Der unaufhaltsame Sturz von Vanity Fair

Als ich vor 6 Wochen unser neues Life-Style-Magazin begrüßte (Willkommen, Vanity Fair), klang alles so viel­ver­spre­chend. Der Verlag Condé Nast machte uns in einer Pressemitteilung so richtig scharf: »… eine der größten Zeitschriftenmarken der Welt, startet diese Woche in Deutschland. Die neue wöchent­liche Zeitschrift aus Berlin verbindet die visu­elle Opulenz und die intel­lek­tu­elle Tiefe einer anspruchs­vollen Monatszeitschrift mit dem aktua­li­täts­be­zo­genen Qualitätsjournalismus eines wöchent­li­chen Nachrichtenmagazins und bietet eine einzig­ar­tige Themenmischung aus Kultur, Politik, Wirtschaft, Stil und Gesellschaft. Es ist der wich­tigste Launch einer Zeitschrift seit 15 Jahren in Deutschland.«

Chefredakteur Dr. Ulf Poschardt verkün­dete in Interviews: »Jeder deut­sche Politiker, jeder deut­sche Star ist cover­taug­lich – dann, wenn er das radikal Richtige denkt und tut und dafür Mehrheiten findet. … ›Vanity Fair‹ ist ein Heft für Mover & Shaker, also Schlüsselfiguren unserer Gesellschaft.«

Doch der Titel der Startausgabe hätte uns eine Warnung sein sollen: Unter dem schwarzen Typo-Umleger erblickten wir Till Schwaiger mit bloßem Oberkörper und einem Zicklein im Arm. Letzte Woche lächelte uns Angela Merkel auf dem Vanity-Fair-Cover entgegen (die exklu­sive Haus-Schrift war bereits abge­wi­ckelt), was sicher­lich zu einem Verkaufseinbruch führte. Heute ziert ein Verkaufs-Garant die Titelseite: Eisbär Knut. Dass man gleich­zeitig die Seele seines jour­na­lis­ti­schen Anspruchs mit verkauft … wen kümmert das wirk­lich noch? Auf Wiedersehen, Vanity Fair.

Pressemitteilung von Vanity Fair zum Knut-Titel.


12 Kommentare

  1. AM

    Junger Vadder. Das sieht doch stark nach Satire aus. Oder doch war? Und, wie kann man das noch toppen?

  2. Nick Blume

    Schade, schade. Das erste Cover, das ich auch gekauft habe, war genial. Und jetzt. Nur Mainstream. Chance verpasst, zur Typo-Nr. 1 der Lifestyle-Magazin zu werden.

  3. Jürgen

    Es ist keine Satire … den genauen Titel liefer ich nach, wenn er auf der Vanity-Fail-Seite online ist … ich habe gerade keine Zeit, das aktu­elle Heft zu kaufen … ist mir heute Morgen ganz kurz an der Tankstelle ins Auge gefallen.

  4. robertmichael

    ich könnte wetten das die verkauf­zahlen mit der knut-ausgabe höher sind als die mit dem merkel­cover. da sieht man mal wieder was in deutsch­land wirk­lich wichtig ist. tschüss vanity.

  5. Marc

    Hallo Herr Art-Direktor: Frau Merkel sieht aus wie aus Wachs und Knut leider wie ausge­stopft. Wo bleibt da der Lifestyle?

  6. Marketingblogger Michael

    Der „Ach ist der süüüüß“-Faktor ist eben gnadenlos und macht vor nichts halt ;-) Hat bisher schließ­lich noch jede Verkaufszahl/Quote in die Höhe getrieben …

  7. robertmichael

    ich find angela aber auch süüüß. irgendwie erin­nert mich ihr bild an lady diana.

  8. Achim Schaffrinna

    Nach lang­at­migen Geschichten um die Gesundheitsreform, die Stoiber-Nachfolge oder auch den Auslandseinsätzen der Deutschen Bundeswehr braucht die versam­melte Journalistenzunft anschei­nend eine Verschnaufspause. Anders ist der Medienhype um den weißen Petz nicht zu erklären. Neuer Volkssport der Deutschen „Bärenschießen“. Dabei ist zweit­ran­ging ob man mit Flinte oder Kamera bewaffnet ist. 

    Die Tatsache, dass die Vanity Fair an dieser Jagd teil­nimmt, lässt wirk­lich schlimme Verkaufszahlen der ersten Ausgaben befürchten. Ich fänd’s schade, wenn das Blatt vom Markt fliegt. Offensichtlich versucht man zu retten, was zu retten ist. Mutig und anspruchs­voll sieht anders aus, als die Titelseite der Ausgabe 14.

  9. Bruno Knutson

    Es bleibt nur zu hoffen dass Ulf Poschardt bald Bruno in die ewigen Jagdgründe folgt.

  10. sisignora

    Haben wir Nachsicht mit der Redaktion. Sie ist offen­sicht­lich total über­lastet. Ich gehöre zu jener Spezies, die nicht nur auf den Titel schaut, sondern auch auf den Inhalt. Mein Hobby ist es, ein allge­meines Thema heraus­zu­pi­cken und dann zwischen diversen Zeitungen und Zeitschriften zu verglei­chen, wer denn von wem abschreibt bzw. wer es schafft, neben all der Einhheitssoße einen eigenen Aspekt oder einen beson­ders schönen Schreibstil hinzu­be­kommen. Gelingt das jemandem, gibt’s einen Extrapunkt in Sachen »guter Journalismus«.
    Zur Zeit ist »Knut« mein Thema, und ich habe der Vanity Fair einiges zuge­traut. Doch was ist passiert? Der Artikel in Vanity Fair war gar nicht lesbar – fast eine ganze Seite der Reportage war doppelt gesetzt, und dafür hörte der Rest einfach so, mitten im Satz, auf. Das ist mir in diesem Ausmaß mein ganzes Leseleben lang noch nicht unter­ge­kommen. Wird bei Condé Nast so mit der heißen Nadel gestrickt, dass man weder auf Cover-Grafik, noch auf Story-Telling und schon gar nicht auf Schlussredaktion bauen kann? Äußerst pein­lich, finde ich.
    Und es bestärkt mich in meiner anfäng­li­chen These, dass das Magazin in unserem Land nicht zum Wochenmagazin, sondern eher zum Monats- oder maximal Zwei-Wochen-Magazin taugt. Arbeitslose Journalisten herge­hört: Die Vanity Fair braucht drin­gend einen guten Schlussredakteur!

  11. Ivo

    Der gute Herr Statler liest sich durch die aktu­elle Ausgabe der Vanity Fair, was wiederum selbst offen­sicht­lich lesens­werter als die VF selbst ist.

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