Bald Betriebsrat bei Scholz & Friends

Man fragt sich, ob die Firmengründer erst in die Politik abwan­dern müssen, bevor eine Werbeagentur demo­kra­ti­sche Strukturen einführt: Thomas Heilmann wurde am 12. Januar 2012 Senators für Justiz und Verbraucherschutz in Berlin, Sebastian Turner bereitet sich seit einigen Tagen auf die Kandidatur zur Oberbürgermeisterwahl in Stuttgart vor. Beide grün­deten wenige Monate nach der Wende in Dresden mit Olaf Schumann die Werbeagentur Delta-Design, die 1991 in Scholz & Friends aufging.

Wie das Branchenorgan der Kontakter heute berichtet, haben Mitarbeiter der Berliner Agenturgruppe Schiolz & Friends einen Betriebsrat gegründet. Den Anstoß sollen die 20 Entlassungen im vergan­genen Herbst gewesen haben, als sich die Agentur im Zuge einer Neuaufstellung nach der Übernahme durch WPP neu struk­tu­rierte. Zurzeit beschäf­tigt die Scholz & Friends Berlin GmbH rund 350 Mitarbeiter.

Laut W&V verkündet die Geschäftsführung dazu in einem offi­zi­ellen Statement: »Im Jahr 2011 hat es eine Reihe von Veränderungen in der Berliner Agentur gegeben. Offenbar haben sich nicht alle Mitarbeiter glei­cher­maßen in den neuen Strukturen wieder­ge­funden. Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen einer Betriebsversammlung der Wahlvorstand zur Gründung eines Betriebsrats der Scholz & Friends Berlin GmbH gewählt. Die Geschäftsführung respek­tiert die Entscheidung und wird den weiteren Verlauf der Wahl vertrau­ens­voll und konstruktiv begleiten.«

FontShop gratu­liert zu diesem Schritt. Bei uns gibt es seit fast 20 Jahren einen Betriebsrat, was nicht nur die Mitarbeiter schätzen, sondern auch die Geschäftsführung.


8 Kommentare

  1. Lorer

    Sehr gut, hoffent­lich findet das einige Nachahmer!

  2. Markus

    Nach wie vor mehr als ein Unding, dass Betriebsräte in der Branche kein Usus sind. Zumindest die Möglichkeit dazu.
    Habe schon des öfteren gehört, dass Leute ihren Hut nehmen mussten, weil sie in kleiner Runde mal das Wort »Betriebsrat« in den Mund genommen haben … und Chef das gar nicht gut fand.
    Betriebsrat heißt ja nicht »contra Geschäftsführung« (wie es sicher­lich etliche in den Chefetagen denken) — es heißt vor allem »pro Betrieb«. Wenn man ihn/es richtig nutzt.

  3. Christian Büning

    Ein gutes Signal und nicht zu früh:

    Anteil der Arbeitsverträge, die Überstunden erfassen: 22,3 %
    Anteil der Arbeitsverträge, die Mitarbeitergespräche anbieten: 54,0 %
    Anteil der Arbeitsverträge, die betriebl. Rentenversicherung anbieten: 45,3%
    (Quelle: BDG Gehaltsreport 2010)

  4. Simon Wehr

    es heißt vor allem »pro Betrieb«.

    AMEN!
    Ich glaube, das haben in der großen weiten Wirtschaft leider zu viele Manager und scheinbar auch mancher Betriebsrat vergessen. Wie ist eigent­lich bisher die Geschäftsführung mit den 350 Mitarbeitern in einen Dialog getreten?

  5. Lorer

    @Simon: Wahrscheinlich per Rundmail.

  6. Miguel S.

    es heißt vor allem »pro Betrieb«. Wenn man ihn/es richtig nutzt“

    Die Frage die sich hier anschließt ist, was heißt „pro Betrieb“?
    Vor dem Hintergrund das im euro­päi­schen Vergleich in Deutschland die Reallöhne in den letzten 15 Jahren faktisch gesunken sind (alle andere Länder haben Lohnzuwächse gehabt) und es ja nicht gerade wenig Betriebsräte in Deutschland gibt, heißt „pro Betrieb“ offen­sicht­lich struk­tu­rell „gegen Arbeitnehmerinteressen“.Man sollte nicht so tun als ob es keinen Interessenkonflikt zwischen Geschäftsführung und Arbeitnehmern gibt. Aber gerade in der Kreativindustrie ist die Mittelschicht immer gerne Teil von was größerem, vom Betrieb und der Überidentifikation damit eben.
    (Siehe dazu zB.: http://​www​.spiegel​.de/​w​i​r​t​s​c​h​a​f​t​/​s​o​z​i​a​l​e​s​/​0​,​1​5​1​8​,​6​8​7​7​6​0​,​0​0​.​h​tml)

    Jenseits vom „Chefduzen“, „inter­es­santen Projekten“ und gutem Espresso, sind die Arbeitsverhältnisse bekann­ter­maßen in vielen Agenturen nicht beson­ders gut ausgestattet.

    Begrüßenswert ist ist dieses bei S&F dennoch. Die rheto­risch anmu­tende Frage am Anfang des Beitrages kontex­tua­li­siert den Vorgang schon recht gut. Danke dafür.

  7. Mick

    Auch inter­es­sant zu sehen, wie bei S&F und beim Art Directors Club (ADC) mal der Verstand ausge­schaltet bleiben kann …

    „Tofu ist schwules Fleisch“ – Geschmacklose Werbung sorgt nach Jahren für Ärger
    http://​www​.spiegel​.de/​n​e​t​z​w​e​l​t​/​w​e​b​/​0​,​1​5​1​8​,​8​2​2​7​5​5​,​0​0​.​h​tml

    Hoffe mit einem Betriebsrat gibt es ein besseres Mitdenken ;-)

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