»Diese Schrift sollte sich Ikea mal ansehen …«
Ein Gespräch mit dem Kölner Typedesigner Felix Braden, der drei Jahre an seiner neuen Sans-Familie FF Scuba arbeitete
Er gehört noch nicht zu den großen internationalen Namen im Schriftdesign, was sich mit der gerade erschienenen FF Scuba sicherlich bald ändern wird. Felix Braden studierte an der Fachhochschule Trier bei Prof. Andreas Hogan Kommunikationsdesign, war einer der Gründer von Glashaus Design und hob bereits 2000 seine eigenes Schriftenlabel Floodfonts aus der Taufe. Seine Lizenzschriften erschienen zuletzt bei Fountain (Capri, Sadness), URW++ (Supernormale), Volcano Type (Bikini) und kürzlich bei FontFont. Wir sprachen mit Felix Braden, um mehr über sein typografisches Wirken in den zurückliegenden Jahren zu erfahren.
Felix, deine Bekanntheit in der Designszene basiert vor allem auf deiner Website Floodfonts.com und deiner Twitter-Identität @floodfonts. Seit 12 Jahren gibt es Floodfonts, ab 2004 kamen einige deiner Free-Fonts im Netz groß raus, zum Beispiel Moby und Hammerhead. Wirst du diese Schriften auch demnächst ausgebaut neu veröffentlichen?
Den meisten Spaß am Schriftgestalten habe ich eigentlich mit den ersten 52 Zeichen. Die Chance, dass ich ein altes Alphabet ausbaue, ist eher gering: Da bleibt ja nur Fleißarbeit übrig (Grinsen). Es müsste sich schon eine besondere Gelegenheit bieten. Als vor kurzem der Webfont-Service Typekit auf mich zukam und anfragte, ob sie Moby, Hydrophilia und Bigfish in ihr Programm aufnehmen könnten, war dies eine solche Gelegenheit. Deren Konzept, das komplette Hosting der Webfonts zu übernehmen, hat mich sofort begeistert. Die überarbeiteten Print-Fonts mit den erweiterten Zeichensätzen biete ich trotzdem kostenlos auf Floodfonts an.
Du hast an der FH Trier studiert. In den letzten Jahren sind einige Schriftdesigntalente aus Trier bekannt geworden, zum Beispiel Stefan Hübsch und Sascha Timplan. Gibt es an der FH spezielle Kurse zu Schriftdesign?
Leider wurde Schriftdesign zu meiner Studienzeit in Trier nicht als Fach angeboten. Soweit ich weiß hat sich daran auch nichts geändert. Allerdings gibt es einen guten Lehrer im Fach Typografie, Prof. Andreas Hogan, der die Studierenden immer wieder animiert, sich mit Schriftgestaltung zu beschäftigen. Er hat mich bei der Gestaltung meiner ersten Alphabete sehr gefördert. Man hatte zu meiner Zeit wenigstens die Möglichkeit, im Fach Typografie eine selbst gestaltete Schrift als Semesterarbeit einzureichen.
Bevor du dich intensiv mit dem Schriftentwerfen beschäftigt hattest, erschienen bereits ersten digitalen Alphabete von dir. Waren das für dich auch so 90er-Jahre-Schriftexperimente, wie sie von vielen exerziert wurden, die zum ersten Mal mit der Software Fontographer Bekanntschaft machten? Oder lauerte da eine tiefere Liebe auf den ersten Blick?
Irgendwie beides: Nach meinem Abitur 1993 wollte ich unbedingt zeichnen und Grafik-Design studieren. Ohne davon eine richtige Vorstellung zu haben, suchte ich mir einen Praktikumsplatz in eine Werbeagentur. Mit Glück landete ich bei Gaga, einem ambitionierten Designbüro in dem genau die experimentierfreudige Aufbruchstimmung der Neunziger herrschte und mir wirklich eine ganz neue Welt eröffnete. Hier traf ich auf den Designer Jens Gehlhaar, mit dem ich schon vor meinem Studium einen richtig guten Lehrer in Schriftgestaltung hatte. Die Tatsache, dass Fontographer zu dieser Zeit gerade total angesagt war und jeder Designer damit ’rumspielte, war hilfreich um Hemmungen abzubauen. Mein erstes Alphabet habe ich innerhalb einer Woche für das Demotape einer befreundeten Metal-Band digitalisiert.
Wenn Du einem Schriftdesig-Einsteiger einen Rat geben solltest, was würdest du empfehlen?
Nicht zögern, einfach machen! Beim Schriftgestalten rächt sich planloses Arbeiten zwar später auch mal, aber man muss ja nicht gleich mit einer Großfamilie starten.
Neben dem Schriftentwerfen arbeitest du vor allem als Grafikdesigner. Wir würdest du diesen Teil deiner Arbeit charakterisieren?
Ich bin froh, dass ich nicht nur Typedesign mache, sondern mich auch mit Editorial-Design, Corporate-Design und Illustration beschäftigen kann. Mir haben Ausflüge in andere Design-Bereiche immer sehr viel gebracht und auch der Austausch mit Leuten aus anderen Disziplinen. Wenn ich mich einordnen sollte, dann irgendwo zwischen Illustration und Typografie – meine gestalterischen Wurzeln liegen sicherlich im Zeichnen und Schrift ist das Thema, das mich in den letzten Jahren am meisten interessiert und beschäftigt hat. Letztendlich denke ich, dass mir beide Interessen beim Type- und Logo-Design sehr hilfreich sind und sich das, was ich jetzt tue, irgendwie zwangsläufig daraus ergeben hat.
Du wohnst und arbeitest in Köln. Wie erlebst du die lokale Designszene der Domstadt? Tickt sie anders als die der übrigen deutschen Design-Metropolen?
Ich weiß nicht, ob es in Zeiten von Behance und den immensen Möglichkeiten des Online-Austauschs unter Designern noch so etwas wie länderspezifische Stilrichtungen gibt, geschweige denn städtespezifische. Einen typischen Kölner Stil konnte ich jedenfalls noch nicht entdecken. Mir persönlich ist der direkte Austausch mit anderen Designern sehr wichtig. Leider ist die Typedesign-Szene in Köln sehr klein. Wir bekommen nur selten einen Typostammtisch hin, dem ich dann wochenlang entgegenfiebere. Dabei besuchen uns immer wieder mal interessante Gäste, wie Indra Kupferschmid, Dan Reyolds oder Alex Rütten, die mir eine große Inspirationsquelle sind. Manchmal schaue ich etwas wehmütig auf die Designszenen in Berlin und München, wo es fast wöchentlich ein solches Angebot gibt.
Was die Geschichte der Stadt angeht, finde ich Köln allerdings höchst interessant. Sobald jemand im Stadtgebiet ein Loch buddelt, kommt irgendein spektakulärer Fund zu Tage. Allein im Römisch-Germanischen-Museum finden sich viele großartige (typo)grafische Arbeiten aus der Antike, so dass sich ein Besuch unbedingt lohnt.
FF Scuba ist deine erste Schrift für die FontFont-Bibliothek. Zuvor erschienen bereits andere Familien bei Fountain, URW++ und Volcano Ttype. Was war anders bei FontFont?
Die Zusammenarbeit mit Fontfont war super. Die Intensität der Betreuung und auch der Aufwand, der in die Entwicklung von FF Scuba investiert wurde, waren bemerkenswert. Besonders dankbar bin ich dem typografischen Direktor bei FontFont, Andreas Frohloff, der mir unzählige Korrekturvorschläge gemacht hat und die Schrift einen Riesenschritt nach vorne gebracht hat. Während der zwei Jahre, in denen wir gemeinsam an Scuba gearbeitet hatten, habe ich enorm viel über Schriftgestaltung gelernt. Der Fairness halber muss ich ergänzen, dass ich bei den anderen Labels mit einem höheren Prozentsatz an den Verkäufen beteiligt bin. Ich denke, in der Summe haben beide Konzepte ihre Berechtigung.
Wenn du deine ersten Entwürfe auf Papier mit dem digitalisierten Endergebnis vergleichst, wie viel vom Original-Feeling steckt da noch drin?
Zur Premiere von FF Scuba habe ich einige alte Skizzen ausgegraben und war sehr überrascht, wie viel Ähnlichkeit das Endergebnis mit den Skizzen hat. Die Doppelseite »cobang« ist tatsächlich die erste Skizze, die ich zur Scuba – damals hieß sie noch Adria – gemacht habe. Einige Seltsamkeiten, wie die konisch zulaufende Oberlänge habe ich noch entfernt, aber ansonsten ist das doch recht nah an der Release-Version, oder?
Wie haben jüngst vernommen, dass eine der Inspirationen für Scuba der Wunsch war, einen Offline-Parter für Verdana zu schaffen. Wo gibt es eine Verwandtschaft zwischen Scuba und Verdana, wo liegen die Unterschiede?
Die größte Ähnlichkeit mit Verdana hat FF Scuba in der Fernwirkung, bzw. am Bildschirm in kleinen Größen. Doch selbst in diesen Fällen läuft sie enger, und ihre Buchstaben sind viel schmaler. Sobald die Lettern größer werden und die Details wie die konisch zulaufenden Enden der Stämme oder die ans Rechteck angenäherte o-Form erkennbar sind, besitzen die Schriften kaum mehr Ähnlichkeit. Gerade bei den fetteren Schnitten zeigen sich die Unterschiede sehr deutlich: Bei Verdana Bold sind die Horizontalen – durch die Orientierung am Pixelraster – nur fast halb so schwer wie die Vertikalen. FF Scuba fehlt dieser Kontrast völlig, ihre Horizontale wirkt richtig massiv.
Manche Schriftentwerfer berichten von Blockaden, worauf sie wochenlang keine Buchstaben mehr sehen können oder wollen. Kennst du das Gefühl auch, wenn ja, wie überwindest du so was?
Leider gibt es immer mal wieder Phasen, in denen ich einfach keine Lust auf Buchstaben habe. Glücklicherweise ticken die Uhren im Typedesign langsam. In der Regel kann ich mein Projekt dann einfach zur Seite legen, etwas anderes machen und abwarten, bis der Drang wieder da ist. Meistens geht das recht schnell.
Gibt es deiner Ansicht nach Grafik-Jobs, bei den Scuba die erste Wahl sein könnte?
Ich denke, Scuba hat viel Charakter und ist für eine Mengensatz-geeignete Sans sehr eigen. Alleine das macht sie zu einem guten Tool zur Markenbildung. Ich glaube, mit Scuba ist es mir gelungen einen warmen, menschlichen Aspekt in einen sehr kühlen, technischen Designansatz einfließen zu lassen. Ein Kontrast, der meiner Meinung nach das Besondere der Schrift darstellt. Somit wäre Scuba perfekt geeignet für Unternehmen mit einer hohen technischen Affinität, die trotzdem den Menschen im Mittelpunkt ihres Handelns sehen, zum Beispiel in der Medien- und Computerbranche.
Jeder Designer träumt von einem Idealauftrag oder -kunden. Wenn du die freie Wahl hättest … wem würdest du mit FF Scuba ein Redesign verpassen?
Wie wahrscheinlich viele andere Type-Designer war ich vor einigen Jahren von der Nachricht schockiert, dass Ikea Verdana als neue Hausschrift durchgängig für alle Medien verwenden werde und somit Bequemlichkeit und Kostenersparnis über alle Designkriterien stellt. Ich kann mich nicht mehr richtig erinnern, aber ich glaube irgendwann in dieser Zeit habe ich mit der Arbeit an Scuba begonnen. Ich würde mich extrem freuen, wenn sich Ikea die Schrift mal genauer ansehen würde, um sie irgendwann als Hausschrift für Print und Verdana weiterhin am Bildschirm einzusetzen – von mir aus auch für die Korrespondenz.
Vielen Dank für das Gespräch, Felix.
Für kurze Zeit gibt es FF Scuba OT Regular und Web (Std Western) als kostenlosen Testfont.
Bezugsquelle: FF Scuba auf www.fontshop.com (bis 30. Juni 2012 gibt es 20 % Rabatt mit dem Promocode FS_Promo_FSD_2.0)
PDF mit vielen Schriftmustern und erläuternden Texten: FF Scuba-Broschüre
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