Clinton-Logo: In Your Face

von Johannes Erler

HILL_ERLER

Seit Tagen streitet die Design-Gemeinde über das Wahlkampf-Logo von Hillary Clinton. Die Diskussion hat sogar die Feuilletons der großen Tageszeitungen erreicht und mal wieder ist es Erik Spiekermann, der den Takt vorgibt. In einem kurzen, vier Punkte umfas­senden Statement versucht er eine ausge­wo­gene Beurteilung. Übrig von seinen Worten bleibt aller­dings nur, was sich am besten zur Zeile eignet: das Logo sei eine »banale Arbeit, die an den Unis alle Studenten im Erstsemester machen«. Zack! Das freut das (Netz)Volk, weil es den Shitstorm so herr­lich aufbläst. Und verortet Design mal wieder dort, wo es seit Jahr und Tag am liebsten steht: in der formalen Ecke. Soweit der Status Quo dieser Diskussion, die eigent­lich gar keine ist.

Was mich wundert: lobende Wort exis­tieren entweder nicht oder sind zu unbe­quem, um die Gleichschaltung dieser medialen Meinungswelle zu gefährden. Zeit also für ein Gegengift.

Ich finde das Logo groß­artig! Ehrlich. Das ist nicht nur so dahin­ge­sagt und schon gar nicht ironisch gemeint. Ich wünschte, ich hätte es erfunden. Dann würde ich es mir als erstes groß auf ein T-Shirt drucken lassen und stolz durch die Gegend tragen. Das ist nämlich gleich schon mal der erste Pluspunkt: das Logo ist irre plakativ. Es knallt. Das mag ich.

Ist es (formal betrachtet) banal? Vielleicht. Who cares. Diese Diskussion erin­nert mich viel zu sehr an die gute alte Spießerdiskussion von der Kunst, die keine ist, weil »das ja jeder kann« (Yves Klein, Andy Warhol, Josef Beuys und 1000 andere). Und trifft diese Beurteilung dann nicht auch auf ganz viele andere gute Logos zu? Steht nicht zum Beispiel ein Großteil des Werkes von Paul Rand in genau dieser Tradition der Einfachheit und Plakativität? Wie sehr sehne ich mich in Zeiten der Photoshop-Effekte nach dieser Klarheit! Ich kann Schatten und Verläufe nicht mehr sehen. Ich mag es pur.

Ist das Logo zu hart? Das ist purer Chauvinismus, weil der ganze Satz in der Regel ja lautet: »Ist es nicht zu hart für eine Frau?« Clinton steht für klare Kante. Vielleicht muss sie das sogar – mehr als jeder Mann – betonen, um ernst genommen zu werden (worum ich sie nicht beneide). Und so tritt sie dann auch auf. Jetzt verglei­chen alle das Logo mit dem Obama-O mit den drei roten Streifen, und dem schi­cken Verlauf. Tja, das waren noch andere Zeiten, da ging noch die Sonne richtig schön auf und die Zukunft leuch­tete hell. Im Moment passt das viel­leicht nicht so gut.

Und was soll dieses Zeichen uns nun sagen? Für mich zeigt der Pfeil nach vorn. Ganz einfach. Er kommt aus der Mitte des Buchstabens und für die Mitte der ameri­ka­ni­schen Gesellschaft hat Clinton sich einzu­setzen verspro­chen. Und viel­leicht ist er ja auch auf das rechte, ameri­ka­ni­sche Lager gerichtet. Es ist eigent­lich ziem­lich simpel. Und simpel ist gut für ein Symbol, das nichts anderes können muss, als dass man es wieder­erkannt und mit bestimmten Inhalten verbindet. Nicht das Logo ist der Inhalt, sondern die Frau, für die das Logo steht, liefert diese Inhalte. Das sollte man nicht vergessen. Dass man darüber hinaus jede Menge anderer Interpretation in dieses Zeichen hinein­denken kann, ist klar (was fiele mir alles zu den drei roten Streifen im Obama-Logo ein …). Das ist immer so und irgendwo an dieser Stelle beginnt dann die Polemik.

Als ich das Logo vor einigen Tagen zum ersten Mal sah, war ich über­rascht. So etwas hatte ich nicht erwartet. Eher hatte ich wohl gedacht, dass Clinton versu­chen würde, den genialen visu­ellen Feldzug des Obama nach­zu­ahmen. Sie hat dem wider­standen und das ist mutig. Statt dessen: In your face! Ich finde das toll.


27 Kommentare

  1. Nina

    Danke! Schön, abseits der immer popu­lären besser­wis­se­ri­schen Häme mal einen so über­zeugt posi­tiven Kommentar zu lesen.

  2. J. Lippert

    Nun, gut, das mag jeder sehen, wie er möchte: Ich mag’s nicht, zu plump, zu wenig fein.

  3. Jason

    Manchmal gibt es eben nichts Spektakuläres mittels „Wall of Text“ über eine Arbeit zu sagen… Alles richtig gemacht, denn „es knallt“.

  4. hannes

    Nein hier irrt Spiekermann, ein Erstsemester würde sowas nie und nimmer fertig bringen, da schützen ihn/sie seine/ihre Designtheorie-Professoren davor. Das Ding flim­mert, und das ist es was man gleich in der ersten Vorlesung einge­schärft bekommt, (Farb-)Flächen mit einem gleichen/ähnlichen Helligkeitswert(Grauwert) haben neben­ein­ander nichts zu tun! Mag sein, dass solche Dinge in der digi­talen Welt keine Rolle mehr spielen, in der analogen ist es ein No-Go! Schon allein wegen der Umsetzbarkeit: Hier käme zurecht auch die Frage eines altge­dienten Typo-Profs: … so, jetzt ziehs mal auf 10 Punkt runter und mach ’nen Stempel draus! Was bleibt übrig? ;-) Justmy5cents

  5. erik

    Wie Johannes schon schreibt: ich habe das in vier Punkten etwas diffe­ren­zierter formu­liert. Dass es nämlich inhalt­lich sehr mutig ist. Formal muss es so einfach sein, dass es auch der sprich­wört­liche Erstsemesterstudent hätte machen können. Der hätte es aber niemals verkaufen können, weil die inhalt­li­chen Voraussetzungen für so ein einfa­ches Ergebnis sehr komplex sind.
    Ich muss mir wirk­lich über­legen, ob ich über­haupt solche Statements abgebe, wenn sie dann selbst von den Journalisten, denen ich vertraut hatte, so banal verdummt werden.

    • koni

      Wo sind denn die diffe­ren­zier­teren Formulierungen nachzulesen?

    • Bert Vanderveen

      So… there is a hidden meaning in this symbol: it is not aimed at muslims and other ethni­ci­ties that have a right-to-left reading system (and how about those with verti­cally oriented writing?). For those people the meaning is ‘things will go backward’.
      Why hasn’t Fox News picked up on this yet? They’d probably exploit it to the very last drop…

      : )

    • Curd

      Yes, so we have to see that, Bert.

  6. Johannes

    Ich bin froh, dass Du das schreibst, Erik. Ich hatte gehofft, dass mein Kommentar so inter­pre­tiert würde. Und dich an der Spitze der Kritiker zu führen, war natür­lich ein Kunstgriff, um Aufmerksamkeit zu bekommen. In Wahrheit war dein kurzes Statement diffe­ren­zierter, genau so, wie mein Statement in einer ausge­wo­ge­neren Runde eben­falls nuan­cierter ausge­fallen wäre. Aber so ist das leider mitt­ler­weile: man muss aufpassen, was man sagt und ande­rer­seits laut sein, um über­haupt gehört zu werden. Keine guten Zeiten für Feingeister.

  7. Alex

    Mir gefällt es nicht, weil es eine wider­sprüch­liche Botschaft trans­por­tiert. Das Rot signa­li­siert „STOP!“, während der Pfeil in der Tat offen­sicht­lich nach vorne zeigt. Das wider­spricht sich und erzeugt eine kogni­tive Dissonanz, die nicht gut ist. Der Pfeil hätte grün sein müssen.

    • Wer

      sagt, dass ein nach rechts zeigender Pfeil nach vorne zeigend bedeutet? Sind wir durch immer nur gemeinsam gleiche Ausbildung (gleiche Unis, gleiche Lehrer, nie was Besonderes eben) wirk­lich meinungsgleichschaltbar?

  8. erik

    Wir lesen von links nach rechts, also ist rechts vorwärts. Auch einen Zeitstrahl lesen wir von links nach rechts, also ist links vorher und rechts nachher. Die x-Achse hat links die Null.
    Das hat nichts zu tun mit Gleichschaltung, sondern mit Lesegewohnheit. Und wir lesen nicht rückwärts.

  9. erik

    Rot steht nicht nur für Stop, sondern auch für Aktivität, Gefahr, Schnelligkeit, Blut, Leben. Und in den USA ist rot nicht gleich­be­deu­tend mit links, im Gegenteil: Die Demokraten sind blau und die Republikaner sind rot. Also will die blaue Kandidatin auch die roten Wähler mitnehmen.
    Aber das muss über­haupt nicht so kompli­ziert sein: die Nationalfarben sind blau, weiß und rot und kommen immer vor bei solchen Themen. Daran kommt auch eine Hillary nicht vorbei.

  10. axelrod

    Stilistisch hat Clintons Auftritt eine gewisse 70er-Vignelli-Plakativität und auf der Webseite sieht man sie zusammen mit Rentnern. Hier soll scheinbar nicht mehr die Generation Internet, wie bei Obama, sondern die Gruppe der „Best Agers“ abge­holt werden. 

    Wahrscheinlich wurde das Logo einfach aus Mangel an Material verissen. Inhaltlich hat Clinton bisher nämlich nichts konkretes kommuniziert.

  11. Wilhelm

    Johannes Erler for presi­dent. Oder direkt: soll ein Lob sein.

  12. Jürgen Siebert

    @koni: Erik hat sich am vergan­genen Freitag gegen­über der W&V zu dem Logo geäu­ßert … hier nach­zu­lesen: »Erstsemester-Arbeit«: Erik Spiekermann über das Hillary-Logo

    • koni

      Danke Jürgen, aber eben das kannte ich schon. Nur eben von „diffe­ren­zierter formu­liert“ hab ich eben andere Vorstellungen. :-)
      Dachte naiver­weise das wär irgendwo diffe­ren­zierter formuliert.

  13. Magnus

    Danke für den Beitrag. So einfach muss das jetzt mal sein. Ich freu mich auf die Kampagne.

  14. @ Koni

    Differenzierte Aussagen gibt es bezüg­lich anderen Themata, die ich fast noch inter­es­santer finde: Liest du!

    • Ralf

      >>Differenzierte Aussagen gibt es bezüg­lich anderen Themata…

      A) Was hat dieser Beinert-Artikel mit dem Thema dieses Fontblog-Artikels zu tun?
      B) Mit diffe­ren­ziert meinen sie wohl, die Differenz (also Abweichung) von der Realität des verlinkten Artikels? Denn abge­sehen von der unsäg­lich Polemik des Artikels ist er allen Sachfragen schlicht unwahr. 

      »Fakt ist aller­dings, dass bisher welt­weit Font Files die für Anwendersoftware benö­tige Schöpfungshöhe gene­rell verwei­gert wird.«

      Gelogen.
      Siehe LG Köln, Urteil vom 12.01.2000, 28 O 133/97
      http://​www​.jurpc​.de/​j​u​r​p​c​/​s​h​o​w​?​i​d​=​2​0​0​0​0​217
      Fazit dort: »Computerschriften ist jeden­falls hinsicht­lich der ihnen zugrun­de­lie­genden Computer-Programme Urheberrechtsschutz nach §§ 69 a ff. UrhG zuzusprechen«

      »Es kann kein Nutzungsvertrag zustande kommen, da ein Font keine Software ist …«

      Gelogen. Siehe oben und im welt­weiten Kontext auch: Adobe Systems Inc. v. Southern Software, Inc. v. Ares Software Corp. ,NO. C95-20710 RMW(PVT).

      »Alle mir bekannten … Fachjuristen gehen deshalb davon aus, dass die in Deutschland, Österreich und in der Schweiz verwen­deten Endbenutzer-Lizenzverträge … für Font Files sitten­widrig sind und höchst­rich­ter­lich keinen Bestand haben.«

      Gelogen. Die Fachjuristen kommen genau zum gegen­tei­ligen Ergebnis und bejahen die prin­zi­pi­elle Schutzfähigkeit und im Ergebnis auch die Lizenzierbarkeit. 

      Schriften können als Werke der ange­wandten Kunst (§ 2 Abs. 1 Nr.4 UrhG) urhe­ber­recht­lich geschützt sein. Werke der ange­wandten Kunst sind gekenn­zeichnet durch einen bestimmten Gebrauchszweck. Um Urheberrechtsschutz zu erlangen muss ein Werk eine persön­liche geis­tige Schöpfung aufweisen.« (Anja Assion, Telemedicus: Schriften – Wie sind sie recht­lich geschützt?)

      »Die Gestaltung von Buchstaben und Satzzeichen kann urhe­ber­recht­li­chen Schutz genießen, wenn sie gem. § 2 Abs. 2 UrhG eine persön­liche geis­tige Schöpfung darstellt.« (Jaeger/Koglin: Rechtlicher Schutz von Fonts)

      »Schriften können, genauso wie andere Designleistungen auch, in Einzelfällen als Werk der ange­wandten Kunst urhe­ber­recht­lich geschützt sein.«(Karsten+Schubert Rechtsanwälte)

      »… urhe­ber­recht­liche Schutz konse­quent verwei­gert. Gleiches gilt selbst für einen einfa­chen Gebrauchmusterschutz für Textschriften.«

      Gelogen. Eine simple Recherche beim DPMA liefert hunderte Geschmacksmuster-Einträge für Schriften aller Gattungen, einschließ­lich Textschriften. Von einer konse­quenten Verweigerung kann keine Rede sein. Der Segoe-Fall wird von Herrn Beinert als bewusste Nebelkerze gestreut. Er will zeigen, dass Schriften der Schutz verwehrt wird. In Wahrheit zeigt der Fall aber, dass der Schriftenschutz der Frutiger eben wirksam und rech­tens war und die Eintragung des Klons verhinderte. 

      Abgesehen davon, dass diese meist grotesken und praxis­fernen AGBs in der Regel dem BGB wider­spre­chen und somit unwirksam sind …

      Belegen Sie dies! Bringen Sie Beispiele! Welche Klauseln in welchen EULAs wider­spre­chen dem BGB? Warum so viel Polemik, Übertreibung und schwam­mige Verweise auf Dinge die Urteile und Anwälte vermeint­lich irgendwo sagen und kein einziger nach­prüf­barer Beleg?
      Stellen Sie sich den Fakten, Herr Beinert oder liefern Sie welche! Denn nur die zählen am Ende.

    • Kurt

      Hat er gelogen oder ist er unwis­send, das ist hier die Frage. Und zum Artikel passt dieser Eintrag nach meiner Meinung immer, weil es fast jeden betrifft.

    • Maja

      @ Ralf

      Wäre aber ein wich­tiges Thema, eines, welches ständig im Vordergrund erscheinen sollte.

    • @ Ralf

      Wie ist denn der übrige Inhalt jenes Blogs zu beur­teilen? Kann man wenigs­tens aufs Fachliche vertrauen?

  15. Mick

    Danke Johannes. Ich finde Gegenwind bei Gleichschaltung von Meinung sehr begrü­ßens­wert. Hat Freude gemacht den Beitrag zu lesen. Muss immer noch schmunzeln.

  16. erik

    @koni: diffe­ren­zierte Aussagen kann man nicht erwarten von einer Schnellumfrage in W&V. Hinterher wünsche ich mir oft, ich hätte die Anfrage igno­riert. Die müssen eben immer bis heute abend etwas bringen und ich will mich nicht drücken. Allzu ernst darf man das nicht nehmen.

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