Aus der Zeitungsspalte ins Fontmenü: FF Dagny

Dagens Nyheter p 1 Sep. 17th 2009

Der 4. Teil und letzte unserer FontFont-Neuvorstellungen* widmet sich FF Dagny, die ursprüng­lich für die größte Schwedische Morgenzeitung Dagens Nyheter (»Nachrichten des Tages«) entwi­ckelt wurde. Wie sie entstand, warum sie heute anders aussieht und wo es den kosten­losen OpenType-Probierfont FF Dagny Thin gibt … alles in diesem Beitrag.

Seit ihrer Gründung ist die FontFont-Schriftenbibliothek nicht nur darum bemüht, die Schöpfer der Neuveröffentlichungen vorzu­stellen, auch die Designkonzepte vieler FontFonts werden in Broschüren, auf Webseiten und in Büchern erzählt – seit einiger Zeit auch im FontFeed und hier im Fontblog. Seit 2007 gibt es die FontFont-OpenType-Benutzerbroschüre (PDF, 58 S., 720 K) mit einer allge­meinen Einführung in die OpenType-Technik sowie der FontFont-Philosophie zur Unterstützung von OT-Features und Fremdsprachen. Sie gehört genauso zum Lieferumfang wie die Font-spezi­fi­sche Infobroschüre, in der Schriftmuster sowie Design- und tech­ni­sche Informationen zu finden sind (Beispiel: FF-Dagny-Infobroschüre, PDF, 12 S., 220 K). Ganz neu sind die FontFont-Steckbriefe (Abbildung unten), das sind einsei­tige design­be­zo­gene Informationen mit gestal­tetem Schriftmuster. Auch zur FF Dagny gibt es eine solche Karteikarte: FF-Dagny-Steckbrief (PDF, 1 S., 250 K). Weitere Steckbriefe: Am Ende dieses Beitrags*.

ff_dagny_steckbrief

Die Geburtsstunde der FF Dagny geht zurück ins Jahr 2002, als sich Dagens Nyheter dazu entschloss, vom Nordischen Format zum klei­neren Tabloid-Format zu wech­seln. Die libe­rale »DN« wurde 1864 von Rudolf Wall mit der Unterstützung des Verlegers Albert Bonnier gegründet und ist noch heute Eigentum der Medien-Familie Bonnier.

Die Verkleinerung des Layouts, betreut von Bark Design, hatte unmit­tel­bare Folgen für die Redakteure, das Rektorat und die Typografie. Nur zwei Jahre zuvor erlebte DN das letzte Redesign, betreut von dem erfah­renen Mario R. García (García Media) – Besucher der TYPO-Konferenz kennen ihn als char­manten Redner. Bei diesem Projekt lernte García auch den schwe­di­schen Schriftentwerfer Örjan Nordling kennen, Kreativdirektor von Pangea Design in Stockholm, der bereits seit 1996 für Dagens Nyheter arbei­tete. Nachdem sie die Aufgaben für eine neue, robuste Zeitungsschrift defi­niert hatten, schuf Nordling 1999 die DN Bodoni, exklusiv für die Stockholmer Zeitung.

Auch 2002 wurde Pangea in das Redesign für das Tabloid-Format einge­bunden. Die neue kompakte Gestaltung erfor­derte eine robuste, platz­spa­rende Schrift, sicher­lich eine Sansserif – der Anstoß für die Entwicklung der DN Grotesk.

ff-dagny_design_team

Das Pangea-Design-Team mit Örjan Nordling (links) und Göran Söderström (Mitte) prüft mit Fredrik Anderson (Dagens Nyheter) erste Probedrucke von DN Grotesk

Die Verwendung seri­fen­loser Schriften auf den Seiten von Dagens Nyheter hat in den vergan­genen 20 Jahren konti­nu­ier­lich zuge­nommen. Meist war es die Akzidenz Grotesk, zunächst  in Verbindung mit Bauer Bodoni (bis 1996), danach Berthold Bodoni (1997–2000) und später die haus­ei­gene DN Bodoni. Die DN Grotesk, deren Mittellänge mit der von DN Bodoni über­ein­stimmt, wird bis heute für Überschriften, Sublines und Introtexte einge­setzt. Verantwortlich für den Ausbau der Familie waren zwei Designer, nämlich Örjan Nordling und Göran Söderström.

Örjan Nördling, geboren 1958, studierte zunächst an der »Konstfack« in Stockholm, danach an der Schule für Gestaltung Basel (1983–85). Nach der Gründung von Pangea Design spezia­li­sierte er sich auf die Entwicklung von Corporate Schriften. 2004 erhielt er den Berling Preis für seine Berling Nova. Göran Söderström, geboren 1974, ist Schriftentwerfer (Autodidakt) und Font-Entwickler. Seit 2007 arbei­tete er bei Pangea Design. Den größten Teil seiner Freizeit verbringt er mit dem Entwerfen eigener Schriften (zum Beispiel die kuriose Metall-Script Flieger Pro).

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Links: Specimen Book, Printing Types H.W. Caslon & Co., Ltd, London, 1902: Doric No. 6 60 pt, 48 pt, 42 pt, 36 pt, 30 pt; Rechts: Wilhelm Woellmer’s Schriftgießerei, Berlin, 1926: Halbfette Consul 1, klas­si­sche Form No 1788 – No 1799

Die Wurzeln der FF Dagny reichen frei­lich weiter zurück als ins Jahr 2002. Tatsächlich ist sie von Schriftproben aus den 1920er Jahren beein­flusst, unter anderem von den Gießereien Caslon and Son, Wilhelm Woellmer und Proben aus der Dagens-Nyheter-Hausdruckerei. Das Design-Team wollte eine Schrift mit stär­kerem Kontrast, dyna­mi­scheren Konturen und eine großen Mittellänge. Doric Grotesk brachte alle diese Eigenschaften mit sich. Sie kam einst bei der briti­schen Gießerei Stephenson Blake heraus und basierte auf einer frühen Sansserif von William Caslon IV, der 1816 zum ersten mal seri­fen­lose Buchstabenformen zu Schriftfamilien ausbaute. Mit ihren kräf­tigen, fast fetten Versalien, einheit­lich spatio­nierten Gemeinen und der großer Mittellänge ist die Schrift ideal für widrige Druckbedingungen und klein gesetzte Texte, zum Beispiel Kleinanzeigen in Tageszeitungen.

Eine andere Inspirationsquelle war Consul Grotesk der Gießerei Woellmer, die – gemeinsam mit anderen deut­schen Schriften – gerne in schwe­di­schen Verlagen einge­setzt wurde. Die Schrift lieferte einige Ideen für Details, mit der die neue DN-Sansserif eigen­ständig und unver­wech­selbar werden konnte, zum Beispiel das kleine f mit seiner zurück­ge­lehnten Bogen, die charak­te­ris­ti­schen g und b sowie die »kursi­vi­schen« An- und Abstriche bei a, c, e und s.

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Erste Bleistiftzeichnungen der DN Grotesk, später FF Dagny, dienten dazu, die Design-Richtung der Schrift fest­zu­legen. Das f mit dem gekrümmten Rücken ist schon dabei, wie auch der »kursi­vi­sche« Anstrich beim a und das charak­te­ris­ti­sche hoch­ste­hende g.

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Ein erster Probesatz der DN Grotesk mit Anmerkungen und Korrekturvorschlägen

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Ungezählte Verbesserungsvorschläge auf einem Korrekturbogen während der Entwicklung der DN Grotesk

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Die gesamte DN-Grotesk-Familie des Jahres 2002 im Überblick

Am Ende flossen verschie­dene Ideen aller histo­ri­scher Vorlagen in die Entwicklung der DN Grotesk ein. Dabei ist es Örjan Nordling und Göran Söderström gelungen, eine harmo­ni­sche Familie aufzu­bauen. Ein beson­deres Merkmal der DN Grotesk ist die große Mittellänge, die rund 10 % über der von Akzidenz Grotesk liegt. Sie garan­tiert, dass die Schrift auch in kleinen Graden groß wirkt und gut lesbar bleibt. In der allge­meinen Anmutung ergibt sich eine leicht-schmale Schrift mit offenen Buchstabenformen. Auch die Ober- und Unterlängen sind knapp bemessen, so dass die Zeilen enger gesetzt werden können. Die kursiven Schnitte – eigent­lich nur schräg gestellt Grundformen – wurden selten in Dagens Nyheter eingesetzt.

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Damit die unge­wöhn­liche Sansserif ihren Platz in der FontFont-Bibliothek finden konnte, unter­nahmen die Entwerfer einige Änderungen und Erweiterungen. Zunächst entfernten sie Ungereimtheiten in den Buchstabenformen, die sich über mehrere Schnitte erstreckten. Dies rührte daher, dass DN Grotesk nicht in einem Aufwasch entstanden war. Zunächst zeich­neten Nordling und Söderström nur der Heavy-Schnitt für den Sportteil von DN. Erst später arbei­teten sich die beiden »rück­wärts« an die leich­teren Schnitte von Bold bis Thin heran, was keine leichte Aufgabe ist.

Für die FF Dagny wurde die Strichstärkenabstufung korri­giert und die Kontraste in den einzelnen Schnitten verrin­gert, so dass sie nicht nur als Headline-Schrift sondern auch als Textschrift einsetzbar ist. Viele Buchstaben wurden in Absprache mit dem FontFont-Tech-Department über­ar­beitet oder korri­giert. Die Kursive ist nun eine echte Kursive, die sich erst­mals über alle Strichstärken erstreckt. Schließlich wurde die Schrift tech­nisch so ausge­stattet, dass sie nicht nur auf Papier sondern auch am Bildschirm gut aussieht (Hinting).

Schon kurz nach ihrer Vorstellung vor 3 Wochen verzau­berte FF Dagny die ersten Kenner. Yves Peters sieht in der Familie eine Brücke zwischen dem Grotesque-Stil (z. B. Akzidenz Grotesk) und den ameri­ka­ni­schen Gothics (z. B. Franklin Gothic). Er schrieb im Fontfeed: »Ihr Design begann als Grotesque und sie weist viele typi­sche Eigenschaften dieser Schriftklasse auf, was man bei den Buchstaben a, c, e und s gut sehen kann. Das kauf­män­ni­sche & erin­nert mich total an News Gothic/Benton Sans. Die Ziffern scheinen von Franklin Gothic beein­flusst. Die nost­al­gi­schen Details wie das gekrümmte f und die dori­schen Q und R stellen einer­seits einen Bezug zu den histo­ri­schen Vorbildern dar, auf der anderen Seite geben sie der Schrift – im Kontext – eine zeit­ge­mäße Designnote. FF Dagny ist eine Cross-over-Sans, die sicher­lich neue typo­gra­fi­sche Wege öffnet.«

Zur Namensgebung: Dagny steht einer­seits als Abkürzung für Dagens Nyheter, ist aber auch ein alter nordi­scher weib­li­cher Vorname, der als »neuer Tag« über­setzt werden kann.

Wen es nun juckt, die gut ausge­baute Dagny OpenType mit dem kompletten Zeichenvorrat selbst zu testen, sollte sich den kosten­losen Probierfont FF Dagny™ Thin von der FontShop-Probierfont-Seite laden.

Zum Kennenlernen aller Dagny-Schnitte einfach unsere Flash-Schreibmaschine unten stehenden Fenster benutzen … eigenen Text eingeben, die Dagny-Schnitte beliebig wech­seln und die Schriftgröße nach Wunsch ändern:

*siehe auch:
Die neue FF Kava
und hier den Kava-Steckbrief down­loaden …
Martin Wenzel über seine FF Duper und hier den Duper-Steckbrief down­loaden …
Wie Unit-Slab entstand und hier den Unit-Slab-Steckbrief down­loaden


10 Kommentare

  1. tobecks

    Ich weiß, es hat nichts direkt mit diesem Artikel zu tun. Er ist nur ein weiteres Beispiel dafür. Bin ich der Einzige, den stört, dass die Artikel im ganzen Umfang auf der Startseite erscheinen? Ich finde es jeden­falls sehr nervig über die ganzen Artikel zu scrollen, wenn man sich erstmal einen Überblick über die Themen schaffen will. Kann man da nicht einen kurzen Anreisser auf der Startseite plat­zieren? Nur so ein Gedanke …

  2. Jürgen Siebert

    OK, ich teile den Artikel in Vorspann und Hauptteil. 

  3. Rainer

    Ich persön­lich finde das gut, wenn ich alles in einem Artikel lesen kann. Zwischenüberschriften könnten aller­dings bei längeren Texten bei der Orientierung helfen.

  4. Jürgen W.

    Nein, so lassen. Wenn ich mich eh nicht vertiefen will, brauch ich auch nicht weiter scrollen. Aber Gliederung könnte beide Seiten zufrieden stellen.

  5. charly

    @tobecks: kauf dir eine maus mit rad!
    *duckund­wech*

  6. Jürgen W.

    Ist in jedem Fall von Vorteil :-)

  7. till

    Bin ich der Einzige, der die Datei nicht laden kann („Dekomprimieren ist fehl­ge­schlagen“)? Safari und 10.5.8

  8. Jürgen W.

    Nein, nicht der Einzige. Kommt nur eine 0 KB Datei an.

  9. Jürgen Siebert

    Sorry, wir repa­rieren den Link morgen. Bis dahin bitte bei den Kollegen von FontShop USA bedienen: http://​www​.font​shop​.com/​f​r​e​e​f​o​nts

  10. soso

    Zur Schrift: ugly und das f geht mal garnicht.

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