DER SPIEGEL auf dem iPad: grafische Schlachtplatte
Hurenkind auf Seite 7/7 des Artikels »Überdosis Guido«, DER SPIEGEL Nr. 22,
iPad-Ausgabe, vom 31. Mai 2010
Wir schreiben das Jahr Vier nach der Geburtsstunde des mobilen Netzes, eingeleitete durch iPhone und iPod Touch. Wir schreiben das Jahr Null des Screen Publishing, auf das sich Zeitschriften- und Zeitungsverlage seit Monate vorbereiten. Vergangenen Freitag wurde das Apple iPad in Deutschland eingeführt, ein vernetztes Medienlesegerät, über das der Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner im US-Fernsehen sagte: »Jeder Verleger sollte sich einmal am Tag hinsetzen, beten und Steve Jobs dafür danken, dass er mit diesem Gerät die Verlagsindustrie rettet.«
Der SPIEGEL ließ den Schriftsteller Ferdinand von Schirach vor fünf Wochen für ein Essay in der Printausgabe folgende Worte niederschreiben: »Der SPIEGEL hat eine App auf mein iPad geladen. Ende April ist sie für jeden erhältlich. Offen gesagt, ich lese das Heft jetzt so schon lieber als in gedruckter Form. Ich kann die Bilder vergrößern, das Heft liegt nicht mehr herum, ich kann gleich alle früheren Ausgaben mitnehmen – und vor allem: Es sieht schöner aus.«
Ich weiß nicht, welche App auf von Schirachs iPad geladen wurde … es muss eine andere gewesen sein, als jene, die seit Freitag kostenlos im App-Store angeboten wird. Mit dieser sieht nichts schöner aus als im gedruckten Heft, ganz im Gegenteil: Der SPIEGEL-Reader verzichtet auf gestaltete Artikel und überlässt sowohl das Zusammenspiel von Bild und Text dem Zufall, als auch den Umbruch – je nach eingestellter Schriftgröße. Nur ein Beispiel für ungezählte weiße Überlaufflächen und Hurenkinder zeigt das Aufmacherfoto dieses Beitrags. Dazu später mehr.
Vor drei Monaten brachte der SPIEGEL seinen iPhone-Reader auf den Markt. Die ersten Reaktionen waren nicht gerade positiv: »Schluder-Spiegel«, »… langweilig …«, »Guido für die Westentasche …«. Fontblog kam in seiner Rezension Fehlstart beim SPIEGEL-iPhone-App zu dem Fazit: »Die Überführung des gedruckten SPIEGEL in einen E-Reader ist missglückt. Es fehlen nicht nur essenzielle Werkzeuge (Vollbild-Titelseite, Lesezeichen, Suche, Zitierfunktion), der Dialog zwischen Text und Bild – eine Stärke der SPIEGEL-Printausgabe – wurde komplett aufgegeben.« Abschließend drückte ich die Hoffnung aus, dass der iPhone-Reader hoffentlich nicht die Blaupause für den iPad-Reader sein werde. Er wurde es. Die Enttäuschung ist umso größer, weil das Potential des 5 mal größeren iPad-Bildschirms nicht genutzt wird.
Bis zum Wochenende schraubte der Verlag mit seinen Vorankündigungen (s. o.) die Erwartungen nach oben. Zitat aus der Eigenwerbung für den iPad-Reader: »Machen Sie sich bereit für ein völlig neues Leseerlebnis … Wischen Sie mit einem Fingerzeig durch die Artikel, entdecken Sie Deutschlands bedeutendstes Nachrichtenmagazin neu. … So haben Sie Deutschlands führendes Nachrichten-Magazin noch nie gesehen. …« Das Wischen mit dem Finger auf einem Touch-screen hat genauso wenig mit Magazinqualität zu tun wie das Umblättern einer Papierseite.
Es wird in diesem Beitrag weder über die Typografie des iPad-SPIEGEL gehen, noch über die klägliche Font-Behandlung des iPad oder das unkalkulierbare Rendering von Schriften auf seinem Bildschirm. Im Moment sehen statische Bilder von Texten (zum Beispiel im .jpg- oder .png-Format) auf dem iPad brillianter aus als skalierbar gesetzter Text aus Betriebssystem-Fonts – ein atypisches Betriebssystem-Phänomen, das noch nicht geklärt ist. Zu diesem Thema gibt es zwei international angesehene Beiträge von meinen Kollegen Steven Coles (Fontfeed) und Oliver Reichenstein (Information Architects), die beide vergangene Woche auf der TYPO-Berlin-Konferenz waren, wo Webfonts und Bildschirmtypografie Intensiv diskutiert wurden:
- Steven Coles: iPad-Typography (FontFeed, 8. April 2010)
- Oliver Reichenstein: Wired on iPad (iA-Blog, 28. Mai 2010)
Die Analyse von Reichenstein beschäftigt sich mit der letzte Woche erschienenen iPad-Version des US-Magazins Wired, das im Moment als das Maß aller Dinge für iPad-Publishing gilt. Der Autor lässt kein gutes Haar an der Bildschirm-Wired, wobei ich nach Kenntnis der SPIEGEL-App sagen muss: Er mäkelt auf hohem Niveau. Sicher ist das ein oder andere Layout-Problem bei Wired noch nicht gelöst (z. B. die Transformation von Doppelseiten), auch die Mikrotypografie ist mangelhaft – aber das Heft ist wenigstens gestaltet, und es macht Freude, die Seiten anzusehen und zu lesen. Der SPIEGEL dagegen präsentiert sich ungestaltet, in einem automatisierten 2- oder 3-Spalten-Raster. Ja, man kann ihn lesen, der Lesehunger wird gestillt, aber es ist kein Genuss … Fabrikbuletten fürs Gehirn.
Dabei beginnt es zunächst hoffnungsvoll – bis auf den Preis, natürlich. 3,99 € für die digitale Fassung gegenüber 3,80 € für die gedruckte Ausgabe widerspricht sowohl den Gepflogenheiten der Branche als auch den Erwartungen der Leser. Die Herausgeber begründen das mit Apples Preispolitik … als ob es die Preisstufen 2,99 €, 2,39 € und 1,59 € nicht gäbe. Im gleichen Atemzug wird auf das günstige Abo hingewiesen, so dass der Verdacht naheliegt, die App und ihr hoher Preise dienen lediglich als Lockmittel für das digitale Abo.
Hoffnungsvoll stimmen die großflächige Titelseite und das Inhaltsverzeichnis, übrigens der einzige Heftbaustein des digitalen SPIEGEL, der für die Screendarstellung umgestaltet wurde. Am Fuße des digitalen Covers fällt ein zweites Banner auf, das einen SPIEGEL-TV-Dokumantarfilm aus dem Jahr 1997 (Enttäuschung Nr 1) ankündigt, aber nicht mit dem Film verlinkt ist (Enttäuschung Nr 2). Man muss den 26-Minuten-Clip aus dem Inhaltsverzeichnis heraus starten. Die oben erwähnte digitale Wired-Ausgabe enthält übrigens einen vergleichbaren Link zu einem Film auf der Titelseite, der immerhin sofort mit einem Fingertipp startet, thematisch zur Pixar-Titelgeschichte passt und neu ist (»An exclusive clip from Toy Story 3«).
Man könnte jetzt noch ein paar Worte darüber verlieren, warum die Inhaltsseiten unbedingt weiß auf schwarz gesetzt sein müssen … Doch selbst solche, in Typografiekreisen üblicherweise kontrovers diskutierten Details, sind Peanuts gegenüber dem, was DER SPIEGEL auf den nächsten 200 bis 300 iPad-Seiten präsentiert, ein gestalterisches Schlachtfeld.
Das SPIEGEL-Inhaltsverzeichnis der gedruckten Ausgabe (oben, klicken zum Vergrößern) und das der iPad-Fassung (unten) – weiße Schrift auf schwarzem Grund, nur die Top-Themen werden angerissen; den kompletten Inhalt der digitalen Ausgabe liefert ein Menü, das sich aus der Titelleiste aufrufen lässt
Alle Beiträge des gedruckten Hefts werden vom iPad-Reader in ein starres Seitenlayout gepresst, das entweder 2-spaltig (Hochformat) oder 3-spaltig (Querformat) aufgebaut ist. Am Kopf einer jeden Seite befindet sich – weiß in rotem Balken – der Kolumnentitel (zum Beispiel »Deutschland« oder »Sport«). Links oben in der ersten Spalte steht immer ein Bild, das – egal wie groß es in der gedruckten Ausgabe inszeniert wurde –, auf Spaltenbreite reduziert wird; immerhin lassen sich alle Fotos mit einem Fingertipp auf Bildschirmbreite skalieren. Größere Geschichten beginnen mit einem zweispaltigen Aufmacher-Foto, sowie zweispaltigen Headlines und Anreißertexten. Soweit die Fakten.
Warum funktioniert dieser elektronische Baukasten nicht? Weil er viel zu simpel strukturiert ist für ein gedrucktes Magazin, dessen Dramaturgie weitaus raffinierteren Regeln folgt. Wie andere Zeitschriften auch arbeitet der SPIEGEL mit grafischen Elementen, die sich entweder auf einzelnen Seiten entfalten (Bild, Text, Headlines, Bildunterschriften, Microtypografie, …) oder den Heftrhythmus bestimmen (Editorial, Meldungsseiten, Titelgeschichte, Essaya, Vermischtes, Makrotypografie…). Die iPad-App beherrscht kein einziges dieser Werkzeug aus beiden Regie-Baukästen. Sie scheint gerade mal den technischen Unterschied zwischen Bild und Text zu kennen.
Die folgende Abbildung demonstriert das Unvermögen der App. Weil sie nicht zwischen einer längeren Geschichte und einer Feature-Seite (mit mehreren abgeschlossenen Meldungen) unterscheidet, zerlegt sie die (üblicherweise dreistimmige) Begrüßungsseite einer jeden SPIEGEL-Ausgabe (genannt »Hausmitteilung«) in drei einzelne Seiten, aufgebaut nach ihrem Schema F: Bild links oben erste Spalte, dann der Text … wenn es nicht genug davon gibt, bleibt die zweite Spalte einfach leer.
Not macht erfinderisch. Da die »Hausmitteilung« wie ein Brief aufgemacht ist – mit Betreff und Datum, die App jedoch für jeden der 3 Beiträge eine Überschrift fordert, werden diese kreativ aus Betreff und Datum generiert. Erfahrene Leser können sich den Sinn der Wortfetzen nach jahrelangen Lesen der Printausgabe zusammenreimen. Neue Leser, denen der Bezug zur Vorlage fehlt, werden nie verstehen, warum drei Beiträge den gleichen Kolumnentitel tragen (»Hausmitteilung«), ihre Headline jeweils mit »Betr.« beginnt, der erste Beitrag ein Datum in der Überschrift enthält und 50 % weiße Fläche neben den Texten steht. Wie man mit dieser gestalterischen Haltung alte Leser behalten und neue gewinnen möchte, ist mir nicht ganz klar.
Wo wir schon bei Haltung sind: Die SPIEGEL-iPad-App tritt all das mit Füßen, was Bildredakteure, Grafiker, Layouter, Produktion und Schlussredaktion seit Jahrzehnten entwickelt haben. Im Impressum von Deutschlands bedeutendstem Nachrichtenmagazin zähle ich für diese Aufgaben 51 verantwortliche Personen (die »Titelbild«-Redaktion nicht mitgerechnet). Kann es sein, dass die Entwickler der SPIEGEL-iPad-App nie mit diesen Fachleuten gesprochen haben bzw. keine Vorstellung von deren Fähigkeiten haben?
Werfen wir einen genaueren Blick auf das Thema Bildbehandlung. 13 Personen sorgen beim SPIEGEL dafür, dass sich die Leser Woche für Woche an unverbrauchten, qualitativ hochwertigen Fotos erfreuen können. Sie wissen, welche Art Foto sich auf großer Fläche entfalten kann, und welches Motiv selbst in Briefmarkengröße noch Kraft ausstrahlt. Mit diesem Wissen komponieren sie Doppelseite für Doppelseite, setzen manches Foto in den Anschnitt, platzieren Portraits in die Mitte zwischen zwei Spalten, lassen andere aus dramaturgischen Gründen über den Bund laufen. Es kann ja sein, dass manche dieser Kunstgriffe nur auf Papier funktionieren. Sicherlich gilt es auch, fürs elektronische Layout neue Regeln zu entwickeln … doch dass die Prinzipien des Bildlayouts von heute auf morgen über Bord geworfen werden müssen, ist eine Beschränkung der SPIEGEL-App, mit der sie sich selbst in eine Sackgasse manövriert.
Oben: Wuchtiger Bildauftakt für die Titelgeschichte des gedruckten Hefts. Angela Merkel beschwört die Schuldenkurve des Bundes, Grafik und Foto bilden eine Einheit, die sich über die gesamte Doppelseite entfaltet. (Am Fuß der folgenden drei Doppelseiten in der Printausgabe begegnen wir übrigens einem Internetphänomen, dass nun auch im Gedruckten Einzug hält: die Fotostrecke, auch Bildergalerie genannt.)
Unten: Das iPad kennt keine Doppelseiten, damit müssen die Zeitschriftenmacher erst mal lernen umzugehen. Ausgesprochen mutig ist es von einem »Leseerlebnis« zu sprechen, wenn eine SPIEGEL-Titelgeschichte auf dem iPad nach der Startseite mit 14 gleich strukturierten Layouts abgewickelt wird – alle mit Foto oben links und zwei Spalten Text. Bemerkenswert auch die versteckte Funktion: größere Schrift, mehr Bilder. Im vorliegenden Fall wächst die Titelgeschichte von 15 auf 23 Seiten und präsentiert 8 weitere Fotos, die den Lesern der Kleinschriftversion verborgen bleiben.
Abschließend ein Wort zur Interaktivität. Hinter manchen Aufmacherfotos verbergen sich Animationen, die durch eine im Foto integrierte Play-Taste angedeutet sind. Meist handelt es sich um Diashows, also die selbst ablaufende Form jener Bildergalerien, die uns schon im Internet langweilen – in der App jetzt unterlegt mit billiger Begleitmusik. Besonders peinlich ist eine 45-Sekunden-Slideshow mit dem Titel »Angelas Männer« (zur Geschichte »CDU – Team mit elf Torhütern«), die mit Powerpoint-Texteffekten um sich wirft wie der Kassenbericht eines Kleintierzuchtvereins.
Fazit: Das SPIEGEL-iPad-App liefert Bilder und Texte so brettsteif wie zu Bleisatzzeiten, doch selbst da wusste man Schusterjungen und Hurenkinder zu vermeiden. Der redaktionelle Inhalt einer (dramaturgisch geordneten) Printausgabe wird über den Reader in gleichförmig gestalte Seiten gekippt, die ohne jegliche Umbruchintelligenz zusammengeschustert sind. Multimedial Ergänzungen sind entweder abgestandene Zweitverwertungen oder nichts sagende Standbildanimationen. Die SPIEGEL-App bestätigt, dass E-Reader für Bücher eine geeignete Technik sein mögen, bei Magazinen jedoch an ihre Grenzen stoßen.
So … und jetzt lade ich mir den neuen SPIEGEL als PDF (geht ja nur am Desktop-Rechner), sende ihn an das iPad und lese dies mit einem geeigneten Reader. Später mehr dazu.
Persönliche Anmerkung: Damit niemand glaubt, ich stehe mit dem SPIEGEL auf Kriegsfuß … Ich lese das Magazin seit 1975, fast ununterbrochen, war jahrelang Abonnent und will es auch weiter lesen. Und ich möchte es so früh wie möglich und so bequem wie möglich lesen. Seitdem die Sonntagszustellung in Berlin eingestellt wurde, bin ich kein Abonnent mehr. Umso mehr hoffe ich auf eine attraktive digitale Lieferung meiner liebsten Nachrichtenlektüre am Samstagabend.
Andere Stimmen zur SPIEGEL-App für das iPad:
- Praegnanz: DER SPIEGEL auf dem iPad
- JakBlog: Schlachtplattenpads
- Codecandies: iPad und Content
26 Kommentare
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ganzunten
Das wird ein Heidenspaß, wenn diese Blase platzt!
Im Ernst: Apps sind der absolut falsche Weg. Wofür gibt’s das Netz wenn nicht für solche Inhalte? Es gibt genügend Standards, um qualitativ hochwertige Magazine zu erstellen. Das einzige was fehlt ist ein zuverlässiges Bezahlsystem im Netz, dazu sollten sich mal die Verlage zusammenschließen und nicht ihre Seele an „His Steveness“ verkaufen.
Torrid Luna
Ich bin bei jeder Form von iPad-Bashing dabei, einfach Bescheid sagen.
Aber wie wäre es denn gewesen, bei den Layout-Beispielen den schwarzen Rand des iPad mit anzuzeigen, wie im allerersten Bild? Auf den nehmen einige Designelemente ja offensichtlich Bezug. Bei der Beurteilung der Printversion habt ihr ja auch nicht diese überflüssigen weißen Ränder weggeschnitten.
robertmichael
diese ganze apps-geschichte erinnert mich an AOL. eine welt für sich innerhalb des www. warum muss ich mir eine extra-software installieren, wenn es auch einfacher geht? z.b. eine pdf-datei bereitzustellen, welches für das lesen am bildschirm optimiert ist.
arti
@robertmichael
Eine App könnte viel mehr leisten als eine PDF-Datei. Dass der Spiegel hier nun ein Ergebnis abliefert, das noch nicht mal PDF-Niveau erreicht ist natürlich schon peinlich.
Philipp
Eine kleine Ergänzung zum Thema PDF herunterladen.
Das geht auch direkt vom iPad aus mit der App „Goodreader“. Da kann man die dann laden und anschließend direkt auch lesen.
Jürgen Siebert
Danke Philipp, habe ich auch gerade gesehen. Ich teste jetzt noch Fast PDF, weil es Doppelseite anzeigen kann. So lange Printprodukte als Doppelseiten gestaltet sind, brauche ich diese Übersicht.
Bernie
Es wäre mal ein Thema für sich, zu analysieren, ob die heutige Umformung der Infotexte Richtung Web einen Einfluß auf die Sprachgestaltung und Rechtschreibung hat. Denn es ist wirklich erschreckend zu beobachten, wie Leute in einer vermaledeiten Lingua operieren. Wie angesprochen – zuviel / zu viel. Auch in Deinem Text. Bindestrichorgien zuhauf. Wenn man Sprache nicht beherrscht, laufen einem die Träger davon. Oder springen vom Dach. Wie in China.
Aber egal. Lassen wir’s. Als iPad-Nutzer kann ich sagen, dass das surfen auf diesem sehr gut ist, aber kein Spiegel-PDF brauche, welches teurer als die Originalausgabe ist, zumal die von Dir (sehr gut) angesprochenee Lieblosigkeit in Punkto App-Konzept ihr übriges tut. Vielleicht ist es dem gläubigen Herrn Mateschitz doch zuviel geworden mit dem beten, sodass es für eine gute Spiegel-App nicht mehr ausreichte.
Gruß. B.
Bert Vanderveen
I must be a lot younger than my age — found it impossible to read all of this this blog-entry…
Michael Müller-Hillebrand
Automatisiertes Layout ist sicherlich eine mit Kompromissen behaftete Sache, auch die erste und weitere Fassungen des für AIR (mit Flash) programmierten Times Reader der NY Times hat(te) Mängel – und bekam trotzdem zu Recht einige Aufmerksamkeit. Wir befinden uns hier in einem relativ jungen Publikationsmedium und hier muss sicher noch einiges verbessert = investiert werden. Wenn Texte formatfrei vorgehalten und bei Bedarf im Hoch- oder Querformat nach bestimmten Regeln gesetzt werden, bedeutet das auch, dass diese Texte z.B. auch sehr gut für Screen-Reader geeignet sind, also barrierefrei.
Man sollte diesen Präsentationsformen eine Chance geben, auf Mängel hinweisen, aber nach Möglichkeit auch versuchen die Ergebnisse konstruktiv zu verbessern. Wie viele Gestalter werden wohl an einem Regelsatz für automatisches Layout mitarbeiten? Es sollten einfach mehr sein.
BigWhoop
Was ist das iPad? LOL
MikeyBoy
@BigWhoop: Die Zukunft.
Sebastian Nagel
Zum Thema Typografie/Layout auf solchen Geräten:
Drüben bei heise.de wurde von der Mehrheit der User vor einigen Tagen „gefordert“, doch endlich das Layout eines Inhaltes nicht mehr fest vorzugeben, sondern der Darstellungsplattform zu überlassen – das würde „optimalere“ Ergebnisse liefern.
Finde ich ja spannend und durchaus vorstellbar, aber solange die Werkzeuge, die der Gestalter dabei in die Hände gelegt bekommt um Einfluss darauf zu nehmen, irgendwo zwischen grobmotorisch und nicht vorhanden liegen, halte ich das noch für Zukunftsmusik.
Sebastian Nagel
Im übrigen frage ich mich immer noch, was z.B. im Fall des Spiegels der Vorteil von einer „App“ gegenüber einer Webseite/Webanwendung sein soll (die ja mit gleicher Aufmachung und funktionalität daherkommen kann).
Während die eine extra für ein Gerät geschrieben sein muss, wäre die andere plattform-unabhängig verwendbar. Was ist also besser an so einer „App“, die wiederum nur Inhalte präsentiert, wie ein Browser auch?
Arne
Chapeau, Jürgen, für Deine ausführliche und begründete Kritik, der ich bestens folgen kann. Mein Widerspruch regt sich allein bei Deinem Vergleich mit der Bulette (oder Frikadelle, wie man sie hier nennt): mit feinen Zutaten liebevoll zubereitet ist sie sehr wohl ein Hochgenuss!
Jürgen Siebert
@Arne: ich meinte Köttbullar, die aus der Tüte … präzisiere ich noch mal :)
Michael Müller-Hillebrand
@Sebastian Nagel: »Zukunftsmusik« bedeutet in meinen Augen/Ohren hier »Chance«. Nach ca. 500 Jahren guter Stehsatz-Tradition bewegt sich jetzt etwas, und wir tun uns hart damit. Der gegenwärtige Vorteil einer ‚App‘ ist die bessere Kontrolle über das Erscheinungsbild, bei einer Webanwendung wäre man doch wieder gezwungen auf die verschiedenen Browser Rücksicht zu nehmen. Aber mittelfristig wird die Grenze wohl verschwinden.
Gerrit van Aaken
Ich sehe die Sache etwas positiver. Frecher manueller Trackback zu meinem Blogbeitrag: http://praegnanz.de/weblog/der-spiegel-auf-dem-ipad
ganzunten
@Sebastian Nagel:
Die Trennung von Inhalt und Gestaltung ist doch der Grundgedanke hinter dem Web! Eigentlich sollte Apple doch schon mindestens einen Schritt weiter sein.
Selbst wenn die Publikationen im App-Store von Apple perfekt gestaltet wären, kann man das meiner Meinung nach nicht gutheißen. Was ist wenn man mal die Plattform wechselt? Kauft man sich dann brav alle Spiegel-Ausgaben neu? Was wenn man einen Artikel zu Hause auf dem iPad beginnt zu lesen und unterwegs auf einem anderen Gerät weiter lesen möchte?
Das sind für mich die Mindeststandards, die ein sich gern als großer Innovator darstellender IT-Konzern anbieten soll – im 21. Jahrhundert! Die Apps-Strategie im geschlossenen System stammt vom Microsoft der 80er Jahre. Da kann selbst gute Gestaltung nicht drüber hinwegtäuschen.
HD Schellnack.
Ich muss ehrlich sagen, ich finde die Spiegel-App für 1.0 gegenüber der iPhone-Fassung, die aber auch andere Grenzen hat, recht gelungen. Habe zwei Ausgaben jetzt so gelesen und finde das dem Medium weitestgehend angemessen, durchaus mehr als das allzu wuchtige Wired, dass einfach too much ist. Manche arg Keynote-artige Filmchen sind naiv, aber das Interview mit Roy Carr als Zusatz fand ich sehr lohnend. Ausbaufähig ist das unbedingt – Typo, Umbruch, Lesezeichen, Versendbarkeit, Archivierung, Zoom – wie ja eigentlich fast alles am iPad (iCal, Things, Video… lange Liste). Ich war aber tatsächlich positiv überrascht von der Einbettung von Online-Inhalten und dem im Ansatz doch halbwegs stimmigen Design, das den Print wenn auch supergrobschlächtig zu emulieren versucht, ebenso von dem Photozoom, den ich sehr mag. Brand Eins ist zu wenig, Wired war zu viel (wenn auch manischgenialisch in den Details), der Spiegel hat noch einen Weg vor sich, bewegt sich aber für das, was er ist schön in der Mitte. Für 50c Extra ist das völlig annehmbar. Um die Wahrheit zu sagen, je nach Magazin, ist das für Read-Once-Throw-Away-Medien oder eben für Sachen, die man sehr lange archivieren will, eine gute Lösung. Die Zeit könnte ich mir auch gut so oder ähnlich vorstellen. Die Page unbedingt auch. Die Novum beispielsweise aber eher nicht.
ganzunten
@Michael Müller-Hillebrand:
Ja, eine Webanwendung müsste evtl. für verschiedene Browser optimiert werden. Da gibt es aber schon genug Erfahrungen, schließlich haben ja alle Magazine eine Website.
Aber eine App läuft nur auf einer (!) Plattform – oder sogar nur auf einem Gerätetyp. Die Programmierung für jede Plattform ist dabei sehr unterschiedlich und viel aufwendiger. Zusätzlich müssen sich die Verleger der möglichen Zensur des Plattformanbieters (Apple) beugen.
Sebastian Nagel
@Michael Müller-Hillebrand: („»Zukunftsmusik« bedeutet in meinen Augen/Ohren hier »Chance«. Nach ca. 500 Jahren guter Stehsatz-Tradition bewegt sich jetzt etwas, und wir tun uns hart damit.“)
das sehe ich schon auch so, nur muss sich hier noch sehr viel auf technischer Seite tun, damit das klappt – sowohl die Satz-Logiken als auch die Einflussmöglichkeiten müssen besser werden, wenn man wieder zu einer visuellen Qualität kommen will, die man am Papier schon hat.
Ich fürchte auch nicht um meine Arbeit, ich denke eher dass es mehr wird, wenn man es gut machen will, denn eine abgesetzte Zeile ist eine abgesetzte Zeile, da gibt es keine Eventualitäten wie eben bei variablen Formaten, Schriften, Größen, Orientierungen, etc.
Zur Sache mit den Apps / Browsern: grade auf den Plattformen, die momentan en vogue sind, ist das mit verschiedenen Interpretationen der Inhalte und Layoutangaben eher ein kleines Problem – sowohl Apple als auch Google haben ja ganz passable Browser dort laufen, und selbst wenn MS und andere mal nachziehen, werden sie sich auf den Mobilplattformen an die Standards halten müssen, weil die Inhalte eben schon dort sind und der Nutzer weiß, was er erwarten kann – wenn sie bis dahin offen interpretierbar sind, und nicht in einer App eingesperrt sind und somit jeder wieder sein eigenes Süppchen kochen kann und die Inhalte-Lieferanten die Dummen sind, die das mit viel Aufwand ausgleichen müssen.
Michael Müller-Hillebrand
Ich sehe erfreut eine Tendenz in Richtung konstruktiver Überlegungen. Adobe-seitig lobt man die WIRED-Ausgabe auf dem iPad, aber wer dahinter schaut bekommt im Kern 500 MByte PNG-Grafiken aller Seiten und Anzeigen in je zwei Ausrichtungen und drei Auflösungen. Das lässt sich in der Tat leicht mit InDesign erstellen. Und ist natürlich völlig old school. Text lässt sich nicht markieren, Vorlesen geht nicht, die Datenmengen sind weit jenseits des Notwendigen,…
Ich werde — sobald es mir die Zeit erlaubt — versuchen einen Fassung meiner eigenen Webseite für Touch-Bedienung zu erstellen. Und ich wäre nicht überrascht, wenn die dafür umgesetzte Bedienlogik auch ‚herkömmlich‘ mit Maus etc. funktionieren würde.
Pyramus
@Bernie
Es heißt Einfluss, das Surfen, mit dem Beten. Und die neue Rechtschreibung gilt übrigens auch für Sie, auch wenn Sie das nicht wahrhaben wollen. Das nur zum Thema „Sprache beherrschen“.
Jörg Oyen
Schlachtplatte trifft es, besser Spiegel Printcontent 1:1 auf dem iPad abbilden, als Discounter Anzeige mit Coupon zum ausschneiden… so ein Spiegelhaftes, schlechtes Boulevardpresse Beispiel… Erwerbskosten Glasschneider zu iPad stehen da in keinem Verhältnis, zeigen aber das 1:1 PDF Umrechnungen auf das iPad vorher eine Kontrolle der «Printanzeigen-Motive» erfordern … mal sehen wie ich diese noch «neue» Besonderheit auf bei der Zuordnung der Antworten zur Fragestellung «Wie bekomme ich Content(Print) auf das iPad» 3te Grafik …
Kornelius Pobel
Kinderkrankheiten. Reiss dich doch einfach mal zusammen.
Jürgen Siebert
Es sind eben keine Kinderkrankheiten, sondern ich halte es für einen systematischen Fehler, ein Magazin (wie einen Roman) mit einem Reader zu realisieren.