bukowskigutentag 6/13: Welt verändern
Der Versuch, die Welt zu verändern, hat sich bekanntlich als ziemlich zähe Angelegenheit erwiesen. Kann man das überhaupt? Und wenn ja wer und dann womöglich noch zum Guten? Ich möchte dazu ein Gedankenspiel wagen, beginnend mit dieser These:
Alle Verbraucher zusammen wären die mächtigste Organisation der Welt. Alle Verbraucher einzeln sind das ohnmächtigste Stimmvieh der Welt.
Man stelle sich dazu vor, es gäbe einen Verbraucherverband, dem Millionen Leute in Deutschland angehören. Dieser Verband definiert einen Konsum-Kodex. Auf die schwarze Liste kommen zum Beispiel Unternehmen, die in Deutschland satte Gewinne erwirtschaften, aber keine Steuern zahlen. Oder Produkte aus unfairer, umweltschädigender oder sonstwie dem Gemeinwohl abträglicher Herstellung. Oder Konzerne, die ihren Vorständen obszön hohe Gehälter zahlen. Oder Firmen, die systematisch Kinder zu Zuckerjunkies erziehen. Oder Monopole, die ihre Marktmacht missbrauchen. Und so weiter und so weiter.
Die Mitglieder des Verbands verpflichten sich, ihr Konsumverhalten nach den Vorgaben des Verbandes zu gestalten. Würde ein Faktencheck also ein Unternehmen als eindeutig sittenwidrig ausweisen, hätte dies einen Boykott von Millionen Käufern zu Folge. Die organisierten Verbraucher könnten dadurch ein unfaires Unternehmen von einem Tag auf den anderen ruinieren oder mindestens schwer schädigen. Alle Räder stehen still, wenn der Verbraucher euren Scheiß nicht mehr will, hieß es dann.
Mit anderen Worten, um zur eingangs gestellten Frage zurückzukommen: Die Antwort lautet: Ja. Organisierte Verbraucher könnten die Welt nicht nur ändern, sondern im gewünschten Sinne und mit sofortiger Wirkung. Kein Unternehmen könnte sich mehr den heute üblichen Schweinkram leisten. Keinem Lobbyisten würde es noch etwas nützen, Politiker zu beeinflussen. Keine Werbekampagne könnte mehr unlautere Machenschaften kaschieren und so weiter. Keine politische Partei und nicht einmal eine Regierung wäre so handlungsfähig und einflussreich.
Der Verband könnte außerdem Alternativen aufzeigen, falls der Boykott bestimmter Unternehmen schwer fällt; insbesondere bei Monopolen. Vielleicht müssten die Mitglieder sogar einen Beitrag bezahlen, um die Verbandsarbeit zu finanzieren. Aber das wär’s wert. Und das alte Problem, dass man alleine sowieso nichts ausrichten kann, wäre gelöst, wenn man weiß, dass man sich auf eine Masse an Gleichgesinnten verlassen kann.
Eigenartig. Das klingt ganz einfach eigentlich, oder? Das Gegenteil davon ist leider Realität. Dazu mal ein Tweet:
Bei Arschloch-Firmen kaufen und sich danach über den Zustand der Welt aufregen … Läuft.
— Michael Bukowski (@mbukowski) 30. April 2013
Ich halte es übrigens für sehr wahrscheinlich, dass ich nicht der erste bin, der auf diese Idee gekommen ist. Vielleicht sind dazu auch schon ganze Bücher geschrieben worden. Wenn jemand davon weiß, freue ich mich über einen Hinweis. Ich würde mich gerne tiefer mit diesem Thema beschäftigen.
Abschließend noch die Frage, ob dieses Vorhaben realisierbar wäre. Keine Ahnung. Vielleicht könnte man ja in kleinerem Maßstab regional anfangen. Angenommen, es gründen sich Ortsgruppen, die sich dann nach Bedarf gegenüber einzelnen Unternehmen zusammenschließen würden. Das wäre dann vielleicht ein Ausrufezeichen, das im Idealfall eine größere Lawine in Gang setzen würde.
P.S.: Autoren, die diesen Beitrag geschrieben haben, haben auch diese Beiträge geschrieben.
11 Kommentare
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Neuropol
Dann lass uns mit dem Konsum Kodex gleich bei Apple anfangen und auch auf Facebook, Google und Amazon verzichten. Diese Liste ließe sich wahrscheinlich sehr schnell auf mehrere A4 Seiten erweitern. Wer macht mit?
moritz
Mir gefällt die Idee.
‚Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.‘
@ Neuropol
Auf diese von Ihnen genannten Firmen kann man tatsächlich verzichten.
Es geht.
Um Ihrem (vermutlich) Alles-oder-nichts-Ansatz etwas die Luft raus zu nehmen:
Am Anfang müsste man leider Kompromisse machen. Wenn das nur ein Teil der Leute machte mit einem Teil der Vorgaben, wäre das schon ein Gewinn. Und kein Grund, nach dem Motto „Alles oder nichts“ solche Vorhaben sofort in die Mülltonne zu stopfen.
Ich arbeite zum Beispiel auf einem Computer, der immerhin „fair“ zusammengebaut wurde. Mir (und dieser Firma) ist bewusst, dass die meisten Bauteile nach wie vor aus Asien importiert sind – man sagte mir, es geht derzeit nicht anders. Hätte ich hergehen sollen und sagen, dann passt es halt 100% nicht, und gleich wieder komplett in 100%-Ausbeuterbetrieben einkaufen?
Neuropol
Hallo Moritz, der Argumentation liegt die Annahme zu Grunde, dass der Mensch, der sich „Konsument“ schimpfen lässt, durch seine sogenannten Konsumgewohnheiten selber darüber entscheiden könnte, welche Unternehmenspolitik fair und welche unfair ist. Es liegt jedoch nicht in der Hand des „Verbrauchers“, das ist eine Schein-Argumentation, es liegt an den Rahmenbedingungen unseres globalisierten Wirtschaftssystems, das unsoziale Geschäftspraktiken überhaupt erst ermöglicht. Wäre es nicht tausendmal effektiver, gerechte Gesetze zu erlassen, als ein Heer von sogenannten „Verbrauchern“ darüber entscheiden zu lassen, wer wieviel Steuern bezahlt? Wer Globalisierung will, der muss eben auch dafür sorgen, dass Gewinne im Land versteuert werden. Ich versteuere meine Honorare ja auch nicht in Irland oder auf den Bahamas.
moritz
Effektiver wäre es sicherlich.
Die Rahmenbedingungen wurden jedoch nicht erst seit der Schröder-Regierung von der Politik bewusst kräftig aufgeweicht.
Von diversen Journalisten in den Medien ist eine Umkehr mehr oder weniger dringlich bereits thematisiert worden. Habe ich jedoch nicht den Eindruck, dass irgendetwas davon nachhaltig in der Regierung angekommen ist.
Bis dahin ist eine solche Verbrauchergewerkschaft eine charmante Idee. Für jeden, der nicht auf den St. Nimmerleinstag warten will .
Doska
Jede Weltveränderung /Gesinnungsänderung durch menschl. Ideologien sind bisher meist blutig gescheitert. Es ist das menschl. Herz (Motivation) das anfangen müßte, liebend zu denken um die Welt wirklich zu verbessern, lebensfreundlicher zu machen und das schafft nur einer: JESUS Christus. ER ist der wahre Retter der Menschen. Er liebt uns so und respektiert unseren freien Willen, deswegen gelingt eine Denkveränderung nur durch ein JA für IHN. Es findet in der Welt ein Kampf im Geistigen statt… Epheser 6,12
Jürgen
@Neuropol: Dass sehe ich ganz ähnlich: Das Vorhaben, potentiell ALLE Unternehmen dieser Welt auf ihre Produktions-, Arbeits- und Steuerrechtlichen Bedingungen zu analysieren, und diese Informationen im Anschluss zu verarbeiten und mit der enstprechenden Reaktion (Kaufen oder Nicht-Kaufen) zu entgegnen, muss letztendlich scheitern. Die Informationsmenge wäre viel zu komplex und zu groß um die lästige Begleiterscheinung des Lebens, den Konsum, damit zu belasten.
Freilich würden entsprechende Strömungen ein Bewusstsein schaffen und vielleicht auch Veränderungen in der Unternehmenspolitik bewirken – all das könnte und sollte aber weit aus wirksamer und zielführender vom Gesetzgeber geregelt werden.
Immerhin ist der der Status Quo aber ein Fingerzeig, dass die westlichen Staaten in bestimmten Bereichen deutlich unzureichend aktiv sind (Arbeitsschutz, Steuerrecht, Gewährleistung, etc). Aber welche Partei setzt Belange des „Verbrauchers“ (ob nun hier oder in Bangladesch) auf Ihre Agenda?
Daniel
Vielleicht ist es der bessere und realistischere Weg, Firmen, Konzerne und Produkte zu unterstützen, die gewisse Dinge von sich aus richtig machen (also belohnen anstatt zu bestrafen). Dabei helfen, diese zu finden, kann z. B. http://www.utopia.de/
Letztendlich kann nur Aufklärung dazu beitragen, das Konsumenten bewusst richtige Kaufentscheidungen treffen.
Neuropol
@Daniel
Ja genau, lieber unterstützen als immer nur Negieren. Das ewige Negieren von Dingen, bringt uns nicht wirklich weiter. Seit Jahr und Tag wird von Leuten mit Regierungsauftrag in die Mikrofone gebrüllt, dass wir den Kampf gegen dieses und jenes führen müssen? Ist das wirklich sinnvoll, unentwegt gegen irgendetwas zu kämpfen? Oder gegen irgendetwas zu sein? Sollten wir nicht besser damit beginnen, Dinge zu befürworten und für sie einzutreten?
Stephan
Das Scheitern liegt in der Sache selbst. Ein solcher Verband wäre eine Interessensvertretung. Doch wessen Interessen sind es, die er vertritt? Wer stellt die Grundregeln auf? Mit welchem Maß will man messen, was der Gesellschaft zuträglich ist und was gegen die guten Sitten verstößt? Wessen Sitten eigentlich?
Es ist einfach von der Warte einer Gesellschaft im Wohlstand aus, auf die Missstände der anderen zu zeigen. Wir können nicht die Welt verändern ohne dass die Welt uns verändert oder wir verändernd in andere Gesellschaften eingreifen. Dies ist aber notwendig, will der Verband nicht nur in Deutschland seine Wirkung entfalten und vermutlich verpuffen lassen. Die Veränderung ganzer Gesellschaften zum Wohle der Welt, so wie wir uns eine bessere Welt vorstellen, wird Folgen haben deren Tragweite wir nicht im geringsten einschätzen könnten.
Für diesen Wandel der Welt ist kein Verband notwendig sondern eine Bewegung. Eine äußere Bewegung, die uns aufscheucht aus unserem von äußeren Widrigkeiten abgeschirmten Wohlstand und eine innere Bewegung, die uns motiviert den unbequemen Weg zu gehen.
Der Mensch lebt nicht isoliert auf dieser planetaren Kartoffel. Er ist eingebunden in ein mehrschichtiges Geflecht aus Interessen, Emotionen, Neigungen, Meinungen, Gesetzmäßigkeiten, Gruppen, Organisationen und der Gesellschaft. Wenn er an einem Ende zappelt, hat dies an anderer Stelle Auswirkungen. Doch in allem gilt das Gesetz der Sparsamkeit. Wenn es nicht sein muss, zappelt der Mensch nicht. Deshalb kaufen wir auch bei Arschloch-Firmen. Wenn es keinen Druck gibt, bewegt sich auch nichts in der Welt. Da bildet der Mensch keine Ausnahme. Aufklärung kann ein Mittel sein, um Druck aufzubauen, positive Verstärkung ein anderes.
Thomas Eckert
@Stephan
Vollkommen richtig! Wo setzt man an und wer entscheidet was richtig und falsch ist!?!
Justus
@Daniel
Du sprichst mir von der Seele! Danke !!!