CUT-Magazin interviewt den Font FF Hertz
Von A bis Z widmet sich das Winterheft des DIY-Modemagazins CUT (»Leute machen Kleider«) dem Thema Schrift. Foto: Norman Posselt
Auf diese Art hat sich noch keine unserer Schriften in den letzten 20 Jahren empfohlen: In Kooperation mit Monotype spielt das vielfach ausgezeichnete Heft auf 150 Seiten mit Schrift und Buchstaben, bringt eine Vielzahl moderner und klassischer Editorial-Schriften zum Einsatz, und widmet mehrere Stories und Fotostrecken typografischen Themen. Besonderes Feature: CUT-Redakteurin Anke Eberhardt spricht mit Jens Kutíleks FF Hertz, über Gleichberechtigung, Magersucht und billige Kleider:
CUT: Seit Sommer 2015 bist du ganz offiziell bei fontshop.com und anderen Schriftdealern zu haben. Deine Entwicklung begann aber schon 2012. Ist das eine normale Zeitspanne?
FF Hertz: Ach, das ist noch gar nichts! Mit oder ohne Serifen? Wie sieht der Strich vom Q in Extra Bold Italic aus? Das muss ja alles bis ins Detail ausgearbeitet werden! Insgesamt habe ich in meinen 12 Schnitten über 11.000 Zeichen, darunter mehrere Tausend Akzentbuchstaben, die für die europäischen Sprachen nötig sind. Mein Designer muss ein Faible für monotone Tätigkeiten haben.
Interview mit einer Schrift? Warum nicht! FF Hertz zeigt im Gespräch, dass die moderne Textschrift Stellung bezieht. Zu Buchstabenwerten, Lesbarkeitsanspruch, auch Lebens- oder Formfragen. Editorial-Doppelseite: CUT Magazin, Typographie-Special, Ausgabe #14
CUT: Im Gegensatz zu den momentan aktuellen, übercleanen Schriften erscheint deine Hand… pardon: Satzschrift eher altmodisch.
FF Hertz: Stimmt. Meine Ziffern sind zum Beispiel stark an eine Schreibmaschine aus den 1970er-Jahren angelehnt. Viel habe ich auch Hermann Zapfs Melior zu verdanken, von der mein Designer sagt, sie übertrage ein 50er-Jahre-Feeling auf jeden Text. Serifenschriften wie ich sind eigentlich nie besonders im Trend. Sogar Google hat ja gerade sein Logo zu einer serifenlosen Schrift geändert. Wir sind eher die Arbeitspferde, die unbeachtet im Verborgenen werkeln. Es gibt aber auch Ausnahmen: In der Welt der Modemagazine sind klassizistische Serifenschriften mit feinen Haarlinien ein gesetzter Standard.
CUT: Obwohl du also eine Vorliebe für Tradition hast, bist du überraschend modern einsetzbar und oft in eBooks zu sehen.
FF Hertz: Anders kann man in der heutigen Zeit ja gar nicht mehr bestehen. Das Fernsehen macht einen bekanntlich 5 Kilo schwerer, bei E-Publikationen ist es umgekehrt. Da wird jeder unvorbereitete Buchstabe unfreiwillig magersüchtig. Wenn du dann aber mal wieder klassisch auf Papier gedruckt wirst, kommt der Jo-Jo-Effekt und plötzlich bist du übergewichtig. Deswegen habe ich versucht, mich bei der Abstufung meiner Strichstärken gleich zu Beginn an die verschiedenen Einsatzgebiete anzupassen.
CUT: Warum benötigt jeder deiner Buchstaben exakt den gleichen Platz, egal ob Light, Regular oder Bold?
FF Hertz: Gleichberichtigung war mir schon immer wichtig. Nur die Kursiven tanzen wie immer aus der Reihe und nehmen ihren eigenen Platz ein. Aber was soll man machen, es sind halt schräge Typen. Dass meine Buchstaben „uniwidth“ sind, ist aber nichts, was man als Leser merken soll. Das ist eher etwas, das dem Typografen, der mit mir gestaltet, die Arbeit erleichtern soll.
Schmale und gleichbreite Zeichen in allen Schriftschnitten, hervorragende Lesbarkeit auf Papier und Bildschirm und warme Serifenformen: die engagierten Eigenschaften der FF Hertz Textfamilie von Jens Kutílek
CUT: Typobanausen könnten nun sagen, das sei doch alles völlig unwichtig. Eine Schrift sei Mittel zum Zweck. Und wo das a seinen Bauch trägt, doch nur eines: völlig egal.
FF Hertz: Ja, klar. Das ist ungefähr so egal wie das Kleid, das man trägt. Ob das jetzt ein zwickendes Billigteil aus Polyester oder perfekt fallende Seide ist: völlig gleichgültig. Ist ja auch nur ein Kleid, nicht? Aber wenn bei einer Bewegung etwas kneift, hat das Kleidungsstück seinen Zweck verfehlt. Ich bin die alltagstaugliche Kleidung, die einfach gut sitzt. Die man nicht bemerkt, wenn man sie trägt. Um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, braucht man natürlich etwas Spektakuläreres. Ich gehöre nicht auf den Laufsteg. I’m the normal one …
Die CUT-Herausgeberinnen zeigen in zig DIY-Ideen, was man mit A, B, C & Co alles anstellen kann, Editorial-Doppelseite: CUT Magazin, Typographie-Special, Ausgabe #14
CUT: Wobei die Unterschiede in der Mode doch etwas offensichtlicher sind.
FF Hertz: Nicht für unser Unterbewusstsein! Bei Lesetexten sind die Menschen zum Beispiel Serifenschriften gewohnt, für Beschilderungen funktionieren aber serifenlose besser. Da soll noch mal jemand behaupten, dass Typografie nur eine Spielwiese für Grafiker sei, wenn alle an der Autobahnausfahrt vorbeifahren, weil das Erfassen des Ortsnamens eine Sekunde zu lang gedauert hat.
CUT: Da du nun fertig designt bist, stellt sich die Frage: Wie sieht die Zukunft aus?
FF Hertz: Ich komme ja aus Berlin-Wedding, da wächst man automatisch in einer internationalen Umgebung auf. Ich spreche über hundert Sprachen, deshalb ist mein Ziel, irgendwann in jeder von ihnen mindestens einmal für eine Liebeserklärung und einmal fürs Fluchen verwendet worden zu sein.
CUT: Das ist ein Wort. Danke für das Gespräch!
Das Interview führte Anke Eberhardt.
Das CUT-Team auf der Launchparty im soda. BERLIN im Dezember (von links nach rechts): Marta Olesniewicz (CUT Art-direction), Anke Eberhardt (CUT Chefredaktion), Sebastian Steinacker (SodaBooks), Isabell Hummel (SodaBooks), Horst Moser (CUT Verleger). Foto: Norman Posselt
CUT wurde 2009 unter der Leitung von Horst Moser im Hause independent Medien-Design von den Grafikdesignern Lucie Heselich und Marta Olesniewicz ins Leben gerufen. Anja Kellner stieß kurze Zeit später für Mode und Text dazu. Seit 2012 ist Anke Eberhard Mode- und Chefredakteurin. Inzwischen ist CUT fester Bestandteil der Magazinlandschaft und Kreativ-Lesestoff der Guerilla-Gärtner, Strickmädchen und Selbermacher. Verschiedene Preise wie zum Beispiel der Red Dot Award (2009, 2010), der Lead Award (2010) sowie lobenden Anerkennungen von ADC und der Nominierung des Rat für Formgebung unterstreichen die gestalterische Qualität von CUT.
LINKS:
- CUT-Schriften: alle Fonts in der Typografie-Ausgabe
- Typografie-Ausgabe: Homepage des CUT Magazins
- Homestory: Website der FF Hertz
- FF Hertz auf Twitter folgen: @HertzFont
3 Kommentare
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Uwe
Der Link zu den CUT-Schriften funktioniert leider nicht.
Sabine Gruppe
Hallo Uwe,
danke für den Hinweis. Der Link ist korrigiert.
Tony Uygun
Vielen Dank für diesen Beitrag, interessant!