Satzklassiker (6): Smeijers Arnhem pioniert den Zeitungssatz

Fred Smeijers

Anhaltend regnen Bleibuchstaben auf die Studierenden, bevor der Kurs sich der digi­talen Produktion zuwendet. Die Type-Design-Studenten an der Leipziger  Hochschule für Grafik und Buchkunst, die Fred Smeijers gemeinsam mit Stephan Müller leitet, erfahren die Geschichte des Schriftenentwurfs, dann das Zusammenspiel zwischen Schrift und Gesellschaft und gelangen von dort zur eigenen typo­gra­fi­schen Positionierung. Smeijers eigenes Schriftenschaffen prägten stets drei Elemente:

i) die Analyse histo­ri­scher Vorbilder,

ii) der Entwurf zeit­kon­former Fonts mit modernsten digi­talen Werkzeugen

iii) und die prak­ti­sche Prüfung der Schrift im Druck.

So entstand auch die Arnhem-Familie: Die Staatszeitung der nieder­län­di­schen Regierung beauf­tragte 1998 den renom­mierten Nederlandse Staatscourant, unveröffentlichtes Redesign»Werkplats Typografie«-Kurs der Arnheimer Hochschule der Künste mit einem Redesign.

Unveröfentlichtes Redesign der Nederlandse Staatscourant (aus  »Dutch Type« von Jan Middendorp) →

Smeijers, der in Arnheim studiert hatte, wurde als typo­gra­fi­scher Berater hinzu­ge­zogen. Als die Anforderungen an die einzu­set­zenden Schriften immer höher gerieten, beschloss Smeijers eine eigene Schrift für den modernen Zeitungssatz zu entwerfen.

Zunächst für die Headlines, später für den Textsatz. Die Bedeutung der Aufgabe und ein groß­zü­giger Zeitplan seitens des staat­li­chen Auftraggebers, verschaften Smeijers die seltene Chance, seine eigene wie auch andere Schriften intensiv auf Zeitungsdruckmaschinen und -papier zu testen und opti­male Eigenschaften für Editorial-Schriften zu entwi­ckeln. Eine der Erkenntnisse: Die drei­eckige Kopfserife dient der Lesbarkeit mehr, als alle ausge­klü­gelten Alternativen.

Plantin Moretus Museum in Antwerpen

Das Druck-Kabinet des Antwerpener Museum Plantin-Moretus nutzte Smeijers regel­mäßig für prak­ti­sche Satz-Studien für  (Foto: kunst​en​erf​goed​.be)

Ergebnis nach unzäh­ligen Studien, Tests und Korrekturen war eine frühe Editorial-Familie mit hoch-funk­tio­nalem Design, dass sich an fran­zö­si­schen Satzschriften des 17. Jahrhunderts orien­tierte, jedoch seit der ersten Enwurfminute mit digi­talen Werkzeugen erschaffen wurde.

Das Arnhem-Konzept funk­tio­niert am besten mit großen Mengen von Fließtext. Fest verwur­zelt in tradi­tio­neller Typografie, hat Arnhem einen modernen Touch, oder »eine Kante«, wie Erik Spiekermann es ausge­drückt hat, zu dessen fünf Lieblingschriften Arnhem zählt.

Die Erstauflage aus dem Jahr 2002 umfasste vier Schriftschnitte mit passenden Kursiven: Arnhem Blond, Arnhem Normal, Arnhem Bold und Arnhem Black.

ArnhemMuster_web

2002 erschien die erste Arnhem-Familie mit vier Schnitten bei OurType. Allen gemeinsam ist die einfache drei­eckige Kopfserife, diex dient der Lesbarkeit mehr als alle ausge­klü­gelten Alternativen.

Der Arnhem-Normalschnitt hat eine kräf­tige Farbe, die beson­ders in kleinen Punkgrößen (unter 8 Punkt!) und unter unvor­teil­haften Druckbedingungen hervor­ra­gend lesbar bleibt. Statt eines Light-Schnittes  entwi­ckelte Smeijers eine Blond-Version, die unter Zeitungsdruck-Bedingungen nicht wegbricht.

FontShop: Arnhem Blond, Fließtext Muster

 

Textmuster der Arnhem Blond, Serif und Bold aus FontBooklet Nr. 1, zum Beurteilen und Vergleichen von Satzschriften 

Acht Jahre nach der Erstveröffentlichung präsen­tiert Smeijers die zweite Generation der Arnhem-Familie. Mit kleinen Überarbeitungen an Bauform, Veränderungen am Abstand zwischen den Zeichen und einem SemiBold-Schnitt. Der Arnhem-PRO-Zeichensatz im OpenType-Format umfasst heute alles was eine moderne Editorialschrift braucht: Kapitälchen, Lining- , Old Style- und Small Caps- Ziffern (propor­tiornal und für Tabellen); Brüche; wissen­schaft­liche Sonderzeichen, Nominatoren und Denominatoren;  mathe­ma­ti­sche Zeichen und Währungssymbole (tabular und propor­tional); Pfeile; Ligaturensätze und alle Akzentbuchstaben für west-, zentral- und osteu­ro­päi­sche Sprachen. Ein Glyphenvorrat von über 900 Zeichen pro Schriftschnitt.

Zur Arnhem-Textfamilie stieß die Titel-Variante Arnhem Fine mit Bold- und Roman-Schnitt und passenden Kursiven. Smeijers orien­tierte Ihr Laufverhalten und ihre Proportionen am Bedarf des Headlinesatzes in großen Textgrößen. Die beste Leseleistung erzielen diese Headline-Fonts in Größen ab 14 Punkt. Im Vergleich zu Arnhem Text-Schriften, verläuft die Form »knackiger«  in Details, wie Serifen oder Kurvenverbindungen. Ein weiterer wich­tiger Unterschied besteht in den Proportionen: Fine-Versionen haben längere Ober-und Unterlängen und eine redu­zierte x-Höhe – auch aus der Entfernung finden Arnhem-Headlines Ihre Leser.

Arnhem Fine

Nachdem der ursprüng­liche Einsatz von Arnhem im Nederlandse Staatscourant an büro­kra­ti­schen Hürden geschei­tert war, fand die neue Editorialfamilie reis­senden Absatz im Zeitschriften-Design. Arnhem Fine und Arnhem kamen 2007 nach dem Redesign des Financieele Dagblad (Bild oben zum Einsatz. Headlines, schmale Headlines und Textspalten wurden mit einem Mix aus Arnhem-Standard- Schnitten und indi­vi­duell ange­passten Arnhem-fd.– Schnitten gesetzt.

Über den Entwerfer: Fred Smeijers ist ein hollän­di­scher Typograf, der sich der typo­gra­fi­schen Forschung und Entwicklung verschrieben hat. Er hat unter anderem die Schriften Quadraat, Quadraat Sans (FontShop), Renard (The Enschedé Font Foundry), Arnhem, Fresco, und Sansa entworfen. Die letzten drei erschienen bei OurType, dem Font Label das Smeijers zusammen mit Rudy Geeraerts von FontShop Benelux gegründet hat. Smeijers entwi­ckelte Schriften, unter anderem für Océ, Philips, The New Dutch Telephone Books, MAN/BMW, Canon-Europe und Lloyds. Er veröf­fent­lichte Counterpunch (1996, Hyphen Press) und Type Now – a mani­festo (2003, Hyphen Press, Neuauflage 2010). Im Jahr 2000 erhielt er den Gerrit Noordzij Preis. 2004 erhielt er die Berufung an die Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB), Leipzig, seit 2011 leitet er dort gemeinsam mit Stephan Müller die Klasse für Type-Design.

Arnhem bei FontShop:

Arnhem Pro Complete | 20 Fonts | 800 Euro, Einzelschnitt ab 80 Euro

Arnhem Fine Family OT | 4 Fonts | 120 Euro, Einzelschnitt ab 40 Euro

Quellen:

I love Typoraphy, Februar 2008, Chris Sowersby

Grafische Revue Österreichs 03_06,  Michael Karner (PDF)

Dutch Type, 2004, Jan Middendorp, Printversion vergriffen

100 Beste Schriften, Platz 29: Arnhem

Alle Preise verstehen sich zzgl. MwSt., vorbe­halt­lich Preisänderungen

Arnhem-Blond Asteriske


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