Branchenschriften (3)
Es gibt Berufszweige, die gerne auf die immer gleiche Schrift zurückgreifen: siehe Branchenschriften und Branchenschriften (2). Zur Lieblingsschrift der Print- und Copyshops hat sich die Comic Sans gemausert, wahrscheinlich, weil sie billiger als eine A4-Kopie ist, nämlich kostenlos. Durchaus passend für die Berufsgruppe Gas-Wasser-Sanitär ist die Bauhaus, deren Buchstaben wie Siphons und Leitungsrohre gebogen sind. Der Klassiker im Antiquitätenmarkt ist die Jugenstilschrift Arnold Boecklin. Dem Fontblog-Leser passant verdanken wir den Hinweis auf die Schrift Bertram für das Bowlingcenter am Rande der Stadt, aber auch Spielzeugläden. Opernhäuser schmücken sich, wahrscheinlich wegen des Schriftnamen, zunehmend mit FF Scala. Wer kennt weitere Branchen, denen es an typografischer Imagination mangelt? Bitte Kommentar mit Bild …
26 Kommentare
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Peter
Bäckereien aller Art (und inzwischen auch immer mehr Gärtnereien) scheinen die Cooper Black zu lieben, ich hab aber im Moment leider kein Bild zur Hand.
Michael Müller-Hillebrand
Ich muss erwähnen, dass Comic Sans auch auf unzähligen Arbeitsblättern von Lehrern zu finden ist. Möglicherweise soll dies eine Tafelanschrift imitieren… Was mich stante pede zur Unsitte einer separaten Druckschrift in den Vorgaben für Grundschüler bringt, anstatt diesen echte Buchschriften anzubieten, aber das ist ein anderes Thema.
Max
@Peter: zB bei billyback http://www.sbbackshop.de/Bilder/Billy-Back.jpg
nc
Schwedische Möbelverkäufer sollen die verdana lieben. hab ich gehört ;)
passant
„Bank Gothic“ hat sich mittlerweile zum Gradmesser zwischen ernstzunehmenden Architekturwettbewerbsbeiträgen und unausgegorenen Schnellschüssen entwickelt. Erleichtert den ersten Rundgang.
Letztere beschriften ihre Präsentationen und Beiträge gerne mit „Bank Gothic“.
(Normalerweise gibt sich das zwanghafte Pläne-in-Bank-Gothic-Beschriften unter Architekturstudenten ab erreichen des Hauptstudiums…)
Christian
AvantGarde ist sehr beliebt bei Produktdesignern :-)
BuchStabe
Slipstream für alle Transporteure.
John Inglehoe
Also Comic Sans für Copyshops halte ich für ein Gerücht. Mag sein, dass es da die eine oder andere Geschmacksverirrung gibt, aber die Mehrheit der Copyshops nimmt eine Fette Serifenlose.
siehe z.B. dieser Copyshop
Da Stefan
Hat die noch keiner aufgeführt? Die Futura light in versal für Frauenzeitschriften und Kosmetik?
Beispiel: Amica
Sebastian
Erst durch Sachen wie Spiekermanns Typomania in den 80ern alle für Schrift sensibilisieren wollen und sich dann wundern, dass nicht alle Laien mitziehen. Ich denke jeder Berufszweig hat diese Nerdwitze wie hier, ich finde, dass die Beispiele weder der Wahrheit entsprechen noch kann ich lachen. Soll der Bäcker etwa Fontshop Kunde werden? Netter Versuch …
christoph
das problem ist weniger eine sache mangelnden interesse an typografie als ein problem des zuviels an interesse. vor 100 jahren hat jeder eine ordentliche schrift auf seine scheibe gemalt bekommen – gerne oben, über dem schaufenster, in gold auf schwarz – und alle läden sahen ungefähr gleich aus. das grafische bild unserer innenstädte hatte damals ein wesentlich höheres niveau. heute ist alles mit diesen logo-versuchen zugemüllt.
HD Schellnack.
>heute ist alles mit diesen logo-versuchen zugemüllt
Motto!
robertmichael
speditionen/reiseunternehmen/verkehrbetriebe
verwenden gerne: antique olive
robertmichael
handwerksberufe wie dachdecker, maler und klempner verwenden natürlich auch gern helvetica (extended) und futura (black condensed). interessant finde ich auch, wie schon in den beispielen angedeutet, die farbgebung. dachdecker = schwarz/rot
gas-wasser-getöns = blau/rot
maler = rot/gelb/blau
robertmichael
bank gothic und copperplate sieht man oft bei steuerberatern.
robertmichael
cloister black und freunde sieht man oft bei tätowierern. Viking und American Uncial (neue hammer unical) für alles was mit mittelalter oder irland zu tun hat (irish pub).
robertmichael
broadway = theater
brush script = (italienische) eisverkäufer
pump triline = sportgeschäfte
stencil = waffen- und militärgeschäfte
ich könnt endlos so weitermachen ;)
robertmichael
genau britta, einfach auswürfeln!
ich glaub ich werde mal ein tool entwerfen, ähnlich einer wählscheibe oder einem glücksrad. da kann man dann an einem rad drehen auf dem diverse branchen stehen und ein zweites rad, welches die ’spaßfonts‘ abbildet, bewegt sich entgegengesetzt. beim stillstand des rades zeigt dieses gleichzeitig die farbkombination für die jeweilige branche mit an.
die ergebnisse könnten so aussehen:
sportgeschäfte = arnold boecklin (rosa/schwarz)
bäcker und back-shop = pump triline (blau/rot)
theater und opernhäuser = comic sans (grün)
bioläden = bauhaus (rot/blau/gelb)
architekten = betram (braun/beige)
ich glaub damit ich werd reich. :-D
passant
zitat von #11:
>[…] vor 100 jahren hat jeder eine ordentliche schrift auf seine scheibe gemalt bekommen – gerne oben, über dem schaufenster, in gold auf schwarz – […]
wichtiger punkt. selbst die schönste schrift kann in klebebbuchstabenglänzendem RAL 3000 auf plastikschild nur verlieren. aber vor 100 jahren war ein laden auch gerne mal 20-30-40 jahre im selben ladenlokal, falls kein weltkrieg dazwischen kam. heute gehört die fassade dem vermieter und der überlässt dem mieter 5 schraubenlöcher für sein ladenschild.
die visuelle vermüllung der städte geht einher mit der erfindung der klebefolie…
dirk uhlenbrock
nicht off sondern near by topic:
ein blick über den französischen gartenzaun mit on aime se promener
christoph
sicher sind klebefolien selten schön aber das ist meines erachtens weniger die ursache für die hässlichkeit und gleichförmigkeit des stadtbildes. ursache ist eher der branding-wahn, der glaube also, die typografie müsse sich überall aufplustern und wichtig machen, weil man als unternehmen halt solche schriftzüge hat.
es gibt ja auch sinnvolle vorschläge zur beschneidung der grafischen vermüllung der städte, zb den, die unternehmen dazu zu zwingen, ihre außenbeschriftung monochrom zu halten. alle läden hätten dann vor ihrem laden schriftzüge in der gleichen farbe, einer, die zum vorherschenden baumaterial passt. solche ideen stoßen immer auf strikte ablehnung, sofort heißt es, dass dadurch die marken und damit die wirtschaft geschwächt würde. ich als corporate designer halte das für quatsch.
Bert
Wellnessverrückte genau wie Esoteriker hierzulande scheinen die Papyrus zu lieben. Anderen geht das immens auf den Keks: http://www.papyruswatch.com/
passant
@ christoph (#22)
in diese richtung ging auch meine überlegung. klebefolien hab ich mal als plakatives beispiel angeführt. schnell zu erstellen, billig, und quasi jeder effekt vom computer lässt sich transportieren. ich kann die ablehnung von gestaltungsvorgaben auch nicht verstehen. an den (wenigen!) orten wo sie durchgesetzt werden (oder durchsetzbar sind) wirkt sofort jeder noch so billige souvenirladen ein wenig edel. gut ausgeführte schriftmalerei auf fassade strahlt wertigkeit aus. wer eine fassade bemalt legt sich auf einen standort fest, für länger. man streicht nicht alle sechs monate ein haus neu. schilder suggerieren da (oft jedenfalls) „mich kann man abschrauben, morgen ist der laden hier schon wieder zu“.
TimN
Was vielleicht noch nicht jedem aufgefallen, aber definitiv ein interessantes Phänomen ist:
Vor allem amerikanische Nachrichten-Sendungen verwenden Bank Gothic im Übermaß, hierzulande ist sie aber auch zu sehen, bei RTL Aktuell. Dabei verbinde mit dieser Schrift weder Seriosität, noch Aktualität, daher frage ich mich, warum gerade diese?
HD Schellnack.
>die unternehmen dazu zu zwingen, ihre außenbeschriftung monochrom
> zu halten
exzellenter Vorschlag. Man mag seinen Beruf lieben wie man will, wenn man als Designer mit VIELEN Logos auf einmal konfrontiert wird – Sponsoren auf einem Plakat oder urbanes Umfeld, ganz egal – kann man nicht umhin, die kumulierte Wirkung unseres Berufes etwas scheiße zu finden. Wobei ein gutes Designer ja eher NICHT der ist, der zum lautesten Wortbildgetöse aufruft, die meisten von uns mögens ja eigentlich eher dezent und fein.
Ich erinnere mich, wie ich einen Kunden zu überzeugen versuchte, seine alte 50s-Neonreklame an der Fassade zu lassen, fuck for Corporate Design, keine neue Lösung ist so schön wie altes Neon. Am Ende war die Neonlösung leider zu teuer. Aber klare Sache: Städte waren unter Abwesenheit von Werbung und Branding-Irrsinn einfach viel viel schöner.
Ich wohne in Essen und wir haben dieses von Henn entworfene neue Einkaufscentrum in der rundherum sterbenden Innenstadt. Über den Entwurf kann man sich bereits an sich streiten – eingebettet ist das nicht gerade – aber den Todesstoß bekommt das Design schlicht dadurch, dass die Betreiber kühn alle Logos der im Zentrum vertreten Läden als Leuchtschilder an die Fassade gepappt haben. Gru-se-lig.
Das Problem ist vielleicht aber nicht automatisch mit zu-viel-Design zu übersetzen, sondern eben mit zu viel SCHLECHTEM Design. 90 % von allen, danke lieber Theo Sturgeon, ist eben Scheiße. Gilt auch hier.
HD Schellnack.
Wobei Straßenwerbung auch cool sein kann, wenn man nur groß genug denkt:
http://www.everywheremag.com/articles/492