❤ der Woche: »Arabic Graffiti«, nur 24,95 €
Es gibt auf der TYPO Berlin eine kleine Bühne, die ohne Ticket erreicht werden kann. Sie liegt in einer Ecke des Haus der Kulturen der Welt, die an gewöhnlichen Tagen »Café Global« heißt und sich während unsere Designkonferenz zur TYPO Stage verwandelt. Auf ihr treten entweder die großen Stars ein zweites Mal auf, oder Talente mit speziellen Themen locken das Publikum an, oft auch den lokalen Nachwuchs, der sich kein TYPO-Ticket leisten kann.
Am Samstag, dem 21. Mai 2011, platzte die Stage aus allen Nähten. Was war da los? Der libanesische Designer und Schriftentwerfer Pascal Zoghbi aus dem Libanon stand dort um 15:00 Uhr auf den Brettern. Er ist der Gründer von 29letters, ein Büro für Gestaltung und arabische Typografie in Beirut. Zoghbi entwirft neue arabische Schriften, CIs und Print-Publikationen und lehrt an Hochschulen. 2006 machte er seinen Master of Design im Type & Media-Kurs der angesehenen Königlichen Kunstakademie in Den Haag. Zur TYPO nach Berlin hatte er sein frisch erschienenes Buch Arabic Graffiti mitgebracht, aus dem er erstmals öffentlich Bilder zeigte … und die Berliner Street-Art-Szene lag ihm zu Füßen.
In dem Buch beleuchten Pascal Zoghbi und der Graffiti-Künstler Stone aka Don Karl die gesamte Bandbreite an unterschiedlichen Erscheinungsformen arabischer Buchstaben. Zur Einführung, gerade auch für westliche Leser, widmen sie sich der traditionsreichen Geschichte des arabischen Alphabets. Sie erklären in vier spannenden Essays, wie sich die Schrift im Laufe der Zeit entwickelt hat und heute in der Öffentlichkeit eingesetzt wird – vom Grafiker bis hin zu den Künstlern. Mit wenigen Worten und vielen Bilder weisen sie anschließend nach, wie die Kunst der eigenen Schrift für ein neues grafisches Selbstbewusstsein der jungen Araber gesorgt hat, die mit der HipHop-Kultur groß geworden sind. Ob Graffiti in Palästina oder Street Art in Beirut, die Illustrationen und Fotos beleuchten eine für uns neue Seite der von Krieg und Zerstörung heimgesuchten Gebiete und ermöglichen Einblicke in eine fremde urbane Kultur, die gleichwohl Ähnlichkeiten mit Berlin, Hamburg oder Frankfurt aufweist.
Doppelseite aus Arabic Graffiti: links das Plakat für eine Vorlesung von Pascal Zoghbi in Zouk, rechts die Auftaktseite zu Kapitel 4.1, das sich dem arabischen Corporate- und Logo-Design widmet
Selten war der Stellenwert von arabischer Street Art und Graffiti-Kunst derart bedeutend wie in den vergangenen 12 Monaten. Die Revolution ist in vielen Städten des Nahen Ostens angekommen. Dabei sind Spruchbänder, gezeichnete Plakate und Wandmalereien in arabischen Lettern ein wichtiges Sprachrohr für den friedlichen Protest. Parallel dazu erlebt die arabische Kalligraphie auf Werbeträgern, Ladenschildern oder im Packaging Design eine Renaissance und eine Reform.
Doppelseite aus Arabic Graffiti: links das Plakat »Stop The Siege« (Schluss mit der Belagerung) von Aly Bchennaty, rechts das Plakat »Entfernt den Müll aus meinem Kopf« von Typism, Kalligrafie von Hussein Al-Azaat (2008)
Das Buch »Arabic Graffiti« ist weitaus mehr als ein Bilderbuch zum Thema Street-Art. Je länger man blättert und liest, um so mehr entwickelt es sich zur Diskussionsbühne über den Stellenwert der arabischen Typografie. Erklärtes Ziel des Buches ist neben der Dokumentation der Szene und der Verknüpfung lokaler Künstler die Sensibilisierung der westlichen Szene für die arabische, kalligrafische Seite der Kunst. Für uns Außenstehende ist es spannend zuzusehen, wie sich die jahrtausendealte Schrift Stück für Stück von ihrer Herkunft emanzipiert und in den urbanen Raum eindringt, um sich langsam, aber beständig zur Kunstform zu entwickeln.
Das Kunst-Magazin art schreibt dazu: »Das ist auch deshalb erfrischend, weil die arabische Schrift in diesem Kontext nicht ausschließlich als heilige Schrift des Korans betrachtet wird, sondern vorrangig als Ausdrucksmedium einer neuen, visuellen Kultur, die das alte Establishment herausfordert. Und weil sich die klaren arabischen Statements wie ›to exist is to resist‹ schnell und ungefiltert ausbreiten sollen, fällt die Wahl der Künstler weniger auf das zuweilen kontrollierte Medium Papier. Stattdessen werden die Wände alter Shops oder Lastwagen zu einer visuellen Petition. Auf ihnen mutiert die feine Kalligrafie zum ausdrucksstarken Graffito.«
Pascal Zoghbi signiert »Arabic Graffiti« auf der TYPO Berlin 2011, im Foyer des Haus der Kulturen der Welt (alle Fotos: © Alex Blumhoff)
art weiß auch, dass sich Zoghbi und Stone auf einen Graffiti Workshop namens »Bombing Beirut« kennen gelernt haben, den Stone organisierte. Dort produzierte der libanesische Schriftentwerfer zum ersten Mal ein eigenes arabisches Graffiti. Seitdem teilen die beiden ihr Leidenschaft für die zwangsläufig politisch geprägte arabischen Graffiti-Szene. Während der Buchentstehung konzentrierte sich Stone, der im Gegensatz zu Zoghbi nicht der arabischen Sprache mächtig ist, auf die ästhetischen Botschaften der ausgewählten Kunstwerke.
Über Pascal Zoghbi: Mit seinem jungen Büro 29letters hat Zoghbi bereits einer beeindruckende Zahl von Designprojekten fumgesetzt, zum Beispiel moderne arabische Schriften für Emarat Al Youm, AlWatan & Al Rouiah und andere führende Zeitungen im Nahen Osten, für prominente Locations (Ibn Battuta Mall, Madinat Jumeirah, Abu Dhabi Airport Terminal 3, Abu Dhabi Embassy in USA), Kunstveranstaltungen und Journale (ContempArabia & Alef Magazine). Gemeinsam mit Martin Majoor und FSI schuf er die arabische Version von FF Seria. Des weiteren schuf er Corporate Identities für Art Reoriented, Oryx Magazine, Middle East International Film Festival MEIFF, Viceroy Hotel Group, Jabria Industrial, und viele mehr. Zoghbi war Teilnehmer der Typographic Matchmaking 01 und 02 Projekte der Khatt Foundation und Dozent für Typografie und Graphic Design an der Lebanese American University LAU, Notre Dame University NDU, American University of Beirut AUB und anderen Akademien im Libanon. Er hält Vorträge zum Thema arabische Typografie, organisiert Workshops und schreibt ein Blog.
4 Kommentare
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Frank
Das Buch scheint vielversprechend zu sein!
Frank (2)
… warum ist der Info-Text in englisch? verkauft ihr die bücher jetzt auch in den usa?
Jürgen Siebert
Das Buch ist in englisch geschrieben und wendet sich an ein internationales Publikum … das hätte ich vielleicht noch in diesem Beitrag erwähnen sollen. Wenn die Artikelbeschreibung auf http://www.fontblog.de in englisch veröffentlicht ist wird automatisch klar, dass für das Lesen des Buchs englische Sprachkenntnisse Voraussetzung sind. Daher übersetzen wir den Beschreibungstext des Verlags nicht ins Deutsche.
Bauhaus
@Admin
Gibt es denn keine Chance, dieses vielversprechende Buch in deutscher Auflage zu bestellen? Danke für das kurze Feedback!