und Looks zu schaffen.
Am Ende entscheidet das der Auftraggeber aber ja selbst – will er (zunächst) bei der Entwicklung eventuell Geld sparen und die Kosten qua Verkauf auf mögliche Partner/Dienstleister verteilen und so ein Schrifthaus beteiligen? Oder lässt er sich seine Schrift so exklusiv entwickeln, dass er damit mehr oder minder machen kann, was er will.
Am Ende ist ja am allerwichtigsten, dass es gut aussieht, funktioniert und sich möglichst durchsetzt ;-D
mätt
…fängt CI/CD nicht im Kleinen an? Auch und gerade bei Konzernen wie Die Bahn werkelt mehr als eine Agentur und diese haben nicht alle Bahnetats, bei denen derartiges kaum auffällt. Ich erlebe es als Realität, dass sich derartige Kosten dann in Honoraren niederschlagen, die mit den Realkosten zur Leistungserstellung nur noch wenig gemein haben. Bedingt zu Recht, denn ich finde, eine Exklusivschrift lässt sich in keinster Weise mit Programmen oder Kopierern vergleichen. Materialkosten, die für einen Prototypbau entstehen, sind doch auch keine allgemeinen Agenturkosten. Kosten, die an einen Kunden gebunden sind, sollten auch so behandelt werden. Dies hielte ich für fair, womit der Kunde letztlich zahlt.
Ich sehe das wie HD. Wer gewissenhaft in diesem Beruf arbeitet, der weiß den Wert einer guten CI zu schätzen ohne sein Portemonnaie zu zücken. Und den restlichen Beteiligten muss dieser Wert hinreichend kommuniziert werden, damit am Ende nicht Bahnhof rauskommt, wo Bahn draufsteht.
Emma
Finde es total süß wie die das Doppel-L so nach oben hoppst. Lebensfreude!
Nein im Ernst: großartige Arbeit – da fühlt sich der Abschied von Tegel hin nach Schönewostok gleich viel machbarer an.
Ein bisschen Offtopic, aber ich würde schrecklich gerne mal wissen, wer Font + Symbole in CGN verbrochen hat… dort muss es nichtmal brennen bis was schlimmes passiert, es reicht vollkommen wenn man vergebens die Toilette sucht.
reiner
federführend war ruedi baur beteiligt.
R::bert
Danke alican!
R::bert
@ Jürgen, Ben und fritz
Erstmal habe ich es bewusst als Frage formuliert. Klar – klingt auf den ersten Blick lächerlich und naiv, wenn man die Bauwirtschaft zum Vergleich heran zieht. Aber das hier ist ja kein Beton- sondern ein Fontblog. Mir geht es auch gar nicht so sehr um die Schrift als Solches. Auch nicht darum, Lebens- oder Gestaltqualität zu schmälern. Und schon gar nicht darum, die Arbeit der Kollegen madig zu machen. Eher um eine HALTung, welche wiederum VERHALTEN ausmacht. Und da wäre jeder gefragt. Der Betonlieferant ebenso wie der Gestalter. Würde jeder, der irgend etwas für den Staat (also auch für sich selbst) macht, die Reduzierung des Schuldenberges im Hinterkopf haben, kämen wir wahrscheinlich zu ganz anderen Lösungen.
Genau! Und warum muten wir es dann den Fluggästen zu, auf jedem Flughafen neue Leitsysteme lernen zu müssen? Bei der Bahn hat auch nicht jeder Zughafen, äh Bahnhof (sorry Cluseo ; ) ein extra Erscheinungsbild. Vom PKW-Verkehr mal ganz abgesehen. Und keiner hat sich bisher über fehlende Individualität beschwert. Warum also auch bei Flughäfen nicht mal in die andere Richtung denken?
Außerdem, was meinst Du wie vielen Leuten mehr es richtig mies gehen würde, wenn die Staatsschulden pro Kopf umgelagert würden?
Ich weiß es nicht. Willst Du es mir verraten? Mit 10.000 € wird man inkl. Leitsystem wohl nicht hinkommen.
Das ist der Ansatz, mit dem sich, wenn alle so denken, nie etwas ändern wird.
HD Schellnack.
>Und warum muten wir es dann den Fluggästen zu, auf jedem Flughafen neue >Leitsysteme lernen zu müssen?
Die Frage find ich richtig gut. Denn für eine Vereinheitlichung spricht ja einiges, Skalierungsfaktoren, schnellere Orientierung, Effizienz, Ersparnisse – eigentlich die ganzen Argumente, die Web-Design-Vereinheitlicher gerne auch anführen. Ich kanns hier nur anhand eines Bildes beurteilen – aber es sieht ja so aus, als hätte das Moniteurs-Team hier eine eher solide Lösung mit den üblichen Pfeilen und anderen Signaletik-Standards gefunden, die nun wirklich niemanden kopfkratzend zurücklassen wird. Die Individualität bezieht sich ja nicht auf die Semantik des Systems, sondern auf Details in Betonung und Akzenten. In den meisten Airports findest du dich doch sofort zurecht, egal ob nun Helvetica oder sonstwas, egal ob die Pfeile diesen oder jenen Winkel haben, da liegen ja Standards sozusagen eingebettet.
Auf der anderen Seite – ich selbst finde Köln-Bonn ja zum Beispiel ganz prima, zumindest die Absicht macht gute Laune und ich mag die poppigen Icons, die eben gerade nicht für immer sein können sondern visuell altern – ist es als Reisender doch auch schön, verschiedene Leitsysteme zu entdecken, sich zu ärgern oder zu freuen, so wie auch verschiedene CDs bei Firmen Sinn machen und die Basics ja doch immer die gleichen sind. Die vielen verschiedenen Ansätze – die über die Jahre ja auch voneinander lernen – sind ein evolutionärer Lernprozess, während auf den Autobahnen eben genau das nicht passiert, vielleicht auch nicht passieren kann, denn es ist EIN System (wenn auch ein großes) und Flughäfen sind mehrere verschiedene Systeme. Mich würde vielleicht auch irritieren, auf JFK zu starten und in Amsterdam mit dem gleichen Look begrüßt zu werden. Das Alex hier etwa einen Schritt wegmacht von den me-too-Schriften ist doch eine spannende Sache. Die Frage ist dann irgendwann, ob es dauerhaft zeitlos (Vignelli) sein wird oder ob man nicht in 10 Jahren sagt: Müssen wir mal neu machen, weil diese Ästhetik nicht mehr passt. Das Ergebnis wäre, dass Airports sich wie andere Designs regelmäßig abtasten, überprüfen, «relaunchen». Kann ich mir spannend vorstellen, lebendiger.
Und 10.-20.000 für eine gut ausgebaute hauseigene, durchlizensierte Schrift für Leitsystem, Print, Web usw – das wäre ein für ein solches Projekt sehr sehr fairer Preis (ich kenne den Preis nicht, würde Czyk aber deutlich mehr gönnen :-D), der auch sehr schnell wieder eingespielt wäre. Und die Schrift ist ja auch eins der «Gesichter» des Auftritts ist – so prägnant wie sie ist sogar ein wichtiges – ist das gut angelegtes Geld. Vom Architekten bis zur Werbeagentur – der Rest ist wahrscheinlich teurer.
R::bert
@ erik spiekermann
Wissen Sie, was aus den Exklusivschriften Audi Sans/Serif, Nokia Sans/Serif und IKEA-Futura geworden ist?
Wenn die oben Genannten aber so einfach im Nirvana versauern, ist es doch auch schade drum. Eine kostenlose Verteilung wäre da doch ganz okay, oder?
; )
czyk
Ein typographisch charakteristisches Erscheinungsbild ist keine Verschwendung von Material und Ressourcen: Weil du eine eigene Handschrift hast, brauchst du ja nicht mehr Tinte.
Heinrich
ist das hier neid was bei manchen durchkommt? mögen die argumente auch einen sinn haben aber träumt nicht jeder von so einem projekt mit einer exklusiven schrift?
wenn es darum geht um geld zu sparen dann könnten wir alle aufhören zu arbeiten und unsere kunden machen alles selbst, endlich wird es deutschland besser gehen.
wenn deutschland sparen soll, dann sollen sie privatfernsehsender abschaffen und die folgen der verdummung würden mehr geld einsparren.
R::bert
@ czyk
Wer redet denn von »Ressourcen«?
Anders: die eigene Handschrift muss ich nicht erst vorzeichnen, konstruieren, hinten, kernen, etc. Eine neue, gut lesbare Schrift dagegen schon. Und das für mehrere Schnitte. Aber wem sag’ ich das?
Wo kommt eigentlich die Serif-Version zum Einsatz? Im Mengentext beispielsweise (Imagebroschüre) konnte ich sie nicht finden.
erik spiekermann
Ja, die sind allesamt durch neue ersetzt worden. Wobei Audi Sans nur eine eigene Version der Univers Extended war und die Audi Serif der Times. Nokia hat meine Fonts durch eine neutralere (man kann auch sagen: nichtssagendere) Schrift abgelöst und Ikea hat in dem Moment eine Web-optimierte Systemschrift (Verdana) genommen, in dem es möglich wurde, auch eigene Schriften Web-tauglich zu machen. Solche Konzerne brauchen eben etwas länger. Es hat uns mindestens 3 Jahre gekostet, Bosch von den Vorteilen einer Exklusivschrift zu überzeugen. Geld und Kontrolle des Vertriebs waren dabei entscheidende Argumente. Ständig für neue Märkte und neue Versionen Lizenzen zu bezahlen war teurer als sich ein für allemal etwas eigenes bauen zu lassen. Die Eigenständigkeit im Auftritt war quasi der Bonus, nicht jedoch der Treiber.
Übrigens kann man auch eine bestehende Schrift zur eigenen machen, die dann aber auch jeder Dienstleister bezahlen muss. Marlboro hat die Neo Contact als Erkennungstypo. Kann jeder billig kaufen, aber alles damit Gesetzte würde nach Marlboro aussehen.
R::bert
Danke – wusste ich aber doch schon. Ich meinte eher, wie es mit den alten Fonts weitergeht bzw. weitergehen könnte? Ist ja gerade so, als ob da einer ’ne funktionierende Letterpresse in den Sperrmüll gegeben hätte. Okay – hier ist es nicht die Presse, hier sind’s die Lettern. Aber keiner von uns würde die Letterpresse doch ohne weiteres auf dem Sperrmüll stehen lassen ; )
erik spiekermann
Oh, danke! Ich weiss zwar nicht, wie das mit den Rechten ist, aber mich würde wohl niemand abmahnen, wenn ich jetzt die Nokia Schriften für den eigenen Gebrauch verwenden würde. Aber warum sollte ich? Ich habe genug eigene Schriften, und die Identifizierung mit der Marke wird noch eine Weile bestehen bleiben. Außerdem gibt es soviele tolle neue Schriften, dass es mir jeden Tag leid tut, dass ich keine Flyer oder sowas gestalten kann, auf denen ich das alles ausprobieren könnte.
R::bert
Ja richtig! Man könnte aber den Futura- und Univers-Kunden mal etwas entgegen kommen ; )
czyk
„Ressourcen“: Ich wollte erst ernsthaft was zum Thema Senkung der Staatsverschuldung durch konsequentes Sparen an Schrift und Typografie, aber dann wars mir doch zu blöd ;) Doch dabei war mir dieser hübsche Satz eingefallen mit der Handschrift und der Tinte, den ich zu schön fand, um ihn wieder zu löschen – weil er ja ein Lichtchen auf das eigentliche Problem wirft: nämlich unseren verschwenderischen Umgang mit Ressourcen, der in der Tat sehr zu geisseln ist! Aber eben nicht durch Verzicht auf Kultur(dienstleistung).
@ Erik: Ja, so viele tolle neue Schriften, dass es schmerzt, sie nicht alle einsetzen zu können!
HD Schellnack.
>dass es schmerzt, sie nicht alle einsetzen zu können!
Amen – so viele Kunden kann man derzeit gar nicht haben, wie es gute bis herausragende Releases gibt. Immer wenn ich denke, Chris Rehberger hat Recht und man sollte sich auf 10 Schriften eingrenzen (seine Arbeit beweist ja, wie eben doch verschieden und zugleich irgendwie «bündiger» die Ergebnisse so werden) , kommt eine neue grandiose Schriftenfamilie auf den Markt und man denkt doch sofort darüber nach, was man damit schönes anstellen könnte.
Schwalbenkoenig
Darf ich R::berts Frage (wie ich meine) noch verdeutlichen? Herr Spiekermann, ist es geplant, die ehemaligen exklusiven Hausschriften von Nokia etc. auch als Retail-Fonts herauszubringen?
erik spiekermann
Das kann ich nicht sagen, mir gehören sie ja nicht.
Dieser Spruch (auch von Weidemann seinerzeit immer gerne gebracht) ist nur eine Ausrede für Faulheit. Möchte mal wissen, ob Chris immer die gleichen 10 Musikstücke hört und seit 20 Jahren keinen Film mehr gesehen hat. Gestaltung ist eben Arbeit, und die macht Arbeit.
Schwalbenkoenig
Tatsächlich? Ist es bei Schriften nicht auch so wie bei Fotografen u.a., dass dem Schöpfer das Werk gehört, nur der Benutzer (exklusiv) die Schrift verwenden darf? Oder haben Sie Ihren Exklusiv-Schriften eine immerwährende Lizenzvereinbarung mit dem Kunden gewährt? Andere Schriftenhäuser bringen ja auch ihre ehemaligen Exklusivschriften nach Ablauf der Lizenzvereinbarung als Retail-Font heraus.
HD Schellnack.
>Dieser Spruch (auch von Weidemann seinerzeit immer gerne gebracht) ist nur eine >Ausrede für Faulheit.
Das Zitat ist etwas verzerrt – ich habe ja gesagt, manchmal denke ich…
Das Ding ist, Chris‘ «Faulheit» wie du es nennst, sieht nun wirklich verdammt gut aus. Sie schafft einen kohärenten Charakter in seiner Arbeit für verschiedene Kunden und sozusagen qua Einschränkung einen Stil, der dann durch andere Mittel gebrochen wird. Im besten Sinne samesamebutdifferent. Ich halte Chris für einen verteufelt guten Designer (und ein guter Designer kann und darf ja auch mal faul sein, im Sinne von effizient), und wenn so einer sagt: 10 reicht, dann denke ich über so was im Hinblick auf meine eigene Haltung natürlich und auch gern nach. Der Mann spielt nur ein Instrument, im übertragenen Sinne, und kriegt zig verschiedene Sounds daraus – das ist enorm respektabel, denn eine schlichte Moderne à la Vignelli fährt Chris ja nicht unbedingt.
Ich erinnere mich auch, das Niklaus Troxler mir mal erzählte, Geheimnis seiner großen Kreativität bis in die hohen Jahre sei, dass er sich immer wieder Dinge wegnähme und selbst Grenzen setzt. Dieses Plakat jetzt NUR in Schwarzweiß. Dieses NUR als Collage. Dieses NUR handmade. So kleine, selbstgewählte Grenzen – und darin findet er dann wieder Möglichkeiten, auszubrechen und sich gegen die (eigenen) Grenzen zu wehren und wird dadurch kreativ. Finde ich nicht faul, finde ich eine sehr nachvollziehbare Strategie, um sein Gehirn unter Feuer zu halten – und Niklaus Arbeit spricht da ja für sich.
Aber unterm Strich bin ich ein Fontjunkie, plain & simple. Ich mag die kleinsten Unterschiede, die feinsten Nuancen, ich könnte nie nur mit Univers durchs Leben, ich liebe es, immer wieder ein anderes Instrument zu spielen, mich auch mal zu verspielen, aber ich bin effektiv viel zu neugierig, um immer wieder die gleichen Schriften in die Hand zu nehmen. Für mich gilt das absolut perfekt passende, leider schon von dem grandiosen Bill Cahan verwendete «I am always hungry». Und ich will eben nicht jeden Tag Schinken und Ei essen.
Aber – und das ist das schöne – unter dem «Umbrella» Design finden wir alle auf ganz unterschiedlichen Wegen zu (hoffentlich) guten Ergebnissen und (hoffentlich) Erfolg. Ich glaube gerade in unserem Feld gibt es kein «falsch» und «richtig» im Weg (vielleicht aber in den Resultaten, keine Ahnung) – und das ist auch gut so. Ich entdecke immer, dass ich in bestimmten Dingen 400% wie Kollegen denke, in anderen einen ganz anderen Weg habe. In der Art, den Kunden ins Zentrum zu stellen, also eine Dienstleistung zu liefern, bin ich glaube ich immer sehr von dir und deiner irgendwie «britischen» Denke inspiriert, ich mag viel «künstlerische» Sachen, aber am Ende lande ich immer bei Strategie, Neugier, Ordnung – und bei so Sachen die du lange vorher bei Meta und jetzt bei Eden so phantastisch machst und die andere Büros ja auch so denken… während andere Kollegen atemberaubende Sachen machen, indem sie ganz intuitiv und künstlerisch, mit «House Style» und durchaus auch sehr egozentrisch (also eigenen Inhalten/Zielen folgend) vorgehen.
Wäre es anders, wär die Branche auch gräßlich langweilig, oder?
Es ist weder bei Weidemann noch bei Chris insofern «Faulheit», sondern ein eigener Weg zu eigenen Zielen, und es gibt kaum spannenderes, als von solchen anderen Wegen mitzulernen. (Find ich). Ich kenne ja nicht SO viele Kollegen, weiß aber, das mich immer wieder ansteckt, wie ein Uebele, ein Erler, ein König, ein Sagmeister denkt – selbst wenn die Ergebnisse nicht unterschiedlicher sein könnten, weil ich sehr angewandt arbeite und Eike nun so gar nicht, ist doch immer verblüffend, meine Sicht in seiner zu finden und dadurch wieder zu lernen und (immer noch, und bitte noch lange) zu LERNEN.
Argh, ich WOLLTE kürzer schreiben (Ehrenwort, demnächst nur noch mit iPhone, das diszipliniert ;-D).
czyk
Streng dich mal an, HD-Mann ;) Guck, wie einfach kurz geht:
Für wen soll das gut sein: ein kohärenter Charakter der Arbeit eines Gestalters für dessen unterschiedliche Auftraggeber? Für seine unterschiedlichen Auftraggeber etwa?
Aber das wäre vielleicht ein gutes Thema für einen extra Blogeintrag …
HD Schellnack.
>Guck, wie einfach kurz geht.
Für dich, ich erfind immer beim Schreiben.
Und du hast ja komplett recht – und da ich auch klientenzentriert arbeite, funktionieren wir ja auch genau so. Wir haben uns sozusagen nicht auf einen «Style» oder eine Branche spezialisiert, sondern auf einen Typus von Denken und Zusammenarbeiten – ich find sogar wichtig, immer wieder komplett andere Projekte und Dinge am Start zu haben. Ich bin ja neugierig. Auch wenn Klienten sich damit schwer tun, dass es gut sein kann, wenn ein Designer etwas zum ERSTEN Mal tut statt zum HUNDERSTEN Mal.
:-D
erik spiekermann
Ja, weil es anders bei großen Unternehmen nicht geht. Lässt sich weder kontrollieren noch sanktionieren. Wir haben leider nicht den Status von Architekten, wo auch noch die banalsten Bauten urheberrechtlich geschützt sind und kein Türgriff ohne Zustimmung des Urheber verändert werden darf.
mr johnson
Werden die Grossbuchstaben noch eingerahmt (quasi wie bei den app-icons), und auch vier Farben benutzt? (also Pier A rot, B grün, C orange, D blau).
Wäre das so nicht viel übersichtlicher?
Sibylle Schlaich
Nein, die großen Buchstaben/Gatebereiche werden nicht eingerahmt und auch nicht farblich codiert.
Die Farbe des Leitsystems ist rot, es ist bewusst ein Akzent in der Architektur, hier taucht Rot ansonsten nicht mehr auf. Dadurch wird es eindeutig und gut erkannt werden. Zusätzlich zum Rot als Farbe für Fluginformation gibt es noch ein dunkles Grau für die Serviceinformation. Das heißt, durch diese konsequente Reduktion der Farbigkeit können wir die Information deutlich verständlich und erkennbar halten.
Wir/Moniteurs haben uns bewusst gegen eine Farbkodierung der Gate/Pierbereiche entschieden. Dieser Flughafen, wie auch alle anderen Großflughäfen auf der Welt, ist auf Wachstum angelegt. D.h. auch das Leitsystem wächst mit und über die Jahre würde das Leitsystem immer bunter werden. (Siehe Madrid Barajas, 14 Farben). Die Unterscheidung wird dann immer schwieriger.
Zur deutlichen Erkennbarkeit erscheinen die Gatebuchstaben durchgehend im ganzen Gebäude in einem anderen Tonwert als die übrige weisse Schrift. Unterschiedliche Informationsebenen im Leitsystem werden von uns überall auf doppelte Weise unterschieden, also z.B. durch Farbton und Schriftgröße oder durch Schriftschnitt und Schriftgröße – eine Besonderheit des Leitsystems.
Wir können durch die sogenannte Tonwertoptimierung der Gatebuchstaben sehr groß abbilden, ohne dass der Betrachter in weiße überstrahlende Löcher blickt. Das heißt die Formen von A, B, C, D werden für sich sprechen.
G H O S T A R M Y
Hier gibt es noch mehr Bilder:
http://ghostarmy.de/
Viel Spaß,
Jonas, Lars und Alex
Zoran
Ganz ehrlich die Verbindungen zum Flughafen sollen wirklich gut werden. Auf der offiziellen Seite des Flughafens fand ich dieses Beschreibung:
„Der Airport-Express verbindet den Flughafen Berlin Brandenburg im 30-Minuten-Takt mit der Berliner Stadtbahn (RE7, RB14) sowie ebenfalls im 30-Minuten-Takt mit der Achse Südkreuz-Hauptbahnhof (RE9). Damit besteht vier Mal stündlich eine Verbindung zwischen Hauptbahnhof und BER. Zusätzlich verkehrt die S-Bahn im 10-Minuten-Takt (S9 und S45).
Die RB22 führt von Potsdam über Golm zum BER, ab dem Potsdamer Hauptbahnhof beträgt die Fahrzeit 42 Minuten. Weitere Direktverbindungen nach Brandenburg führen mit dem Airport-Express über die Berliner Stadtbahn und Potsdam Babelsberg nach Dessau (RE7) sowie über Königs Wusterhausen nach Senftenberg (RB14).
Zahlreiche Busverbindungen ergänzen das Angebot im Personennahverkehr: Die Schnellbusse X7 und X11 verbinden den BER im 5-Minuten-Takt mit Rudow und damit dem Anschluss an die U-Bahnlinie
U7, die X11 fährt weiter über Lichterfelde-West nach Dahlem. Weitere Buslinien verkehren ebenfalls zu Anschlussmöglichkeiten an das ÖPNV-Netz und Zielen in Brandenburg.“
TJ
Schön wär’s. Erforderlich ist eine „künstlerische Höhe“ des Bauentwurfs, die von Richtern – gestalterischen Laien – fast nie attestiert wird. Deshalb werden solche Prozesse auch nur sehr selten angestrengt und noch viel seltener gewonnen. Aus Architektenperspektive existiert dieses Urheberrecht de facto nicht.
Zum Thema Staatsverschuldung und dem „Luxus“ einer eigenen Schrift: Der Flughafen ist doch ein Unternehmen, das sich im int. Wettbewerb positionieren muss. Dazu kann eine eigenständige visuelle Identität beitragen. Es geht nicht nur um höhere kulturelle Werte, sondern um einen konkreten Nutzen. Wenn man bedenkt, dass die wirtschaftl. Ausgangslage für diesen Flughafen (Passagier- und Frachtaufkommen der Region) nicht wirklich einfach ist, halte ich diese besondere Differenzierungs-Anstrengung im Wettbewerb für hinreichend begründbar.
Florian
Da ist man als Designer schon einmal rechtzeitig mit seinem Job fertig, bekommt der Kunde den Rest nicht auf die Reihe :)
R::bert
Dazu gibt es heute 20.15 Uhr eine sicher spannende Dokumentation im ZDF. Im Beschreibungstext auf heute.de heißt es:
Mehr Informationen hier: Der Fluchhafen Berlin