Das eBook wird uns lange begleiten
Eine Erwiderung von Martin Holland
Vor einigen Wochen wurde an dieser Stelle die wunderschöne App des SZ-Magazins gelobt und eBooks wurden in einem zugehörigen Artikel als »Zwischending« bezeichnet, die von bald Apps abgelöst würden. Dem möchte ich an dieser Stelle widersprechen, anhand eines eigenen Beispiels.
Zunächst aber kurz zu mir: Ich arbeite für das Augsburger Redaktionsbüro Contentplus Communications und wir haben Anfang September den „Contentplus City Guide Augsburg“ veröffentlicht, für dessen technische Umsetzung ich zuständig war. Es gibt ihn als ePUB bei iBooks oder ePubli und als leicht angepasste Kindle-Version.
Aber genug der Werbung: Ich schreibe hier, weil ich weiß, dass ein gut gemachtes und durchdachtes eBook all die Vorteile bietet, die Jürgen Siebert der App des SZ-Magazins anrechnet. Gleichzeitig leidet es nicht unter dem gravierenden Nachteil, dass es an ein bestimmtes Gerät oder Betriebssystem gebunden ist:
In einem ePUB (dem Standard schlechthin, der nur von dem in dieser Beziehung antiquierten Kindle nicht angezeigt wird) kann die Bildgeschichte aus »Sagen Sie jetzt nichts« genauso spannend inszeniert werden wie in der App. Auch eingebettete Videos sind möglich, werden aber bislang nur in iBooks wiedergegeben. Genauso kann Axel Hacke per integrierter Audiodatei in einem eBook seine Kolumne selbst vortragen. Noch hat iBooks bei der Unterstützung des ePUB-Standards einen immensen Vorsprung, aber es ist nur eine Frage der Zeit, bis ähnlich gute Programme für Android etc. erscheinen. Spätestens dann können ePUBs den großen Vorteil, auf jeder Plattform zu funktionieren, vollständig ausspielen.
Die Vorteile des Schriftenlexikons als App wiegen schon deutlich schwerer. Vor allem mit der typografischen Darstellung tun sich einige Reader nämlich noch immer viel zu schwer. Verschiedene Programme (wie Adobe Digital Editions für PC und Mac oder Aldiko für Android) sind aber bereits heute fähig, eingebettete Schriftarten anzuzeigen, wie im Standard gefordert. Ausgerechnet iBooks lässt das aber noch nicht zu. Auch hier bin ich aber der festen Überzeugung, dass es bald Programme für alle Plattformen gibt, die das unterstützen.
Bis auf die leider noch aktuellen Probleme hinsichtlich der korrekten Anzeige, die aber, und das ist wichtig, bei eBooks nicht systembedingt sind, hat eine App also keine für immer währenden Vorteile. Dafür gibt es aber schwerwiegende Nachteile, die in der Natur einer App wurzeln: Eine App wird immer nur für ein bestimmtes Betriebssystem erstellt und erreicht so nur einen Teil des Marktes. Außerdem ist sie in der Produktion wesentlich teurer als ein ePUB. Daneben ist auch nie gesichert, dass die App ein Update des zugehörigen Betriebssystems, geschweige denn den Wechsel auf ein Nachfolgegerät mitmacht.
ePUBs dagegen sind leicht zu erstellen (ich habe dafür das kostenlose Programm Sigil benutzt), komplett durchsuchbar und offen für künftige Innovationen wie beispielsweise Vorlesefunktionen. Sie können bereits jetzt auf vielen Geräten geöffnet werden, wenn auch mit den erwähnten Einschränkungen hinsichtlich der Anzeige. Ich muss natürlich eingestehen, dass heute noch einige Anstrengungen nötig sind, um ein eBook so zu erstellen, dass es in iBooks, in Aldiko für Android und auf dem Kindle gut aussieht. Auf dem PC liefern das Firefox-Plugin EPUB-Reader, der Sony Reader, oder das bereits etwas ältere Adobe Digital Editions dann aber bereits die erwarteten Resultate.
Gerne möchte ich jetzt auch noch kurz auf unser eigenes ePUB eingehen, auch weil es rein technisch meines Wissens wenig Konkurrenz gibt. Bislang beschränken sich die meisten eBooks auf wenige Designelemente, ohne dass die bereits bestehenden Möglichkeiten ausgenutzt werden, geschweige denn etwas neues probiert wird
Beim »Contentplus City Guide Augsbug« haben wir uns entschieden, eine möglichst große Reichweite zu erzielen. Auch deswegen gibt es noch keine multimedialen Inhalte. Unser Ziel war es, einen Reiseführer im anspruchsvollen Layout zu erstellen, der vor allem auf dem iPad das Gefühl vermittelt, ein wirkliches Buch in den Händen zu halten. Probleme, die bei der Erstellung aufgetaucht sind, hatten fast ausnahmslos damit zu tun, dass iBooks die Standards größtenteils einhält, Adobe Digital Editions, auf dem die Android-App Aldiko basiert, aber nur partiell oder fehlerhaft. So wurden zum Beispiel hochformatige Bilder auf dem quer gehaltenen Smartphone abgeschnitten. Für die Kindle-Version habe ich keine Möglichkeit gefunden, die kleinen Icons einzubauen und auch die Unterstützung der entsprechenden ASCII-Symbole folgt keiner Logik, war also nicht hilfreich. Mitwachsende Icons gibt es deswegen nur im ePUB.
Ein anderes Problem waren die »Hurenkinder« und »Schusterjungen«, die noch immer auf einigen Geräten auftauchen. Im integrierten CSS steht der entsprechende Befehl für ihre Vermeidung und wird hoffentlich bald überall umgesetzt. Prinzipiell nur in iBooks problematisch war wiederum die Farbe von Verweisen, deren Anpassung Apple noch verhindert. Sobald das aber mit einem Update behoben ist, wird die bereits eingebaute, dezentere Farbgebung auch angezeigt. Die eingebauten Karten kann man derzeit nur in iBooks auf 200 % vergrößern. In allen Versionen ist aber das hochaufgelöste Bild eingebaut. Auch dieses Feature wartet also noch auf die allgemeine Umsetzung des Standards.
Das sind verschiedene technische Probleme, auf die ich im Lauf der Arbeit gestoßen bin. Sie hatten aber fast ausschließlich damit zu tun, dass das ePUB auch auf anderen Geräten so aussehen sollte wie in iBooks. Für Bücher, die nur aus Text bestehen, gibt es diese Einschränkungen bei der Anzeige nicht und hier werden die Vorzüge der größeren Reichweite überdeutlich. Da sie nicht unter den Anzeigeproblemen leiden und die Reader zum Lesen sowieso ungeschlagen sind, profitieren heute also ganz besonders Romane von den ungezählten Readern/Programmen. Ich bin der festen Überzeugung, dass das gleiche bald auch für layoutlastigere Bücher gilt und eBooks ihren festen Platz in unserem Leben einnehmen werden.
6 Kommentare
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matthias
Danke für den Einblick. So schön es ist, mit einem plattformunabhängigen Standard zu arbeiten, so unperfekt wird die Darstellung bleiben. Im Web hat es zwei Jahrzehnte gedauert, bis die Darstellung in einzelnen Browsern einigermaßen gleich war. Meine Prognose: Für perfekte Typografie und ein schönes Multimedia-Erlebnis werden Content-Anbieter bestimmt weiter auf Apps setzen. Die höheren Kosten nehmen sie in Kauf.
Wolfgang
Ich denke auch dass sich die eBooks nicht gegen Apps durchsetzen werden. Allein da man mit einem Reader z.B. einem Kindel eben nur Bücher lesen kann und ein Tablet-PC hingegen eben ein kleiner Rechner ist mit dem ich alle Vorteile eines Rechners habe. Und die Tendenz geht höchstwahrscheinlich auch weiterhin zu kleinen Alleskönner-Geräten. Eine Entwicklung die wir alleine an der Entwicklung der Handys in den letzten 10 Jahren schon beobachten konnten.
Ich glaube dass auf Kundenseite in Zukunft Teil der Kaufentscheidung sein wird ob man ein multimediales Erlebnis will, dass eine Geschichte erzählt oder ob man eine Geschichte lesen will. Für das Multimediale werden sich aus verschiedenen, oben und u.a. von matthias genannten Gründen wohl Apps auf Tablet-PCs durchsetzen. Die wirklichen Leser werden meiner Ansicht nach wieder zurück zum Buch greifen, da das haptische Erlebnis nicht ersetzt werden kann. Mittelfristig wird es keinen Kulturkampf zwischen Buch und App geben. Es werden eher zwei eigenständige Erzählformen sein. Ich sehe hier eine Parallele zu Hörspiel und Film.
Stefan B.
Selbst Schöpfer vieler eBooks, ärgere ich mich täglich über die vielen Abweichungen der Leseprogramme vom definierten ePUB Standard. Denkt man: »Jetz hab‘ ich’s!«, schon macht einem eine bestimmte Software oder ein bestimmter Reader einen Strich durch die Rechnung. Derweil wäre alles so schön: eBooks haben den großen Vorteil gegenüber Apps, dass sie wirklich systemunabhängig auch auf Tablets gelesen werden können. Welche Geräteklasse sich also auch immer durchsetzt, man wird eBooks darauf lesen können. Und der multimediale Vorsprung wird mit dem ePUB Standard 3.0 (mit HTML5–, CSS3– und Javascript–Untersützung) auch mehr und mehr schwinden.
Wie gesagt, typografisch gesehen, gibt es vor allem auf Seiten der Anzeige–Software große Defizite. Vor allem iBooks finde ich hier, anders als der Autor dies sieht, als problematisch. Keine andere Leseapps bügelt so über die CSS Klassifikationen hinweg, wie diese. Am schlimmsten aber: egal welchen Font der Hersteller eingestellt oder eingebettet hat: iBooks überschreibt diese Angabe rigoros mit den Einstellungen des Benutzers!
Aber es wird sich hier (hoffentlich) noch viel tun.
Martin Holland
@matthias Natürlich hat die Entwicklung bei Browsern wirklich lange gedauert, aber sie hat stattgefunden und der Standard hat sich durchgesetzt. Amazon beispielsweise hätte ja auch eine Software zum Einkaufen entwickeln können, wäre damit aber doch niemals so erfolgreich gewesen.
@Wolfgang Sicher kann man noch skeptisch sein, ob Leser wirklich auf eReader für Bücher umsteigen werden. Ich als Vielleser kann aber zumindest versichern, dass ich fast nur noch auf dem Kindle lese.
Und zum haptischen Erlebnis: Bereits jetzt verzichten doch immer mehr Menschen auf ihr Zeitungsabo und informieren sich im “unhaptischen“ Internet.
@Stefan Natürlich macht iBooks das noch immer viel zu stark, aber weniger als die Konkurrenz, oder? Wo sieht es denn besser aus als in iBooks?
HD Schellnack.
Ich muss zugeben, ich möchte, dass ein Buch ein Buch bleibt – ob Papier oder ePub sei mir noch egal, aber Musik, Animationen usw muss ich bei Belletristik beileibe nicht haben. Der normale Roman – abgesehen von typographischen Problemen und dem noch bis nächstes Jahr zu niedrig aufgelöstem Display – ist mit ePub bestens bedient und iBooks zwar sicher noch ausbaufähig, aber schon sehr sehr vielversprechend, zumal das neue ePub-Format hier einiges an Zukunftspotential aufweist. Auch für multimedialere «Bücher» wird sich in diesem handlichen und flexiblen Format reichlich machen lassen, wiewohl ich denke, dass im Bereich Reiseführer und Kochbuch usw vielleicht Apps das Rennen machen, aber nicht als Buchersatz, sondern – wie etwa bei Jamie Oliver – als ganz eigenständige Alternativen, die die Vorzüge des Gerätes ausreizen und vielleicht etwas vom Buch wegbewegen, was stets nur als Notbehelf überhaupt ein Buch war… ich fand immer, dass «Buch» die falsche Form für Ratgeber usw. ist. Aber will ich Thomas Lehr mit Effekten und Sounds, Hemingway mit Animationen? Beileibe nicht.
So wie ich CBZ/CBR für ein ideales Comic-Book-Format halte, zeichnet sich ePub (abgesehen von dem fürchterlichen DRM-Anflügen der Verlage) als solider Standard für eReader ab und es ist eher schade, dass Amazon so sehr auf sein eigenes Format setzt.
Seltsam ist allein der Gedanke, dass «Papier» ein absolut device-neutrales und zukunftsfähiges Format war, dass über die Dekaden und Jahrhunderte Bestand hatte. Meinen Brockhaus aus dem 19. Jh. kann ich immer noch aus dem Regal holen und durchblättern – aber es ist als sicher anzunehmen, dass ePub/Lit/Mobi-Bücher, PDFs oder gar Applikationen nicht 100 Jahre Bestand haben werden. Die Archäologen werden rückblickend unser Zeitalter als zunehmend weißen Fleck auf der historischen Landkarte sehen, als Verschwinden langlebiger Datenformate.
ich
Also ich steh auch auf Papierbücher und mir sind die E-Books nicht wirklich ans Herz gewachsen:-).