bukowskigutentag 4/13: Alter Schwabe!

Liebes Texter-Tagebuch, weißt du noch damals, vor ein paar Jahren? Da hatte ich meinen härtesten Job. Der fing ganz harmlos an. An einem Donnerstag im Sommer stieg ich in die Bahn und fuhr nach Stuttgart. Von dort ging es mit einem Regionalzug weiter in eine Kleinstadt im Ländle, wo mich jemand vom Bahnhof abholte und mich zum Auftraggeber kutschierte: ein schwä­bi­scher Mittelständler und ordnungs­gemäß Weltmarktführer in seinem Segment.

Vor dem Firmengebäude begrüßten mich die Chefs, mit vorerst etwas skep­ti­schen Blicken, was das da denn für eine Type aus Berlin sei und was man über­haupt von jemandem halten sollte, der Texte für Firmen schreibt. Dann wurde der Grill ange­worfen und mit Bier angestoßen.

Ein paar Stunden später waren zwei Kästen Bier und zwei 1,5-Liter-Flaschen Vodka leer und ich voll. Und zwar so voll wie noch nie in meinem Leben. Ein Kurzer nach dem anderen ging über den Tisch und ich wußte nicht, wie ich mich dem entziehen sollte. Wie der Abend und die Nacht weiter verliefen, weiß ich nur noch in groben Erinnerungen. Irgendwann saßen wir irgendwo anders und tranken da weiter. Später saßen wir in einem Taxi und standen plötz­lich in Stuttgart vor einem Club oder so, in den wir dann zum Glück nicht gegangen sind.

Am frühen Morgen, so gegen fünf Uhr schätze ich, landete ich sturz­be­trunken auf welchen Wegen auch immer in meinem Hotelzimmer, wo ich am nächsten Tag gegen halb zwölf Uhr mittags wach und dachte »Ach du Scheiße!«. Einmal abge­sehen von meinem Zustand, war da nicht für morgens ein Briefing-Termin vorge­sehen gewesen? Ja.

Eine Stunde später hatte ich mich verlaufen. Eigentlich, meinte ich mich zu erin­nern, lag die Firma doch nicht weit vom Hotel entfernt. Aber ich befand mich plötz­lich auf einem Feldweg irgendwo in der Pampa. Es war mir etwas pein­lich, den Mitarbeiter anzu­rufen mit der Bitte, mich abzu­holen von da, wo ich gerade auch nicht weiß, wo ich bin. Das klappte aber und eine weitere halbe Stunde später saß ich im Konferenzraum beim Mittelständler, wo man inzwi­schen beim zweiten Frühstück war. Die Chefs und Mitarbeiter begrüßten mich mit bester Laune, von einem Kater bei keinem eine Spur. Die Leute waren schon wieder seit morgens im Einsatz. Einer aus unserem Alkohol-Exzess-Team von gestern war sogar seit halb acht Uhr morgens schon wieder fleißig am Schaffe.

Mit mir war aller­dings nicht so viel anzu­fangen. Zum Glück machte mir niemand einen Vorwurf, nicht am frühen Morgen zum Briefing-Termin erschienen zu sein. Man amüsierte sich nur etwas über mich. Warum man nicht verär­gert war über mein Fehlen, stellte sich dann bei Kaffee und belegten Brötchen schnell heraus: Es gab eigent­lich kein Briefing. Niemand konnte mir erklären, was denn im Detail in der zu textenden Unternehmensbroschüre stehen sollte. Das fand ich gut. Hätte eh kaum zuhören, geschweige denn etwas verstehen oder aufnehmen können. Im Nachhinein könnte man fragen, wozu ich über­haupt aus Berlin ange­reist war, außer um abge­füllt zu werden, aber lassen wir diese klein­tei­lige Frage mal beiseite.

Nach dem Frühstück am Mittag fuhr mich der Mitarbeiter wieder zum Bahnhof und ich mit dem Zug zu meinen Eltern aufs Land. Dort erholte ich mich von Freitag bis Sonntag von meinem Kater. Am Montag schrieb ich die Broschüren-Texte, die dann fast ohne Änderungen durch­ge­wunken wurden, und schrieb meine Rechnung, die pünkt­lich bezahlt wurde.

Heute, mit ein paar Jahren Abstand kann ich nur sagen: Alter Schwabe! Was war das denn? Also, zuge­geben: Maschinenbau könnt Ihr besser als ich. Saufen auch. Moment mal, sehe ich da etwa einen Zusammenhang? Na ja, tatsäch­lich erin­nere ich mich an einige rein Kaffee basierte Jobs, die deut­lich zähflüs­siger verliefen.

Michael Bukowski

P.S.: Autoren, die diesen Beitrag geschrieben haben, haben auch diese Beiträge geschrieben.


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