Eine Werber-Bilderbuchkarriere
Lieber Bernd Kreutz,
da ist es also, das telefonisch angekündigte »Werk«. Sie sprachen von einem »Familienalbum«. Doch was ich gestern auspackte, sieht auf den ersten Blick wie eine Mao-Bibel im XXL-Format aus: knallroter, typografischer Einband, 956 Seiten schwer. Allein der kapitalistische Aufkleber konterkariert den sozialistischen Einband: »Beta-Version, 99,90 €«. Ich dachte erst, das sei ein Witz. Aber nach dem 2-minütigen Ober-Buchchecker-Check (Impressum, Barcode, Amazon) merkte ich: Es ist Ihr Ernst. Das fand ich dann richtig witzig.
Ich nahm den »Backstein« abends mit nach Hause, legte ihn erst Mal auf meinen Schreibtisch. Fünf Minuten später stehe ich schon wieder davor, um ihn in die Hand zu nehmen. Eigentlich keine Überraschung für mich, als Physiker ist mir das Phänomen der Massenanziehung bekannt. Noch vor dem Abendbrot mit der Familie habe ich das erste Drittel Ihrer Chronik durchforstet. Das zweite Drittel folgte nach der Tagesschau, heute morgen der Rest.
Worum ich Sie beneide:
- die Sperrsitzkarte für das Beatles-Konzert 1966 im Krone-Bau
- ein ordentliches Auto mit 30 Jahren
- die schönen Werbemädels Ende der 60er Jahre
- Ihr ausgeprägtes Kinn und natürlich
- den aufrechten Gang nach 40 Jahren Werbung
Ich hoffe, Sie haben immer die Wahrheit geschrieben ;-) Auf Seite 581 steht »Ich rauche nicht mehr« … das Buch roch allerdings nach Zigarettenqualm (wahrscheinlich der DHL-Bote, die paffen ungeniert in Ihren Fahrzeugen).
Conclusio: Ich gratuliere zu einer deutschen Bilderbuchkarriere. Hab’ viele alte Bekannte gerne wieder gesehen, aus einer Zeit, als die Werbung bei uns zu Recht mehr Ansehen genoss.
Jürgen Siebert
Der (Reklame-)Himmel steht wieder offen
Es war eine deprimierende Nachricht, am 24. Dezember 2007, als der frische und erfrischende Werbeblogger Bernd Kreutz (kreutzundpartner.de) nach 200 Tagen, wie angekündigt, sein Internet-Tagebuch Reklamehimmel schloss. Kreutz machte Yello Strom unverwechselbar, er ist einer der genialsten Markenexperten im Land. Er weiß was gut ist und was schlecht (unerreicht seine Abrechnung mit der dilettantischen Markenführung der Telekom 2001: Die Farbe Magenta und das Verhältnis von Macht und Recht), und dass man, frei nach Stephen Fry (siehe meinen Kommentar zum letzten Beitrag), Form und Funktion genauso wenig trennen kann wie Stil und Inhalt. Dieser Bernd Kreutz also regt sich über den verkorksten Steve-Jobs-Schutzumschlag bei C.Bertelsmann genau so auf wie ich (»… eine Schande für das deutsche Verlagswesen«), und hat deshalb seinen Reklamehimmel wieder geöffnet … Herr Kreutz, es gibt ausreichend Gründe, ihn so schnell nicht wieder zu schießen. Weitermachen!
Der Typograf
Bei aller Popularität von iMac, iPod, iPhone und iPad: Die erste Industrie außerhalb der Computerbranche, die Steve Jobs revolutionierte, war die Druckvorstufe – 500 Jahre nach Gutenberg. Dies war Anfang 1985, als er mit seinem Unternehmen Apple und den Partnerfirmen Adobe, Linotype und Aldus das Desktop Publishing (DTP) erfand. An den Apple-Computern Lisa und Macintosh war es erstmals möglich, professionelle Drucksachen auf dem Schreibtisch zu gestalten und auf Offsetfilm zu belichten. Nebenbei befreite DTP die typografische Gestaltung, durch WISIWYG-Darstelllung (What You See Is What You Get) und endlich frei verfügbare Schriftarten, die zuvor an Satzmaschinen gebunden waren. Auf einmal enstanden die ersten unabhängigen »Gießereien« für digitalisierte Schriften (Emigre, The Font Bureau, Alphabets) und die Anbieter solcher Fonts, auch FontShop.
Spätestens seit seiner Rede vor Studenten in Stanford 2005 ist Jobs’ Leidenschaft für Typografie einem breiteren Publikum bekannt. Er berichtet, dass im Reed College hervorragende Kalligrafie-Kurse angeboten wurden, in denen er alles über Serifen und serifenlose Schriften lernte, zum Beispiel was passiert, wenn man den Abstand zwischen einzelnen Buchstaben verändert, und was gute Typografie ausmacht. Wörtlich resümierte er: “None of this had even a hope of any practical application in my life. But ten years later when we were designing the first Macintosh computer, it all came back to me, and we designed it all into the Mac. It was the first computer with beautiful typography. If I had never dropped in on that single course in college, the Mac would have never had multiple typefaces or proportionally spaced fonts, and since Windows just copied the Mac, it’s likely that no personal computer would have them.”
Die Verdienste des genialen Unternehmers aus Cupertino werden häufig auf die Stichworte Marketing und Design reduziert. Wer den Erfolg Apples richtig verstanden hat weiß, dass es weit mehr ist. Doch die visuelle Gestaltung war immer die sichtbare Komponente des Apple-Erfolgs, bei der sich Jobs oft persönlich einmischte. Ob beim Produktdesign, mit seinen Keynotes, der Architektur der Apple-Stores oder dem iOS auf dem Retina-Bildschirm: exquisites Grafikdesign und eine vorzügliche Typografie gehören zu den Kernqualitäten der Apple-Kommunikation und -Strategie. In den Worten der Typografie: Der Raum zwischen den Dingen und ihre Beziehung zueinander sind mindestens so wichtig wie die Dinge selbst.
Meine berufliche Laufbahn fußte von Anfang an auf dem, was sich der Visionär Steve Jobs ausdachte, um die Welt zu verbessern. Als Wissenschaftsjournalist kam ich 1986 nach Hamburg zum MACup-Verlag, Herausgeber des ersten europäischen Mac-Magazins. Im September desselben Jahres gründeten wir PAGE, eine Zeitschrift fürs Desktop Publishing, die wir selbstverständlich auch mit diesem Verfahren produzierten. 1991 holte mich Erik Spiekermann nach Berlin in den FontShop, dem ersten Handelshaus für Schriften. Es folgten weitere Meilensteine … FontFont, FontBook, FUSE, FontBook fürs iPad … die auf dem basierten, was Steve Jobs der Medienindustrie bis zuletzt (iPad 2) persönlich in die Wiege legte. Vielen Dank dafür, Steve.
»Keiner will sterben«, sagte Jobs am Ende der oben zitierten Stanford-Rede, »selbst Leute, die in den Himmel möchten, wollen nicht sterben, um dahin zu kommen. Und doch ist der Tod das Ziel, das wir alle gemein haben.« Ohne Dramatik fügte er an: »Und das ist so, wie es sein sollte, denn der Tod ist höchstwahrscheinlich die beste Erfindung des Lebens. Er bewirkt den Wandel. Er entrümpelt das Alte, um Platz zu machen für das Neue. Und das Neue seid Ihr.«
© Abbildung oben (Danke an Sebastiaan de With (Cocoia) für die Abdruckgenehmigung): das iPhone zeigt die Apple-Homepage von heute morgen ab ca. 03:00 MEZ
© Abbildung unten: Standbild aus dem Video des Apple Special Event vom 4. Okt. 2011, in dem mehrfach der reservierte Sessel für den Firmengründer eingeblendet wurde
Baumann & Baumann haben geschillert
Wenn ich Post von Baumann & Baumann bekomme, kann ich mit gleichermaßen unterhaltsamen wie staatstragenden Nachrichten rechnen. Diese Woche schreiben mir Barbara und Gerd: »Lieber Jürgen, ›Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit‹ … wir schließen uns dieser Feststellung Karl Valentins an und freuen uns umso mehr über den Red Dot Design Award für unser Corporate Design und Orientierungs-Projekt auf der Marbacher Schillerhöhe. In prominenter Gesellschaft mit David Chipperfields Literaturmuseum der Moderne, dem Schiller Nationalmuseum und dem Deutschen Literaturarchiv hoch oben über dem Neckartal verbinden und markieren unser Schiller-S und unser Ideen- und Gestaltungskonzept diese literarischen Orte und beziehen die neue Stadthalle von 4a Architekten mit ein.«
Die Schillerhöhe ist ein Park- und Museenareal im Zentrum der Stadt Marbach am Neckar. Sie ist benannt nach dem berühmtesten Sohn der Stadt, Friedrich Schiller. Neben dem Deutschen Literaturarchiv und der Marbacher Stadthalle befindet sich auf der Schillerhöhe das älteste Denkmal des Dichters. Mit seinen bis zu hundert Jahre alten Bäumen und der herrlichen Sicht ins Neckartal ist der Park auf der Schillerhöhe ein beliebter Anziehungspunkt für Besucher und Gäste.
Wie wir es aus der wegweisenden Arbeit der Baumanns für den Bonner Bundestagsbau her kennen, Mitte der 80er Jahre, spielen auch auf der Schillerhöhe Zitat eine tragende Rolle. Ob Scheiben, Holzvertäfelungen, Wände oder Decken … wenn es passt, verknüpft das Designerpaar eine inszenierte Weisheit mit einem Nutzen. Einfach nur beschriften reicht nicht, und dafür lieben wir die Baumanns. Danke für die tolle Arbeit und Danke an einen mutigen Auftraggeber.
(Ich werde euch als Sprecher auf die TYPO Berlin 2012 sustain einladen, denn ich kenne kein beständigeres deutsches Designbüro als Baumann & Baumann)
Warum ich diesen HP-Drucker liebe …
(Ich bekomme keinen Cent für diesen Beitrag … will einfach nur meine Zufriedenheit über ein Gerät mitteilen, das mir und meiner Familie täglich Freude bereitet).
Wer einen Universal-Tintendrucker für zu Hause sucht, der anstandslos Printjobs von Computer, iPhone und iPad verarbeitet, sollte sich mal mit den HP-Photosmart-Modellen beschäftigen. Bei uns zu Hause werkelt seit einem halben Jahr der rund 170 € teure Photosmart Premium plus Fax, mit folgenden Funktionen:
- 5 getrennte Druckpatronen (XL)
- 2 Papierfächer (Fotopapier, A4-Normalpapier)
- automatischer Dokumenteneinzug (auch doppelseitig)
- doppelseitiges Drucken, Fotokopieren und Scannen
- Fotos duplizieren ohne Computer
- drahtlos Drucken und Scannen
- scannen bis 1200 dpi, 48 Bit
- faxen
Da der Drucker (über die eigene WiFi-Karte) nicht nur im lokalen Netz verfügbar ist, sondern darüber auch mit dem Internet verbunden sein kann, lassen sich von unterwegs PDFs, ein Fotos oder Formulare (einfach per E-Mail) an den Drucker senden, der diese dann umgehend zu Papier bringt (HP ePrint). Das Fax lässt sich so konfigurieren, dass der Printer zwar automatisch sendet, aber nur empfängt, wenn man es manuell zulässt (Fax-Spamfilter). Das Drucken von Websites (Safari Reader), Mails oder Fotos aus Apple-iOS-Geräten wird mit der nativen Print-Funktion erledigt (AirPrint, auch doppelseitig). Eine zusätzliche App wie ePrint gestattet individuelle Druck-Einstellungen. Die Kinder freuen sich über das Ausdrucken von Linienpapier, Ausmalbildern und ähnlichem aus dem Internet, bereitgestellt vom HP-Server.
Zwischenbilanz: 25.000 Mails an George Clooney
Das nenne ich vorbildliche, zeitnahe Kommunikation … Am Montag hatte ich hier im Fontblog auf die gelungene Nespresso-Werbe-Parodie aufmerksam gemacht (Nespresso-Engagement fällt auf George zurück), der Auftakt einer Petition von Solidar Swiss. Eben schreibt mir Christian Engeli von Solidar:
»Guten Morgen Jürgen Siebert. Herzlichen Dank! Vor drei Tagen haben wir die Kampagne für fairen Nespresso lanciert. Dank Ihnen und vielen Tausend weiteren Menschen wird die Aktion zum Erfolg! Bis jetzt wurden 25’000 E-Mails an George Clooney geschickt! Der Spot wurde auf Youtube mehr als 400’000 mal angesehen – unglaublich! Gemeinsam haben wir die Diskussion über fairen Handel weltweit(!) in die Medien gebracht.
Nespresso verweist in seiner Antwort auf unsere Kampagne auf das ›Nespresso AAA+ Sustainability Programm‹. Dieses firmeneigene Label erachten wir als ungenügend. Unsere Kritik am AAA-Programm finden Sie hier. … Nespresso hat uns für morgen, Freitag, zu einem ersten Treffen eingeladen. Wir haben die Einladung angenommen. Wenn wir jetzt den Druck aufrecht erhalten, wird fairer Nespresso schon bald Realität.«
Gern geschehen und weiterhin viel Erfolg.
Tanzende Konturen – ein Vergleich
Ich war 2003 ein großer Fan der frühen iPod-(Classic)-Werbevideos, zum Beispiel von diesem hier (Musik: Black Eyed Peas, »Hey Mama«):
Als ich gestern zum ersten Mal den Blaxploitation-Film Foxy Brown (Wikipedia-Link) auf arte in ganzer Länge gesehen habe (dessen Hauptdarstellerin Pam Grier 23 Jahre später auch die weibliche Hauptrolle in Quentin Tarantinos Jackie Brown spielte), war ich überrascht, in dem 37 Jahre alten Vorspann die Vorlage für die Ästhetik dieser iPod-Werbespots aus dem Hause TBWA Chiat Day zu entdecken:
Choreografie: Anita Mann. Special-Effect-Design: Imagic, Inc. Musik: Willie Hutch.
Einen spannenden Blogbeitrag (englisch) über das Zusammenspiel von Text und Körper in den Film-Vorspännen von Vertigo, Foxy Brown und Superbad habe ich hier gefunden: Intertextuality and The Body.
Alles richtig gemacht, SZ-Magazin fürs iPad
Bis vor fünf Wochen war das SZ-Magazin bei und in der Familie eine unregelmäßige Lektüre, obwohl wir es alle mögen. Der gedrosselte Konsum lag meistens daran, dass uns beim Samstageinkauf einfiel: »Oh, gestern erschien wieder das SZ-Magazin«. Für alle Leser, die nicht so vertraut sind mit den Printobjekten des Süddeutschen Verlag: Das Süddeutsche-Zeitung-Magazin ist die vierfarbige Beilage, ein sogenanntes Supplement, in der Freitagsausgabe der SZ und mit 430.000 Auflage eines der größten deutschen Zeitschriften.
Gestern Abend erschien zum 6. Mal die digitale Ausgabe des Magazins. Wir haben sie alle gekauft (für je 79 Cent) und erfreuen uns seit der ersten digitalen Ausgabe jede Woche über:
- das Erscheinen am Donnerstagabend
- die zeitlich unbegrenzte Lieferbarkeit
- den günstigen Preis
- den Mehrwert im Vergleich zur Print-Version
- die selbstbewusste, konsequente Inszenierung
Damit ist eigentlich schon alles gesagt. Vor allem den letzten Punkt möchte ich ausdrücklich hervorheben und vergleichbaren Verlagsprojekten zwecks Überprüfung ans Herz legen. Dem SZ-Magazin für das iPad merkt man auf jeder Seite an, dass es – unter dem Ex-Jetzt-Redaktionsleiter und Ex-Neon-Chefredakteur Timm Klotzek – mit »Liebe zum Gerät« gemacht ist (anstatt mit »Liebe zum Papier, aber weil das ja bald ausstirbt, müssen wir das gezwungenermaßen jetzt aufs iPad bringen«). Die Liebe fürs Detail zeigt sich nicht nur im digitalen Heft selbst, sondern sogar an der Metadaten-Pflege im App-Store, wo aktuelle ScreenShots für die App werben … eigentlich ein Kinderspiel, man muss es nur verstehen und wollen, Woche für Woche.
Ein Beispiel für den Mehrwert der digitalen Ausgabe ist die aktuelle Titelgeschichte: Vor sieben Jahren hat das SZ-Magazin ein Heft über Dreizehnjährige gemacht. Nun haben Fotograf und Redaktion sie alle noch mal getroffen, »für ein Heft über die Zwanzigjährigen von heute«. Ein 5-minütiger Film dokumentiert die Erinnerungen und Gedanken des Fotografen. Und weil es in digitalen Magazinen keine Platzprobleme gibt, werden nicht nur alle alten und neuen Fotos der Jugendlichen ganzseitig inszeniert, man bekommt sogar noch mal die Texte von damals geliefert. Ähnlich geht die Redaktion mit Rezepten um (groß bebildert), der Kolumne von Axel Hacke (inkl. Audio-File, vom Autor gelesen) und den beliebten Kolumnen »Sagen Sie jetzt nichts« oder dem verzwickten Kreuzworträtsel, das selbstverständlich auch mit der iPad-Tastatur gelöst werden kann. So macht man iPad-Magazine.
Zum selben Thema auch meine aktuelle Kolumne in PAGE: Warum e-Books nur ein Zwischending sind