10 Wege zu wirkungsloser Werbung
Gedanken zum 11. 11., von mira4, Wien:
»Die Elf gilt seit dem Mittelalter als eine Zahl für Maßlosigkeit, Sünde und teuflisches Handeln. Es gibt auch einen Berufsstand, der sich darum bemüht, uns das ganze Jahr lang zum Narren zu halten. Über den Wert der organisierten Narretei, die auch als Werbung bezeichnet wird, wurde immer schon heftig gestritten. Wie sich närrisches Treiben hemmungslos ausleben lässt, ohne durch folgenschwere Nebenwirkungen getrübt zu werden, zeigt unsere kleine Broschüre, die Sie hier besichtigen und downloaden können.«
22 Kommentare
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thomas | BFA
hihi. sehr lustig. ja »me too«-kunden sind eine lustige gruppe. mir ist die tage noch der entwurf eines »kollegen« ins postfach geflattert, der seiner kundin mit den worten »das kann man machen« einen deppenapostroph in den namen gebaut hatte. von der tatsache, das mal wieder alle, aber auch wirklich alle dienstleistungen der dame auf dem visitenkärtchen zu finden waren (klassisches handwerkerproblem) will ich gar nicht reden.
es ist schön, wenn man sich im vorfeld schon so ins konkurrenzabseits manövriert.
Vroni
Da fällt mir doch passend dazu ein Lieblingsatz des bürgerlich-vorsichtigen KMU an den Grafiker ein:
„Wa, des soll neu sin? Des hen i aber no nirgends gsähe!“
jamie oliver
Hmmh. Bin wieder mal zu dumm für so Plumpes und verstehe das nicht ganz. Ist das jetzt eine geniale Werbung für mira4?
Oder ist das nicht genau das was alle Designer ständig predigen nämlich „WIR sind besser als alle anderen!“ Muss Kommunikation Kunst sein oder darf es vielleicht auch noch ein wenig um Kommunikation gehen?
Ausserdem scheint mir mira4 wenn ich die Website so anschaue auch noch ein paar Leichen im Keller zu haben. Wer von euch ohne Sünde ist der werfe den ersten Stein. Oder nicht?
Andreas
An wen richtet sich denn dieses PDF? Für Grafik Designer ist es allenfalls humoristisch, ansonsten voll von Platitüden und Binsenweisheiten. Einen Laien bringt es aber kein Stück weiter (Ich mach jetzt eine Wurst auf meine Bäckerei, dass hat noch keiner…). Die Negation der Regeln wird ebenso sehr in die Hose gehen wie die Befolgung.
Die Wirksamkeit von Werbeaussagen entsteht doch gerade in der Gratwanderung zwischen Konventionen und Neuem, das ist ja die Kunst daran (höhö).
Als Werbung für mira4 kann es wirksam sein, jedoch auf eine eher unangenehme Art. Einen Laien in die Ecke zu drängen, in dem man ihm erklärt „Du kannst nur verlieren, lass mich das lieber machen.“, bis er aufgibt und sich im Zwang sieht, auf einen Profi zurück zu greifen, ist glaub ich keine gute Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Naja, und als Medizin für Beratungsresistenz wird es auch nix helfen – auch wenn das wirklich wünschenswert wäre. Weiß jemand eine?
Vroni
@ Andreas
So wie ich das PDF verstanden habe, werden keine Laien, sondern g’standene Firmen, die es besser wissen müssten, in die Ecke gedrängt (wenn wir bei dem Bild bleiben wollen). Andere verstünden diese Sprache in dem PDF auch gar nicht. Zumindest habe ich solcherley sehr wohl bei Marketingabteilungen mit angeschlossener Firma erlebt. Aber der Künstler genießt und schweigt vornehm :-)
Aber es stimmt, so oder so macht man damit gerade bei werden sollenden Kunden – egal welche, den „guten“ oder den „beratungsresistenten“ – keinen Punkt. Der Gute ist angepisst, der Resistente kapiert es nicht. Unterm Strich ein Minus, Ziel nicht erreicht. Wenn, wenn es das Ziel war.
Für einen Schapernack unter Leidenden, jeder nur ein Kreuz, jedoch immer wieder gern konsumierter Ulk. Verweise auf einschlägige berühmte Bloggerwerke wie „Wie man seinen Grafiker zum Wahnsinn treiben kann“. Am 11.11. darf man das.
Medizin für (du meinst wohl eher gegen) Beratungsresistenz) gibt es keine, außer eine, und die kostet Zeit und Abwarten: Wenn sie mal ordentlich reingefallen sind und ihre Dinger absaufen. Gehabte Erfahrung ist der beste Koch in diesem Fall. Bei manchen Schraubenfabriken (obacht nur eine Metapher) hilft aber auch das nicht, I can tell. Das Beste ist, im Zweifelsfall keine Zeit mit Missionierung zu verschwenden. Sonst wird man verbissen.
Liz
Finde ich lahm. War ein guter Texter zu teuer? Erotikanmutung das Provokanteste was einfiel? Aus einem lustigen Fingerzeig wurde genau das was vermieden werden sollte: wirkungslose (weil langatmige) Werbung. Glückwunsch.
Und ich habe noch nie gesehen, dass man auch die Arbeiten von Teammitgliedern zeigt, die sie bei anderen Agenturen gemacht haben o.O Macht man das jetzt so?
Vroni
Nachtrag für Leseratten
Die Lesart, die Texttechnik des PDFs ist ähnlich wie bei Watzlawicks „Anleitung zum Unglücklichsein“. Es arbeitet mit dem Trick der paradoxen Intervention (Das Gegenteil von dem sagen, was erwaret wird). Und in der Tat, man klappt das Büchlein leise aber irre vor sich hin giggelnd und in deutlich heiterer Stimmung zu, als man es aufgeklappt hat.
http://www.amazon.de/Anleitung-zum-Ungl%C3%BCcklichsein-Paul-Watzlawick/dp/3492249388/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books&qid=1226439452&sr=8-1
meistermochi
„Es ist daher auch dringend geraten, falls sich ein Text mit
handschriftlicher Anmutung nicht vermeiden lässt, diesen
keinesfalls von einer Kalligrafin schreiben zu lassen, sondern
statt dessen eine jener digitalen Schriften zu nutzen, die auch
die Konkurrenz verwendet.“
ich habe so einen hass auf diese schriften! leider liegt der einsatz nicht in meinem ermessen…
robertmichael
jamie oliver hats eigentlich gesagt:
ich denke wir wollen alle bessere werbung und gestaltung machen, als wir es eigentlich tun oder? manchmal gelingt es uns sogar, dann haste aber wieder so einen kunden der beratungsresistent ist und unbedingt diese kleinen süßen kinder (sind ja seine eigenen) auf den flyer haben will. ok. bekommt er es halt so – ich habs versucht.
Dagger
Ein bischen amüsant, ein bisschen ;-)
Dein Chef
Es gibt neben wirkungsloser Werbung auch wirkungslose Layouts…
Jonathan (Weg Eins)
Lustig, aber ganz überzeugen kann es nicht.
christoph
das man es besser kann als die anderen muss man einfach beweisen. mira4 können das auf ihrer webseite nicht.
ein mitarbeiter der agentur gibt als referenz an, 93 das ORF-erscheinungsbild gemacht zu haben. ob das neville brody weiß, der bisher als wesentlicher urheber gilt? hier taucht er nur ganz versteckt als »berater« auf.
Markus Hanzer
Damit es da keine Missverständnisse gibt. Ich war von 1991 bis 1995 künstlerischer und organisatorischer Leiter der ORF Grafik. Das Redesign des ORF habe natürlich nicht ich, sondern die Grafikabteilung erarbeitet. Neville Brody hatte den Auftrag als externer Berater und Gestalter diesen Prozess zu begleiten.
Was mich allerdings doch sehr verwundert – selbst wenn ich der schlechteste und miserabelste Gestalter der Welt wäre, warum sollte ich deshalb nicht darüber nachdenken dürfen, wie wir heute miteinander kommunizieren und warum darf man über Sexismus und Menschenverachtung nur reden, wenn man tolle Werbung macht.
christoph
in »die grafik-sprache des neville brody 2« wird deutlich gesagt: brody erhielt den auftrag, die visuelle identität des rundfunk- und fernsehsenders zu gestalten. »brody wählte ein baukastensystem, das auf einem farbkreis beruhte«, »brody entwickelte das neue senderlogo«, »die von brody für das ORF entwickelte CI (…)« und so fort.
das design sieht ja auch 100% nach neville brody aus. wäre es nicht sein entwurf, wäre es ein brody-plagiat.
kann es nicht also sein, dass das corporate design von neville brody entwurfen wurde und dann eben die orf-interne grafik-abteilung für die weitere detail-umsetzung zuständig war? das wäre dann schon etwas ganz anderes als »das CD hat die interne grafikabteilung entwickelt und der ganz zu schluss genannte brody hat beraten«.
Markus Hanzer
Es gibt auch noch ein andere Bücher, als die Selbstdarstellung von Neville Brody. Das Buch heißt „Das andere Auge“ und schildert ausführlich und detalliert den gesamten Redesignprozess mit allen beteiligten Personen und Details.
HD Schellnack
Das beim ORF ist doch ein ganz normaler Prozess, mit all den Fußangeln, Kongenialitäten und Kompromissen, die bei solchen Kooperationen auftreten.
Markus, danke für den Buchtipp :-D
HD Schellnack
Mal so eine Sache
Ich hab CD-Projekte begleitet, wo ich als Berater im Laufe des Redesigns zusammen mit der internen Marketing so deutliche Kompromisse gemacht habe, dass es am Ende eigentlich GAR keinen Designer mehr gab, sondern ein permanent schwimmendes, sich den Kundenwünschen in Echtzeit anpassen müssendes Gebilde, das im Ansatz gut, in den Details eher «Ai ai ai…» war. An so einem Prozedere arbeiten immer viele Personen mit, es gibt da nicht «den» Designer.
Schlimm ist das nur, wenn ein Geschäftsführer dich dann Jahre später für den Verantwortlichen hält, dir Sachen zeigt, die du wirklich nicht gut fandest und dann sagt: «Ja, aber das haben SIE doch gemacht.» :-D
Ich finde das sehr schöne ORF-Redesign übrigens gar nicht SO typisch Neville, sondern eher typisch für die großen Corporate-Design-Überarbeitung dieser Jahre. Wer will, kann da auch eine Menge Meta-Design-Flair drin sehen, ebenso beim HdK-Design…
christoph
natürlich sind bei solchen prozeßen viele beteiligt. trotzdem lässt sich in aller regel schon sagen, welche beteiligten die wesentlichen dinge entwickelt haben und wer nur eher organisierend oder durchführend beteiligt war. die beteiligten scheinen ja auch nicht zu glauben, dass KEINER das cd so richtig gemacht hat sondern sind offenbar uneins darüber, WER es gemacht hat.
sehr typisch brody: die klaren, an art-deco angelehnten versalien im logo und in den sendungstiteln, wie er sie in den 80ern gezeichnet hat. dazu kommt: viel unscharfes wuschi-wuschi im hintergrund, wie es brody exzessiv in den 90ern gemacht hat, amerikanische grotesk (news gothic) über die ganze fläche… wer immer es gemacht hat, es sieht nach brody aus.
Markus Hanzer
Wer immer auch so charakterlos ist, sich hinter dem Pseudonym Christoph zu verstecken – Sie haben ganz offensichtlich nicht die geringste Ahnung von Designprozessen und waren noch nie an einem solchen beteiligt, sonst könnten sie kaum solchen Unsinn schreiben.
Der Re-design Prozess war 4 Jahre harte Arbeit. Das erste Jahr haben wir damit verbracht die technische, personelle und organisatorische Basis zu schaffen, um eine komplette Umgestaltung eines solchen Unternehmens überhaupt möglich zu machen. Allein an diesem Prozess waren wahrscheinlich mehr als hundert Personen beteiligt, Kaufleute, Redakteure, Techniker, Personalchefs, etc. Nicht zu vergessen natürlich – ohne eine Generalintendanten Gerd Bacher, der den Mut und die Weitsicht besaß diesen Prozess überhaupt anzustoßen, wäre gar nichts passiert. Ohne einen Art Direktor Erich Sokol, der über Jahrzehnte die Basis geschaffen hat, dass Design überhaupt sein Werkstättendasein hinter sich gelassen und zu einem ernst zu nehmenden Instrument innerhalb eines Medienunternehmens wurde, der als einer der ersten in Österreich überhaupt so etwas wie eine Unternehmenssprache entwickelt und diese in harten Kämpfen durchgesetzt hat, ohne einen Heinrich Landauer, einen Norbert Wuchte, einen Helmut Radinger und einen Helmut Stiedl und viele viele andere, hätte es Fernsehdesign nicht einmal über die Wahrnehmungsschwelle geschafft. Corporate Design in einem Medienunternehmen erschöpft sich nicht in einem Logo, der Auswahl einer Schrift und der Entscheidung für einen unscharfen Hintergrund. Corporate Design ist ein Werkzeug, mit dessen Hilfe Abläufe und Prozesse gesteuert und sichtbar gemacht werden – hunderte bis tausende an einem Tag. Um das zu können, muss man ein Unternehmen in alle seinen Strukturen und Anforderungen, Möglichkeiten und Notwendigkeiten verstehen. Aber der Christoph ist wie viele, die nie mehr als ein paar bunte Bilder in einer Hand voll Bücher betrachtet haben, natürlich der Meinung, dass die vier Bilder, die dort abgedruckt sind das Design darstellen. Leider stellen sie gar nicht dar. Die Erneuerung der inneren Kommunikation sowie die vielen durch gezielte Maßnahmen, wie die Vereinheitlichung von 120 verschiedenen Briefpapiergestaltungen auf Eine einzige, waren für die Entwicklung des Unternehmens und damit schlussendlich für das Programm entscheidender als die Auswahl der Schrift für drei Buchstaben. Stil („an art-deco angelehnt“) ist ein nicht unbedeutender Teil von Designprozessen. Für die Übersetzungsleistung der zusammen mit Neville Brody erarbeiteten Designvorgaben in eine sichtbare Oberfläche ist nicht nur eine lange und harte Arbeit, sondern erfordert oft mehr von Gestaltungspersönlichkeiten als der Entwurf von ein paar Musterseiten. So ist es herausragenden Designern wie Helmut Stadlmann, Peter und Rupert Putz, Helmut Mark, Dieter Telfser, Michael Huber, Wolfgang Schwetz, Stuart Veech und vielen weiteren zu danken, dass dieser Prozess überhaupt über die Werkstatt hinaus ein Erfolg wurde. Versuchen Sie doch einmal eine Volksmusiksendung, Willkommen Österreich oder dasKinderprogramm im „Stil“ von Neville Brody zu gestalten. Programme dieser Art bilden den Kern jedes öffentlich rechtlichen Medienauftritts. Wer es sich anmaßt, Urteile zu treffen, wer in welchem Prozess welche Bedeutung hatte, der sollte schon mehr auf dem Kasten haben als die bescheidene Lektüre eines Artikels.
christoph
kurze erinnerung daran, worüber eigentlich geredet wurde: kritische nachfragen provozierte ein abschnitt auf der »mira4«-homepage, rubrik »mitarbeiterreferenzen«, abschnitt »ORF corporate design«. die rede ist hier ganz klar vom entwurf des grundsätzlichen corporate designs, vom fundament des auftrittes (http://mira4.com/tr/ORF_CD_01.html). hier wird neville brody nur ganz untergeordnet aufgeführt, als berater am ende einer langen namensliste. ob das so richtig ist oder nicht kann ich nicht sagen, als außenstehender kann ich aber feststellen, dass neville brody das völlig anders darstellt. als gestalter jedes einzelnen elementes hat ihn niemand dargestellt, er sich selbst auch nicht.
das ganz gerede über einen furchtbar komplexen prozeße (natürlich war es einer), volksmusikdesign und andere details führt deswegen am thema vorbei. nach kräften wird nun die bedeutung der grundsätzlichen designelemente heruntergespielt (»die drei logobuchstaben!« »ein paar mustercharts!«). auf der mira4-homepage verkündete man allerdings noch stolz: »die grafische sprache des ORF besteht aus wenigen elementen, die modular einsetzbar sind und viele kombinationen zulassen.« und was wir auf der homepage sehen: auf 2 fotos immer nur die so unwichtigen 3 buchstaben des logos.
über die polemik gegen das »gucken von ein paar bunten bildchen« lohnt es sich noch einmal eine sekunde länger nachzudenken. am ende eines designprozeßes stehen nun mal eine reihe sichtbarer ergebnisse – »bilder gucken« kann im design eigentlich kaum etwas verächtliches sein. um das sichtbare design geht es doch – projektmanagement ist schließlich (hoffentlich) kein selbstzweck. form, farbe, schrift – viel komplizierter ist grafikdesign letzten endes nicht. gerade das klare bild von einer marke ist ja auch das ziel – sonst ist das markendesign gescheitert. »ein paar mustercharts« stellen eine beachtliche leistung dar, wenn die ein eigenständiges markendesign in den grundzügen definieren. aber das weiß doch der, der auf der mira4-homepage die cd-basics lobt.
ganz unbenommen davon gibt es natürlich noch ganz viele andere lobenswerte leistungen innerhalb des großen umgestaltungsprozeßes. leugnet ja keiner.
mehr habe ich dazu aber auch nicht zu sagen und halte mich nun zurück.
Stephan
Ein wenig lang und ermüdend diese vielen Regeln. Sieht irgendwie nach persönlicher Krisenbewältigung eines Gestalters aus, welche er in einem PDF versucht zu bewältigen. In jeder Berufsgruppe gibt es Kunden, von denen man doch genervt ist. Hat deshalb ein Bäcker schon einmal ein PDF veröffentlicht, oder eine Banderole am Brot befestigt, mit Infos wie ich seine Arbeit wertschätze sollte, statt den Brotbackautomaten anzuwerfen? Nö. Echt arm eigentlich … das PDF und schade um die Zeit. Gegen dieses Leiden hilft nur ein feiner Feierabend und nette Freunde, aber kein PDF.