Freitag: Der 1. Type Talk in Berlin
Liebe Berliner Freundinnen und Freunde der Typografie,
ich wünsche mir, dass diese Veranstaltung am kommenden Freitag »ausverkauft« sein wird! Der Type Talk ist eine neue, monatliche Vortragsreihe über grafische Gestaltung. Kostenlos! Hier kann man sich anmelden … (alle Events am Fuß der Seite).
Wir leben in einer typografischen Metropole. Das wissen vor allem jene Kolleginnen und Kollegen, die beruflich mit Schrift zu tun haben. Dies sollten aber noch mehr Designer und Grafiker wissen, weil immer noch zu viele Drucksachen und Websites schwer lesbar und schlecht strukturiert sind. Der Apple Store Kurfürstendamm gibt uns nun die Möglichkeit, einmal im Monat im Theatersaal junge Talente in die Welt der Schrift zu entführen.
Also: erzählt euren Freunden, dass wir ab sofort verständlich über visuelle Kommunikation sprechen. Und wer selbst etwas zu diesem Thema zu sagen hat, sende mir bitte eine Mail.
Bis Freitag
Jürgen Siebert, Programmdirektor und Moderator des Type Talk im Apple Store Kurfürstendamm
Den ersten Type Talk bestreitet Tim Ahrens zum Thema »Neue Typografie im Web«. Fontblog-Leser kennen Tim als international erfahrenen Type-Designer und Redner, der mit seiner Frau Shoko Mugikura das Schriftenlabel Just Another Foundry betreibt. Neben zahlreichen Font-Familien entwickelte der ehemalige Architekt erfolgreich Design-Software, wie die Font-Remix-Tools und den FontFonter. Als Berater im Bereich Webfonts ist er unter anderem für Adobe Typekit tätig, für FontShop referiert er regelmäßig auf den TYPO Days über Webfonts und Web-Typografie.
Tim Ahrens’ aktuelles Forschungsgebiet sind die neuen typografischen Herausforderungen im Webdesign. Er vertritt die These, dass wir im Web nicht das imitieren sollten, was seit Jahrhunderten im Gedruckten praktiziert wird. Die vieldiskutierte Fluidität moderner Webseiten lässt das Zusammenspiel von Parametern wie Schriftgröße und -art, Zeilenlänge und -abstand in neuem Licht erscheinen. »Jetzt ist es unsere Aufgabe, diese Abhängigkeiten dem Computer beizubringen und so ein Optimum an Lesefreundlichkeit zu erreichen.« proklamierte er jüngst auf den Leipziger Typotagen. Er kämpfe dafür, dass sich die Webtypografie von vordergründigen Gags verabschiede und endlich durchdachte Anwendung entwickle, zum Wohle der Lesbarkeit.
(Foto: Copyright © 2013 Apple Inc.)
Städtemarketing aus der Sicht eines Dorfes
Juchhe, endlich mal wieder im Kino, »Hai-Alarm am Müggelsee«. Ich hatte mich Null informiert vorher, wusste nur, dass Henry Hübchen die Hauptrolle spielt und Leander Haußmann & Sven Regener sowohl für das Drehbuch, als auch die Regie verantwortlich sind. Was kann da schief gehen? Antwort: Alles!
Der Film ist selten dämlich und gleichzeitig genial komisch. Aber: Man darf keine Erwartungen haben, so wie in meinem Fall. Sogar die Erwartung eines Kinofilms sollte man am besten zu Hause lassen. Denkt einfach, ihr geht zu einem Laienspiel. Tatsächlich ist dies der dramaturgische Container, in den Haußmann/Regener die 103 Minuten gepackt haben. Zwar sind alle Mitwirkende teils preisgekrönte Profis, aber für Hai-Alarm schlüpften sie erst in die Laienrolle und dann in die Filmrolle. Oder war’s umgekehrt? Egal, die Verweigerung jeglichen Schauspiels ist Programm.
Die Hai-Alarm-Komödie ist prominent besetzt: Henry Hübchen als Bürgermeister, Michael Gwisdek als Schwimmmeister und Detlev Buck als Dorfpolizist
Der Unterhaltung tun diese Allüren keinen Abbruch, nur die gelernten Genrekonventionen geraten völlig durcheinander. Doch auch blinde Hühner im Publikum finden ein Humorkorn. Ich habe mich herrlich an der Entzauberung des Themas Städtemarketing ergötzt. Es zieht sich wie ein roter Faden durch den Film, denn der (dokumentarisch inszenierte) Handlungsort Friedrichshagen am Müggelsee erhofft sich durch den Hai-Alarm mächtig Auftrieb, sogar ein »Hai-Alarm-Bier« ist bereits gebraut und szenemäßig etikettiert. Dem Filmkomponisten Sven Regener ist es zu verdanken, dass es nun sogar eine Ballade über das Städtemarketing gibt (iTunes-Link).
Bei machen Szenen fühlte ich mich an die wunderbaren Debatten hier im Fontblog erinnerte. Bis vor wenigen Monaten waren die visuellen Neuauftritte von Städte und Regionen unser Lieblingsthema. Denken wir an das Cottbus-Logo, die Otto-Dix-Stadt Gera, Ruhr hoch n, IngolStadtLandPlus, Bodensee, die Marke Region Stuttgart, Be Berlin, Mein Taunus, und viele andere … Irgendwann stellte ich die Frage: (Ist das) Städtemarketing in der Sackgasse? Hätte ich gewusst, dass jede einzelne dieser Unglücksgeschichten den Stoff für einen Kinofilm in sich birgt, ich wäre vor 5 Jahren Drehbuchautor geworden.
Wer jetzt noch Lust hat, den Hai-Alarm-Trailer zu sehen … hier ist er:
Ein Dankeschön fürs Archivieren nach Braunschweig
An der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig lehrt die Professorin Ulrike Stoltz seit 1999 Typografie; von 1991 bis 1998 war sie in der gleichen Funktion an der FH Mainz aktiv. Ihr Wissen auf diesem Gebiet schöpft sie seit Jahrzehnten nicht nur aus der Fachliteratur der Uni-Bibliotheken, sondern auch aus aktuellen Werbedrucksachen. Zum Beispiel den Mailings von FontShop.
Wie es sich für eine Hochschule gehört, landen Broschüren und Fachzeitschriften weder in Stehsammlern, noch in irgendwelchen Kisten. Nein, sie werden gebunden. Ulrike Stoltz ließ unsere Mailing-Serien von der Buchbinderin Veronika Wehrstedt dauerhaft in vier dicke gelbe Bücher verwandeln.
Wir sind beeindruckt von der Sammelleidenschaft an der HBK Braunschweig und freuen uns, dass unser Wirken dort ein paar Jahre länger überleben wird als anderswo. Vielen Dank auch an Dan Reynolds, der seit Jahresbeginn ebenfalls in Braunschweig unterrichtet und die Fotos gemacht hat.
Frage: Sammelt noch jemand derart akribisch FontShop-Material? Wenn ja, bitte ein Foto an info@fontshop oder hier unten als Kommentar posten.
Kevinismus – oder der Charme von Single-Covers
Kevin Keegan: Head Over Heals In Love b/w Move On Down, Vinyl, 17″, ℗ EMI Electrola Germany 1979, Schrift: Futura Condensed Extra Black
Wer mir eine Single schickt ist selber schuld. Sie lag im Päckchen von Hipstery*, das gestern auf meinem Schreibtisch landete. Und eigentlich wollte ich etwas über die Kuriositäten dieses hippen Geschenkeladens schreiben. Doch die Single hat mich abgelenkt.
Vinyl-Singles sind magic … und werden es für mich immer sein. Ihre Größe (zwischen Postkarte und DIN-A4), ihre Beschränkung (nur 2 Songs), das Material, ihre Haptik. Grafisch sind alte Single-Cover vielsagender als LP-Cover. Singles mussten schnell verkaufen, LP-Cover durften tiefgründig aussehen, weil sie monatelang im Plattenladen durchgeblättert wurden. Darum wurden Longplayer von Künstlern gestaltet, Single-Cover entstanden anonym am Fließband: Promofoto, eine scharfe Schrifttype drauf, ein bisschen Rahmen oder grafischer Schnickschnack aus dem Scrap-book, fertig. In Single-Covern steckt mehr Zeitgeist, mehr Alltag, mehr Direktheit, mehr Charme. Es sind Anzeigen.
Anfang der 1980er Jahre hatte ich eine Jukebox, die ich stets mit frischem Futter versorge, weil sie voll-funktionsfähig bei Freunden in einer Kneipe stand. Am Ende des Jahrzehnts stapelten sich vier Kartons voll mit 17-Zoll-Scheiben in meinem Regal, die ich bis heute hüte wie meinen Augapfel. Von manchen Lieblingssongs scanne ich hin und wieder mal ein Cover (1080 x 1080 Pixel), um es anschließend mit dem längst digitalisierten Song in iTunes zusammenzuführen. Ganz klar, dass meine liebste Ansicht am Bildschirm die Cover-Flow-Präsentation ist … Jukebox-Fever.
Meine Best-of-Singlekiste-Wiedergabeliste in der iTunes-Cover-Flow-Ansicht
Kevin Keegans »Head Over Heels in Love« hatte ich bisher nicht in meiner Sammlung … lediglich die gleichnamigen, aber komplett andersartigen »Head Over Heels« von Abba und Tears for Fears. Gleichwohl löste auch diese Single ein Räderwerk von Assoziationen in meinem Gehirn aus. Das Cover war mir durchaus vertraut, immerhin hielt sich der Titel 15 Wochen in den deutschen Charts, wo er im Sommer 1979 Platz 10 belegte. Er lief mit Powerplay im Radio, weil er von Chris Norman und Pete Spencer produziert wurde, beide von »Smokie«und damals die Experten für massenkompatible Popmusik. Die nicht enden wollenden Chart-Shows bescherten dem Song eine lange Lebensdauer, zum Beispiel unter den peinlichsten Fußballer-Songs.
Schwiegermutter-Liebling
Wer war eigentlich dieser Kevin Keegan? Er war ein beliebter und einer der besten Fußballspieler Englands in den 70er Jahren. Keegan gewann mit dem FC Liverpool 1973 und 1976 den UEFA-Pokal sowie 1977 den Europapokal der Landesmeister. Danach wechselte er in die deutsche Bundesliga zum Hamburger SV, und auch hierzulande wurde er schnell eine Sympathiebombe. Keegan hatte maßgeblichen Anteil am Aufstieg des Hamburger SV zu einem der beliebtesten Klubs in Deutschland Anfang der 1980er Jahre. 1979 wurde der HSV Deutscher Meister, wobei Keegan 17 Treffer beisteuerte. Nach seiner Spielerkarriere war er auch mal englischer Nationaltrainer, 2008 beendete er seine Fußball-Laufbahn.
Mir ist noch was in Erinnerung, nämlich dass 1979/1980 die ersten neugeborenen Jungs in unserem Dorf Kevin getauft wurden. Das war die erste Kevin-Welle in Deutschland, wo der Name bisher keine Rolle spielte. Die zweite Kevin-Welle startete Ende der 80er. 1991 dann wurde Kevin mit einem Satz zum beliebtesten deutschen Vornamen, was sowohl auf den erfolgreichen Film »Kevin – Allein zu Haus« als auch auf den Karrierestart von Kevin Costner zurückzuführen ist. In den darauffolgenden Jahren bis etwa 2004 blieb der Name meist unter den 30 populärsten.
Kevin und Chantal sind heute auch schon über 20
Zur Beschreibung der plötzlichen Popularität männlicher Vornamen führten deutsche Soziologen und Psychologen im Februar 2007 den Begriff Kevinismus ein; die weibliche Form dieses Phänomens tauften sie Chantalismus. Beide beschreiben »die krankhafte Unfähigkeit, menschlichem Nachwuchs sozialverträgliche Namen zu geben.« Die renommierte Namensforscherin Gabriele Rodriguez hat dazu festgestellt, dass bildungsferne Schichten sich bei der Namensfindung sehr stark an den Medien orientieren würden und daher häufiger zu Namen wie Kevin oder Justin griffen. In gebildeten Kreisen hörten die Kleinen heute eher auf Alexander oder Konstantin. Der Bestsellerautor Jan Weiler meint übrigens, den Gegentrend zum Kevinismus ausgemacht zu haben, den er Emilismus nennt. »Da werden Kinder mit Namen beehrt, die vor rund 90 Jahren schwer in Mode waren: Anton, Paul, Emil, Carl und Friedrich.« Gerhard Müller von der Gesellschaft für deutsche Sprache hält die These von den bevorzugten Unterschichtnamen für »großen Quatsch«.
Egal ob richtig oder falsch: Es gibt Vorurteile. Dies bestätigte jüngst eine an der Universität Oldenburg verfasste Masterabeit, der zufolge bestimmte Schüler-Vornamen Vorurteile auf Lehrerseite auslösten. Der Name Kevin lege den Lehrern nahe, dass der Schüler verhaltensauffälliger sowie leistungsschwächer sei und eher aus der Unterschicht komme. Ob solche Schüler auch schlechter behandelt werden, ließ sich bisher nicht schlüssig belegen.
Danke für die Single!
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* Hipstery ist der megastarke Berliner Geschenke-Shop, der aus Vorurteilen prima Spiele und Sachen herstellt. Zum Beispiel ein Hipster-Kit, Denglish-Beutel und -T-Shirts, oder das unterhaltsame Berlin-Bingo, ein durchgeknallter Reiseführer.
TV-Sender sortieren, aber wie?
Es gibt Menschen, denen die Reihenfolge der TV-Stationen auf ihrer Fernbedienung komplett egal ist: Sie speichern die Programme so ab, wie sie vom Receiver gefunden werden. Ich gehöre zu der anderen Gruppe, die versucht, dem Sender-Chaos irgendwie eine Ordnung zu geben. Dieses Verhalten könnte angeboren sein, oder eine Sucht … die praktische Komponente am Sortieren ist Bequemlichkeit: Ich will einfach die mir wichtigen Programm auf den 10 Nummerntasten der Fernbedienung ansteuern können. Der unwichtige Kram, den ich nie ansehe, soll ganz hinten hin.
Nach welchen Kriterien sortiere ich nun? Es ist eine Mischung aus Popularität, Neugier und inhaltlichen Kriterien. Einige Sender stehen aus mnemotechnischen Gründen da, wo sie hingehören, zum Beispiel ProSieben. Aber nicht: Das Vierte.
Die nachfolgende persönliche Sortierung bezieht sich auf die in Berlin über TVB-T empfangbaren Sender.
Platz 1 bis 3 müssen bei Sortierfanatikern in meinem Alter, die zu einer Zeit TV gesehen haben, als es nur einen einzigen Kanal gab, historisch sortiert sein:
1. ARD (1950)
2. ZDF (1963)
3. RBB Berlin (1964)
Anschließend gilt es, eine Ordnung in die privaten Sender zu bringen. Bei mir ist es eine Mischung aus Bedeutung (Marktanteil) und Merkbarkeit. Seit einigen Jahren sortiere ich so:
4. RTL
5. Sat.1
6. Vox
7. ProSieben
Arte hat sich bei mir – trotz anderer Prophezeiung (siehe: Warum die arte-Werbung ein Rohrkrepierer ist) – auf Platz 8 eingebrannt:
8. arte
Bevor ich den ARD-Regionalprogrammen einen ganzen Block widme, folgen einige öffentlich-rechtliche Qualitätssender, für die ich seit Jahrzehnten ehrlich meine GEZ-Gebühren zahle:
9. 3sat
10. extra
11. KiKa/ZDF_neo
Dann die Regionalprogramme, sortiert von Nord nach Süd
12. NDR
13. RBB Brandenburg
14. WDR
15. HR
16. mdr
17. SWR
18. BR
Nun die Nachrichtensender:
19. ZDF.info
20. n-tv
21. phoenix
22. Eurosport
23. tv.berlin
24. Euronews/Channel21
25. N24
Dann die »billigen« Privaten:
26. Kabel Eins
27. Super RTL
28. RTL II
29. Tele 5
30. Sixx
31. Music 1
32. Servus TV
33. Anixe
34. Spreekanal/Juwelo
35. Das Vierte
36. bibel.tv
Ganz am Ende die Shopping-Kanäle:
37. QVC
38. HSE24
Wie sortiert ihr?
Yello kann’s doch noch …
… gut kommunizieren, meine ich. Vor zwei Tagen zweifelte ich an der gelben Markenkultur (Kulturwende bei Yello Strom?), gesten dann die leicht verständliche Lösung, per Mail, gesendet von Sonja Wester (vom Yello Bloghaus), die meinen Beitrag bereits kommentiert hatte. Nachfolgend die Erläuterungen im Wortlaut … das sollte genauso öffentlich sein wie mein Lamento. Und noch was Gutes: Habe eben meinen Privatvertrag auf Ökostrom von Yello umgestellt (siehe Abbildung unten; FontShop läuft schon seit 2005 auf regenerativer Energie).
»Erst mal zu unseren neuen AGB.
Viel hat sich dabei eigentlich nicht geändert. Neben ein paar Formulierungen und Formatierungen (z.B. statt € 2,50 schreiben wir jetzt 2,50 €) ohne inhaltliche Auswirkungen haben wir vor allem diese Punkte angepasst:
Punkt 7: Preisänderungen.
Ändert sich Ihr Preis, erhalten Sie mindestens 6 Wochen vorher eine E-Mail mit den Details von uns. Bisher waren es 8 Wochen vorher. Hier haben wir uns an der aktuellen Gesetzeslage für den Strommarkt orientiert.
Punkt 15: Bonitätsprüfung.
Wir arbeiten jetzt mit der Firma Infoscore Consumer Data GmbH zusammen. Außerdem haben wir den Abschnitt etwas leichter verständlich formuliert.
Punkt 18: Rechte beim Umzug.
Ziehen Sie um, können Sie Ihren Vertrag einen Monat zum Ende des Kalendermonats kündigen. Vorher galten 4 Wochen zum Auszugsdatum.
Jetzt zu unserem Ökostrom Angebot:
Wie schon im Blog angekündigt kostet unser Ökostrom 0,3 Cent mehr pro Kilowattstunde. Wären bei Ihnen also statt 21,48 Cent mit Ökostrom 21,78 Cent. Der Grundpreis bleibt gleich.
Die Umstellung können Sie in Ihrem Mein Yello Bereich – den Sie ja auch schon kennen- unter „Daten ändern“ erledigen. Wenn Sie sich beeilen, klappt’s sogar noch mit dem 1. März.
Wenn Sie noch Fragen haben, schreiben Sie mir einfach eine E-Mail.«
Vielen Dank für die schnelle Aufklärung.
Kulturwende bei Yello Strom?
Nicht von ungefähr habe ich die Kommunikation von Yello Strom, auch hier im Fontblog, schon mehrfach gelobt. Es fing alles mit der wunderbar übersichtlichen Rechnung an, die ich im März 2006 erstmals erhielt (sie erscheint noch heute in derselben Aufmachung): Rechnungsdesign – ein Riesenlob für Yello. Im März 2007 wies ich auf das Yello-Marken-Buch von Bernd Kreutz hin, das dieser noch mal als PDF und kostenlos zum Download anbot. Zuletzt würdigte ich im November 2009 den einst von FontShop modifizierten Corporate Font von Yello, die FF DIN – Grund zur FFreude im Büro … Im Privatkreis schwärme ich eimal im Jahr vom bequemen Ablesen und Übermitteln des Stromzählerstands auf www.mein-yello.de, mit sofortiger Berechnung meines Jahresverbrauchs und der papierlosen Übermittlung des neuen Abschlags.
Heute kam Post von Yello und ich frage mich, ob im Kölner Hauptquartier eine Kulturbankrott stattgefunden hat. In übelstem PR-Sprech will man mir neue AGBs unter den Hintern schieben, was mit blumigster Prosa verklausuliert wird: »Als Yello Kunde sind Sie es gewohnt, dass wir Klartext reden. Ob am Telefon, per E-Mail oder auch per Brief – einfache und faire Kommunikation mit unseren Kunden steht für uns an erster Stelle.« Ziemlich hohl, aber rein inhaltlich kann ich dem nicht widersprechen. »Das gilt auch fürs Kleingedruckte.« Nun regt sich erste Skepsis in mir: Kleingedrucktes ist selten einfach und fair.
»Wir machen’s kurz.« heißt es dann … ich werfe einen Blick auf das zweite Blatt des Briefes, dann wieder auf den ersten Bogen, dann wieder auf den zweiten (zweiseitig bedruckt), wieder zurück auf den ersten und denke mir: ›Wenn die mir jetzt den Inhalt von Blatt zwei bzw. die Unterschiede in den beiden Spalten auf Blatt zwei mit den verbleibenden drei Sätzen zusammenfassen, dann gebührt ihnen eine Goldmedaille für Kommunikation. Ich lese weiter: »Unsere Allgemeinen Geschäftsbedingungen – kurz AGB – sind jetzt noch übersichtlicher und leichter verständlich.« Soll das ein Witz sein? Seite zwei ist in einer drei Punkt großen Schrift zweispaltig, vorne und hinten, komplett vollgedruckt – ohne Lupe nicht lesbar? Was soll der Quatsch? Ob die AGB »leichter verständlich« sind, kann ich gar nicht nachprüfen, ohne Lupe.
Drum heißt es jetzt wahrscheinlich auch: »Für Sie werden diese neuen AGB übrigens ganz automatisch gültig – lehnen Sie sich entspannt zurück. Nur wenn Sie mit der Änderung der AGB nicht einverstanden sind, geben Sie uns bitte bis zum 12. März per Brief oder E-Mail Bescheid.« Hallo?! Darf ich das mal übersetzen? Eigentlich wolltet Ihr doch schreiben: Wir finden es lästig, dass wir rechtlich gezwungen sind, Millionen Kunden mit einem solchen Brief über unsere geänderten Geschäftsbedingungen zu informieren. Viel lieber wäre uns, wir könnten das »automatisch« hinter deren Rücken tun und ein paar Millionen Euro Papier-, Druck- und Portokosten sparen sowie jeglichen Widerspruch im Kein ersticken.
»Haben Sie noch Fragen?« heißt es weiter. Ich denke mir: ›Fragen habe ich keine‹ …, aber ich wünsche mir, das Unternehmen per Gesetzt dazu gezwungen werden, die Änderungen Ihrer Geschäftsbedingungen mit einem Highlighter zu markieren und mir den Grund dieser Änderungen seitenweise und verständlich zu kommentieren. »Dann rufen Sie uns einfach kostenlos unter 0800 – 99999978 an oder schreiben Sie eine E-Mail an immerda@yellostrom.de … wie sind gerne für Sie da. Viele Grüße …« und so weiter.
Das werde ich tun. Der E-Mail füge ich eine PDF dieses Blog-Beitrags bei und den Satz »Ich bin mit der Änderung der AGB nicht einverstanden!« Mal sehen, was passiert. Fortsetzung folgt.
Drei ganz persönliche Geschenktipps
»Schanze, 1980« vom Thomas Henning, 96 Seiten, Junius Verlag
Er war der erste Kreativprofi, dem ich begegnete, als ich 1986 nach Hamburg kam um PAGE zu gründen: der Fotograf und Designer Thomas Henning. Er arbeitete damals für das Schwestermagazin MACup, und ich wurde Zeuge, wie er dort binnen sechs Wochen ein Redesign einführte. Mit Ansagen wie »Du schaffst das schon …« oder »… vorher gehen verlassen wir nicht das Büro.« trieb er unsere Kollegen zu Höchstleistungen an. Er gab nicht eher Ruhe, bis die simplen Programme Freehand 1.0 und PageMaker 1.5 Ergebnisse ausspuckten, die seinen professionellem Anspruch stand hielten.
Und so habe ich mich riesig gefreut, nach über zwei Jahrzehnten wieder mal Arbeiten von Thomas Henning zu sehen, noch dazu aus den 80er Jahren. Sein neues Buch »Schanze, 1980« (19,90 €, Amazon-Link) widmet sich einem Hamburger Stadtteil, der von Fans bis heute abgöttisch geliebt wird. Um 1980 war das Viertel um das Schulterblatt und vor der Sternschanze eine unwirtliche Nachbarschaft. Zwar sorgte das Gewürzwerk Hermann Laue in der Schanzenstraße für gut aromatisierte Luft, doch konnte der Geruch nach gemahlenem Zimt und Nelken den Gestank, der im Sommer vom Schlachthof herüberwehte, nicht überdecken. Draußen zu sitzen war wegen der Geruchsbelästigung und der fehlenden Sitzgelegenheiten nicht üblich.
Es gab auch nicht viel zu gucken im Schanzenviertel, denn noch hatte es die »kreative Szene« nicht erobert. Tagsüber bevölkerten einkaufende Frauen und alte Menschen mit zerfurchten Gesichtern die Straßen. Auf planierten Trümmergrundstücken spielten Kinder vieler Hautfarben. Eine wichtige Funktion erfüllte spät abends der Automatenladen im Abbruchhaus: Er hatte als einziges Geschäft im Viertel nach 19:00 Uhr geöffnet. Thomas Henning hat diese Stimmung mit wunderbaren sozialdokumentarischen Farbbildern festgehalten. Ein Zeitdokument, ohne jede kunstfotografische Prätention, inspiriert von den Protagonisten der amerikanischen New Color Fotography der 1970er Jahre.
»Eat!«, Food-Design-Kalender von Henning Otto und Elisabeth Plass, 124 Seiten, NBVD Verlag
Dieser liebevoll gestaltete Ringbuchkalender zeigt Design und Kunst mit Essbarem. 54 Designer, Künstler und Architekten zeigen visuelle Strömungen und besondere gestalterische Lösungen aus dem Umfeld von Essen, Trinken und Ernährung; in leckeren Appetit-Happen über das ganze Jahr 2012 verteilt. Weil Essen ein Kulturgut ist, liegt der Zubereitung, Inszenierung und Vermarktung von Nahrungsmitteln ein großes ästhetisches Interesse zugrunde. Grund genug dieses Thema im aufwändig produzierten Designkalender »Eat!« in den Mittelpunkt zu stellen.
Die versammelten Arbeiten informieren über Zeitgenössisches aus der Szene und liefern zugleich Inspiration und Anregungen. Kulinarische Kunstinstallationen und -Happenings, interessante Produkte, konzeptionelle Food-Fotografie, Brand- und Grafik-Design rund um das Thema Esskultur. Ein wesentliches Kriterium für die Auswahl der Projekte war, dass sie den Pfad des guten, künstlerischen Geschmacks nicht verlassen; denn mit Essen spielt man nicht.
Der Kalender ist unter anderem direkt beim Verlag, über Amazon sowie im gut sortierten Buchhandel für 17 EUR erhältlich.
»Deutschland – lerne zeichnend Bundesländer…«, Graffiti-Ausmalbuch, 48 Seiten
Besonders interessant für Kleinstädter: Wem die Betonmauern in der Umgebung zu karg sind, könnte dieses preiswerte Buch (6,95 €) dem Jugendzentrum oder Nachbarkindern spenden. Das Graffiti-Ausmalbuch fördert nicht nur das Farbgefühl sondern vermittelt zugleich geografisches Wissen, nämlich die Namen der deutschen Bundesländer und ihrer Hauptstädte – spielerisch. Im Klappentext heißt es: »Graffiti fördert im frühen Alter Kreativität, Farbenlehre und das Lernen von Buchstaben und Typografie! Das Graffiti Ausmalbuch Deutschland soll zum einen dazu beitragen, das einseitige negative Vorurteil gegenüber Graffiti zu relativieren, und gleichzeitig eine etwas coolere Lernhilfe darstellen. Das Malbuch enthält eine Auswahl von Illustrationen der deutschen Bundesländer und Landeshauptstädte von 28 heimischen Graffiti-Künstlern, die in jungen Jahren begonnen haben und mittlerweile ihren Lebensunterhalt in der Kreativ-Industrie bestreiten.« Dieses Buch gibt es sogar auf www.fontblog.de, gemeinsam mit dem Schwestertitel »Graffiti Ausmalbuch: Malen wie die Profis«.